Spieluhr - Paul

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Ich ging Richtung Haus von Juliet und ehemals Richard. Ich war gerade an der sattgrünen Vorgarten-Hecke angekommen, als die Tür aufging. Juliet kam mit einem Müllsack in der Hand die steinigen Treppen zum Vorgarten herunter. Ihre kastanienbraunen Haare waren zu einem hohen eleganten Dutt gebunden. Ihre Oberweite hatte sie in einem eng anliegenden weißen Sportbustier verpackt. Dazu trug sie die passende weiße Sportleggins.
Sie war so bezaubernd schön, dass ich für einen Moment vergaß, weswegen ich hier war.
Doch dann traf mich der Schlag.
Hier war etwas komisch.
So sah keine Schwangere aus.
Ich überlegte noch einmal kurz.
Wie weit war sie noch gleich?
Richard sagte, es wäre der 8. Monat.
Wo war ihr Bauch?
Sie sah aus wie immer. Schlank wie eh und je.
Entweder... das Baby war schon da, aber viel zu früh, oder....
Nein, Juliet würde niemals so eine dreiste Lüge in Richards Leben platzieren.
Alkoholmissbrauch in der Schwangerschaft kann Frühgeburten auslösen.
Mein bester Freund war vermutlich längst vierfacher Vater und wusste es nicht einmal.
„Juliet" rief ich reflexartig. Und lief auf sie zu.
Sie blieb wie angewurzelt stehen, erblickte mich, ließ den Müllsack fallen und lief in schnellem Tempo wieder Richtung Haustür.
„Juliet!" rief ich wieder.
„Lasst mich bloß in Ruhe!" schrie sie, erreichte die Tür, ging ins Haus und knallte diese vor meiner Nase zu.
Ich klingelte und blieb ratlos stehen.
Doch sie machte nicht auf. Ich wartete einige Minuten und entfernte mich dann langsam Richtung Auto, in dem Till und Richard warteten.

Was sollte ich ihm sagen?
Verdammt ich wusste es nicht.
Als Richard mich erblickte, riss er die Beifahrertür auf. Die von ihm auf Mauritius gekaufte Spieluhr fiel dabei von seinem Schoß in den Fußraum. Till kam ebenfalls aus der schwarzen C-Klasse.
„Und?" fragte er.
Richard blickte mir ins Gesicht, legte seine Hände auf meine Schultern und rüttelte diese durch
„Paul? Was ist los" fragte er bestürzt. 
Ich atmete langsam tief ein und hielt dabei den Blickkontakt zu Richard, was ihn deutlich verunsicherte.
Er ließ von meinen Schultern ab und ging einen Schritt zurück.
„Ich glaube-" fing ich den Satz an.
„Ich glaube das Baby ist schon da"
Richards Augen füllten sich mit Tränen.
„Was sagst du da?" flüsterte er.
Ich atmete nochmal scharf ein.
„Sie ist definitiv nicht mehr schwanger!"
Seine Augen weiteten sich. Till ging wortlos um die Ecke, um selbst mit Juliet sprechen zu können.
Ich erblickte die Schachtel American Spirit in Richards Hosentasche. Ich kam ihn näher, nahm die Schachtel aus seiner Hose und zündete mir eine Zigarette an.
Ich war seit vielen, vielen Jahren Nichtraucher.
Doch nun war der Moment gekommen, an dem ich den Drang verspürte, es wieder zu tun. In lehnte mich an die hüfthohe Mauer zu meiner rechten Seite, stützte mich mit beiden Händen auf und legte den Kopf in den Nacken.
„Hast du Odays Nummer?" fragte ich Richard.
Er reagierte nicht. Ich nahm sein Handy aus seiner anderen Hosentasche und entsperrte es mithilfe unseres Gründungsjahres.
In seinen Kontakten fand ich ihn tatsächlich. Oday Musa.
Ich wählte seine Nummer, ohne wirklich zu wissen, was ich sagen wollte.

„Hallo?" meldete sich eine dunkle Männerstimme.
„Hallo Herr Musa. Hier ist Paul. Paul Landers. Oder auch Heiko."
„Ah Hi! Was kann ich für dich tun?"
„Ich will dich nicht lange aufhalten. Richard und Juliet haben nur noch einiges zu besprechen. Könntest du Juliet vielleicht ins Gewissen reden, dass sie die Tür aufmacht?" Ich zog an der Zigarette.
„Natürlich. Ich bin allerdings gerade im Dienst. Ich werde sie gleich anrufen. Aber darf ich fragen, was es zu besprechen gibt? Die beiden sind seit Monaten getrennt und haben sich seitdem auch nicht mehr gesehen." erinnerte Oday mich.
„So viel ist es nicht. Es geht darum, dass Richard gern um das Wohl seines Kindes Bescheid wüsste,  denn nach einer Schwangerschaft sah das bei Juliet nicht mehr aus."
Stille.
„Welche Schwangerschaft?" fragte Oday am anderen Ende.

#Paulchard - Mein Herz brennt! Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt