Los - Paul

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Dass ich sexuelle Unlust verspürte war eine glatte Lüge.
Wie sehr ich es brauchte.
Jeden Abend verschaffte ich mir in meinen vier Wänden die Erleichterung, die ich brauchte, um nicht vollends durchzudrehen.
Dabei dachte ich an Richard.
An die Küsse - An jede einzelne Berührung.
Es war zum verrückt werden.
Mittlerweile hatte ich die Hoffnung aufgegeben, dass meine Gefühle für ihn zurückgehen würden.
Ich akzeptierte es.
Genauso, wie ich versuchte zu akzeptieren, dass er nun in Madeleine eine neue Frau an seiner Seite fand.
Dass diese Beziehung auch zum scheitern verurteilt war, stand von Anfang an fest und bestätigte sich, als er mir unter vier Augen anvertraute, dass er sie nicht liebte.
Mehr Hoffnungen machte ich mir dadurch nicht. Richard stand auf Frauen. Nur auf Frauen.
Mir war auch klar, dass sich dies niemals ändern würde.
Er hatte keinerlei Berührungsängste, was Homosexualität betraf. Es war für ihn normal.
Da unterscheidete er sich deutlich von anderen Bandmitgliedern wie Schneider oder vorallem Oliver.
Vorallem bei dem Dreh von Musikvideos war Richard immer und zu jeder Zeit für alles offen. Sei es eine wilde knutscherei mit Frauen oder auch Männern, sich nackt vor die Kamera zu stellen, oder Sex zu haben, wenn auch gekünstelt.
Vorallem Oliver war dabei viel verschlossener und nicht zu allem bereit.

Weitere vier Monate zogen ins Land.
Wir spielten die letzten Sekunden des Liedes „Adieu" gemeinsam als vollständige Band im Proberaum.
Ich hatte es geschafft.
Ich blickte in die stolzen Gesichter meiner Kollegen.
Unser sonst so maskuliner Lead-Gitarrist hatte Tränen in den Augen.
Er nahm seine Gitarre über seinen Kopf ab, warf sie auf das hinter ihm stehende Sofa und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu.
Niemand sagte etwas.
Richard wischte sich mit Zeige- und Mittelfinger die hinablaufenden Tränen vom Auge.
„Ich wusste, dass du es schaffen wirst. Ich wusste es einfach." sagte er mit leiser, brüchiger Stimme.
Danach folgten Umarmungen und Wangenküsschen der anderen Bandkollegen.
Nun stand einem reibungslosen Ablauf nichts mehr im Wege.
Wir hatten die letzten Tage die gesamte Setlist der Tour abgearbeitet. Immer und immer wieder.
Tills Stimme wurde dabei wenig geschont.
Sobald ich einen Fehler machte, spielten wir das jeweilige Lied von vorne.
So lang, bis es fehlerfrei abgespielt wurde.
Doch jetzt klappte es das erste mal in einem Zug ohne einen einzigen Fehler.
Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dies mich nicht von Stolz erfüllte.

Wir fieberten nun alle auf unsere Tourfortsetzung hin.
Ich verspürte wieder das altbekannte Gefühl von Euphorie in meinen Adern. Ich freute mich auf die kommenden Monate mit meinen Jungs und den zahlreichen Rammstein-Fans.

