Alone

2 2 0
                                    

Gegen Abend hatte sich Jisung wieder etwas erholt. Nachdem er den Oreo-Cheesecake, den Felix mitgebracht hatte, gegessen und ein paar Gläser Wasser getrunken hatte, fühlte er sich schon wieder fitter. Der Kater war nicht mehr so überwältigend, doch die Ereignisse der letzten Tage schienen ihn immer noch zu beschäftigen.

Jisung seufzte und sah zu Felix, der ihm immer noch besorgt Gesellschaft leistete. „Felix, es geht mir schon besser," begann er leise und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Ich glaub, ich brauch jetzt einfach ein bisschen Zeit für mich."

Felix runzelte die Stirn, schien kurz zu zögern, doch Jisung fügte schnell hinzu: „Wirklich, ich komm klar. Warum gehst du nicht mit zu Changbin? Ich weiß, dass ihr auch gern ein wenig allein wärt."

Felix wollte protestieren, doch er sah, dass Jisung es ernst meinte. Schließlich nickte er. „Okay," sagte er leise. „Aber wenn irgendwas ist, ruf mich sofort an, okay?" Er stand auf, beugte sich kurz zu Jisung hinunter und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Stirn. „Mach's dir gemütlich und ruhe dich noch ein bisschen aus."

Jisung lächelte schwach und nickte, während er zusah, wie Felix seine Sachen zusammenpackte und sich mit Changbin auf den Weg machte. Als Felix die Tür hinter sich schloss, ließ Jisung sich zurück auf das Sofa sinken und genoss die Stille der Wohnung. Endlich hatte er einen Moment für sich, um seine Gedanken zu sortieren.

Jisung saß alleine auf der Couch und ließ die Ereignisse des Abends im Club noch einmal durch seinen Kopf gehen. Der Moment, in dem Minho ihn geküsst hatte, brannte sich immer wieder in sein Gedächtnis ein. Er konnte die Hitze von Minhos Lippen noch immer auf seinen spüren, und es war fast unerträglich, daran zu denken, was hätte passieren können, wenn Felix sie nicht gefunden hätte.

Wäre Felix nicht da gewesen, hätte er sich vielleicht nicht zurückhalten können. Und Minho? Er war sich sicher, dass Minho auch mehr gewollt hätte. Jisung fühlte, wie eine Welle der Verwirrung und Schuld ihn überkam. Warum musste Minho ausgerechnet Chans Mitbewohner sein? Warum musste er ausgerechnet jetzt wieder in sein Leben treten, gerade als sich mit Chan etwas entwickeln konnte?

„Warum jetzt?" murmelte Jisung leise zu sich selbst, als er die Augen schloss und versuchte, die Gedanken zu sortieren. Es war, als ob das Universum sich gegen ihn verschworen hätte, als ob alles komplizierter werden musste, gerade wenn er dachte, dass er die Dinge endlich unter Kontrolle hätte.

Jisung erinnerte sich an die Leichtigkeit, die er mit Minho während ihres One-Night-Stands im Urlaub gespürt hatte. Alles war so frei und unkompliziert gewesen. Doch jetzt? Jetzt war Minho Teil seines alltäglichen Lebens, mit Chan, den er wirklich mochte, direkt daneben. Und das machte alles nur noch schwieriger.

Jisung kuschelte sich tiefer in seine warme Wolldecke, als er den Gedanken hegte, nach draußen zu gehen. Die kühle Nachtluft würde ihm gut tun, und er verspürte das Bedürfnis, etwas Abstand von seinen Gedanken zu bekommen. Seine Gitarre, die in der Ecke lehnte, schien ihn zu rufen, und die Idee, ein wenig zu spielen, während er eine Zigarette rauchte, fühlte sich plötzlich richtig an.

Er stand auf, zog die Decke enger um sich, und schlenderte zur kleinen Dachterrasse, auf der er oft saß, wenn er nachdenken oder einfach nur abschalten wollte. Er schnappte sich seine Gitarre, stellte sie neben den Stuhl, der dort stand, und ging in die Küche, um sich ein Glas Wein einzuschenken. „Mir geht's wieder gut," murmelte er zu sich selbst, als er den Wein einschenkte. „Ein Glas wird schon nicht schaden."

Mit einem tiefen Atemzug trat er auf die Terrasse, ließ sich in den Stuhl sinken und zündete sich eine Zigarette an. Der erste Zug fühlte sich befreiend an, fast als würde er damit die Last der letzten Tage wegpusten. Dann griff er zu seiner Gitarre, stellte das Glas Wein neben sich und begann, sanft über die Saiten zu streichen. Die Musik, die durch die ruhige Nacht hallte, beruhigte seine aufgewühlten Gedanken, während der Rauch seiner Zigarette sich in der Luft verfing.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt