Lügen - Paul

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Schweigend liefen wir über den hochwertigen Designerteppich bis hin zu Richards Apartmenttür. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und sperrte die schwere Eichenholztür auf.
Ein riesengroßes Apartment kam zum Vorschein.
Lichtdurchflutet und mit heller Einrichtung.
Zwei Gitarren, darunter seine ESP 901, konnte ich erblicken, ehe mein Blick auf unzählige Koffer und Reisetaschen im von unten einsehbaren zweiten Stockwerk fiel.
Wow. Er meint es also ernst.
„Kaffee, Tee, Tequila?" fragte Richard.
Olli und Ich baten um ein Wasser. Das schien uns aufgrund der Situation angemessener als Alkohol. Für Tee oder Kaffee war's zu spät.
Richard schlurfte zur modernen Küche, die sich über die ganze rechte Seite hinter der gemütlichen Sitzecke erstreckte.
Er öffnete den Kühlschrank, schenkte Flüssigkeit in ein Glas und kam wieder mit....
... 3 Tequila.
Typisch Richard.
Er lief die Treppen hoch und kam wieder mit einem Haufen knitteriger Wäsche.
„Bedient euch" murmelte Richard und schmiss den Haufen Wäsche Grob auf einen Sessel.
Wir zogen uns etwas trockenes, gemütliches an und warfen unsere durchnässten Klamotten auf einen Stapel. Hier sollte es doch eigentlich einen Wäscheservice geben, oder etwa nicht?
Richard grinste bei unserem Anblick. Ich versank in einem roten Hoodie mit verwaschener schwarzer Aufschrift und Olli hatte große Mühe, seinen Bauch in einem dunkelgrauen langarmshirt versteckt zu halten.
Wir nahmen Platz und und nippten am Tequila.
Richard grummelte und schaute in sein Glas.
Stille.
Es war offensichtlich, das Richard nicht die Vaterfreude gepackt hatte.
Er hatte keine Lust mehr auf Kinder.
Das machte ihn nicht zu einem schlechten Vater. Im Gegenteil. Für seine 3 Sprösslinge würde er sich in die lodernden Flammen werfen, auch wenn keines dieser bei ihm lebte.
Wenn ich eines wusste, dann, dass er auch dieses gerade heranwachsende Leben lieben würde.
Er würde das schon schaffen.

Olli machte den Anfang und fragte Richard, wie lange die Affäre Juliets denn schon andauerte.
Wieder Stille.
„Ich weiß es nicht" antwortete Richard zögerlich.
„Wir haben nicht mehr gesprochen nachdem ich sie erwischt habe. Ich weiß auch nicht, ob ich es unbedingt wissen möchte." Richard schluckte.
Er hat sie wirklich geliebt.
Er erzählte uns in allen Einzelheiten wie besagter Abend ablief.
Fast beschämt beichtete der Gitarrist, dass er uns nicht über die belastende Situation informierte, weil er nicht wollte, dass die Band dachte, er hätte wieder eine Beziehung verbockt.
Richard hat nach Till den größten Verschleiß an Frauen.
Während Till sehr freilebend ist und sich selten auf Beziehungen einlässt, sondern eher den schnellen Spaß sucht, ist Richard einer dieser, der sich schnell in Beziehungen stürzt und diese auch fast genauso schnell wieder beendet.
Mit der Treue nimmt mein Kollege es nicht ganz so genau.
Er gab sich die Schuld an dem Beziehungsende.
Er informierte uns über Juliets Kinderwunsch, und über ihre Vorwürfe, wenn eine neue Tour anstand. Sie brauchte seine Aufmerksamkeit, bekam sie aber seltener als die Musik.
Daran sind innerhalb der Band schon viele Beziehungen zu Grunde gegangen.
„Warum hat sich mir nichts von der Schwangerschaft erzählt?" fragte Richard nachdenklich in die kleine Runde.
„Eventuell hat es sich für sie nicht ergeben. Aber wer weiß, ob sie die Wahrheit sagt."
Sie hat mich angelogen.
Dachte sie wirklich, dass ich ihr mehr glauben schenkte, als Richard?
Richard war immer ehrlich zu uns. Wenn er wieder einmal eine Beziehung erfolgreich in den Sand gesetzt hatte, erzählte er es uns ohne zu zögern. Und wir waren da. Jeder für jeden. Diese Band ist wie eine Familie. Richard verglich die Innigkeit unserer Bande wie eine Ehe ohne Sex.
Einen treffenderen Vergleich hätte ich nicht erzielen können.

Es klopfte.
Richard stellte sein Glas geräuschvoll auf dem Holztisch in unserer Mitte. Er stützte seine Hände auf der Sitzfläche des Sofas ab und drückte sich mit einem schweren Stöhnen in die senkrechte.
Er schloss die Zimmertür auf und lugte durch den aufgesperrten Türspalt, ehe er in schallendes Gelächter ausbrach.
Richard so zu sehen, fütterte mein Seelenheil.
Die Tür wurde von Till aufgestoßen. Er, Schneider und Flake hatten jeweils eine Langhaar-Perücke auf dem Kopf und Till kam hereingestürzt und riss die Arme in die Luft. In jeder Hand eine Flasche Wein. Hinter ihm kam Flake mit einem Stapel Pizzakartons hereingewippt und sagte: „Was denn? So machen das de Weiber doch ooch, wennse Liebeskummer haben!"
Das versprach, ein schöner Abend zu werden.

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