„Wie sieht's aus? Kann man Paulchard-Küsse erwarten? Oder gibt es gleich den Live-Porno zu Pussy von euch?" fragte Till und hob die Augenbrauen.
Richard legte lachend den Kopf in den Nacken und sagte, in meine Richtung blickend: „Das muss Paul entscheiden. Ich mach alles mit!"
Seine Worte lösten ein grinsen in mir aus.
„Ja, wirklich alles?" fragte ich ihn schmierig.
Er nickte anzüglich.
„Auch den Porno?" Ich biss mir auf die Lippe und hob flirtend die Augenbrauen.
„Auch den Porno." versicherte er mir, und versuchte dabei, möglichst sexy zu schauen.
Dies löste in allen schallendes Gelächter aus.
Mir wurde warm ums Herz.
Wir sprachen alles durch. Vom Ablauf, über die Pyroshow, der Hintergrundgesänge, bis hin zu dem Kuss und den Showeinlagen.
Doch so richtig konnte ich nicht zuhören.
Ich dachte an seine butterweichen zarten Lippen, wie sie sanft die meine berührten.
Mein ganzer Körper kribbelte.
Seinen warmen Atem auf meiner Oberlippe.
Sein markanter Geruch und seinen warmen, verschwitzen Körper an meinem.
„Paul!" Till versuchte, mich aus meinem Tagtraum zu wecken, indem er mir vor dem Gesicht herum wedelte.
Fuck.
Ich habe mich zu weit von meinen Gedanken und Erinnerungen an die letzten Konzerte treiben lassen.
Mein Blut staute sich bereits in der unteren Körperregion und es war nicht mehr aufzuhalten.
Fuck. Fuck. Fuck.
„Sorry, ich komme sofort wieder." Ich ging sehr schnellen Schrittes Richtung Bad, ehe man die volle Ausmaße in meinem Schritt erkennen konnte.
Ich schloss die Tür hinter mir und lehnte mich über das Waschbecken.
Wieso war ich so? Wieso konnte ich mich, verdammt nochmal, nicht beherrschen?
Ich fühlte mich wie ein pubertierender Teenager.
Ich atmete schwer aus und ließ eiskaltes Wasser in meine, zu einer schale geformten, Handinnenflächen laufen, ehe ich mein Gesicht dort eintauchte.
Ich erhoffte mir dadurch einen klareren Verstand und das Blut in der richtigen Region meines Körpers.
Ich betrachtete mein errötetes, tropfendes Gesicht in dem ovalen Wandspiegel über dem Porzellanwaschbecken und seufzte.
Wie soll das denn auf der Bühne funktionieren?
Es klopfte sanft an der Tür.
„Ja?" fragte ich vorsichtig.
„Paul? Ist alles in Ordnung bei dir?" erkundete sich Richards wunderschöne Stimme.
„Ähm, ja. Ich komme sofort!" gab ich kund.
Ich trocknete mein Gesicht ab und prüfte eines letzten Blickes meine Hose.
Es war wieder alles in Ordnung.
Keine Spur von Erregung.
Ich hätte nicht gewusst, wie ich das erklärt hätte.
Ich schloss die Badezimmertür auf und musste erschrocken feststellen, dass Richard, entgegen meiner Erwartung, nicht zurück zu den anderen gegangen war.
Er stand direkt vor mir und blickte mir tief in meine Augen.
Sein Blick war voller Besorgnis.
Ich schaute verwirrt zurück und runzelte die Stirn.
„Paul, wir müssen das nicht machen..." versicherte mir Richard.
„Wovon redest du?" wollte ich verwirrt wissen.
Er schaute fragend. „Der Kuss?
„Was ist denn damit?" fragte ich ehrlich nichtsahnend.
„Wir haben gerade den Ablauf besprochen. Wann und wo wir den Kuss am besten einsetzen. Aber du hast scheinbar nicht zugehört und hast nur schockiert geschaut." berichtete mir Richard.
„Oh... Nein... ich war mit den Gedanken gerade ganz woanders" gab ich zu und deutete an, in die Richtung der anderen zu gehen, bevor ich in ein unangenehmes Gespräch verwickelt werden würde.
Richard hielt mich sanft an der Schulter zurück.
„Muss ich mir wieder Sorgen um dich machen?" erkundigte er sich mit besorgtem Gesichtsausdruck.
„Nein, Richard wirklich. Mir geht es gut. Ich habe nur nicht allzu viel geschlafen, komm' wir gehen zurück zu den anderen. Los!"
Damit gab er sich vorerst zufrieden.
Wir gingen zum Rest der Band zurück und besprachen alle Einzelheiten.

#Paulchard - Mein Herz brennt! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt