Bevor ich Richard einen Besuch abstattete, schreibe ich der Gruppe, dass ich gerade im Begriff war, Richard abzuholen. Ich gehe in das riesige Apartment-Hotel herein und beschließe, die Treppe zum 4. Stock zu nehmen.
Kaum oben angekommen kommt mir eine verzweifelte Frau in weißem Shirt und hellem Rock entgegen gestürmt.
Sie ist in Tränen aufgelöst.
Als uns nur noch 3 Meter trennten, erkannte ich sie.
Juliet.
Oh nein.
Sie beachtet mich keines Blickes und rennt die Treppe herunter. Dabei schluchzt sie hörbar verzweifelt.
„Juliet?" rufe ich laut.
„Lasst mich alle in Ruhe!" brüllt sie hoch.
Ich bleibe wie angewurzelt stehen.
Ich überlege, wieder umzukehren aus Angst, was mich gleich erwarten wird.
Schlussendlich bewege ich mich langsam Richtung Richards Eingangstür.
Sie steht weit offen und von Richard weit und breit keine Spur.
Was ist hier geschehen?
Wie, als würde ich einen frischen Tatort begegehen, schleiche ich mich in Richards vorübergehendes Heim. Ein süß-saurer Geruch liegt in der Luft.
„Richard, wo bist du?"
Plötzlich bewegt sich etwas auf dem Sofa.
Ein qualvolles, unterdrücktes Geräusch und plötzliches Würgen.
Dann erblicke ich Richard.
Plötzlich greift er nach einer, am Boden liegenden Vase und erbricht sich heftig.
Von dem Anblick wird mir schlagartig auch übel.
Was ist hier gestern noch geschehen?„Paul..." krächzt Richard, als er aufschaut.
„Ich bin hier" antworte ich.
„Mir geht's so beschissen"
„Das sehe ich".Ich streiche ihm über den nackten Rücken.
Er hat nur noch eine Hose an.„Möchtest du was trinken?"
Erneutes würgen. Das war wohl Antwort genug.Ich gehe ins Bad, suche Medikamente gegen das schwallartige erbrechen, wurde jedoch bitter enttäuscht. Mein Kollege hat es in 2 Wochen immer noch nicht geschafft, seine Koffer auszuräumen. Typisch. So ist es während unserer Touren auch immer.
Also versuche ich ihm, mit allen Utensilien, die ich finde, ein leichtes Frühstück zu machen.
Als ich mir Teewasser aus dem Hahn ziehen will, erblicke ich Erbrochenes in der Spüle.
Ich bleibe ratlos stehen.
Wieviel muss er getrunken haben?
Ist er schon ein Fall für die Rettung?
Nein, auch hier musste man vorsichtig sein, dass so wenig wie möglich an die Öffentlichkeit gelangte.
„Brauchst du einen Arzt?" Versichere ich mich.
„Nein!" kommt es schwach, aber entschlossen von Richards Seite.
Ich bringe ihm eine Scheibe trockenes Toast und eine Tasse Kamillentee. Beides stelle ich neben die beiden Gläser auf den Couchtisch aus Holz.
„Mach mal etwas Platz" befehle ich meinem Co-Gitarristen.
Er winkelt die Beine an und lässt mir so etwas Platz auf dem Polster des Sofas. Ich setze mich und lege meine Hand auf seinen Unterschenkel.
Als Reaktion darauf, setzt sich Richard auf und nimmt einen Schluck Kamillentee.
Er sieht schon etwas besser aus.
„Ich rufe mal eben Till an, und sage ihm, dass das heute definitiv nichts wird". Mein Kollege war wirklich nicht in der Lage, vernünftig Gitarre zu spielen.
Ich wählte Tills Nummer und wartete aufs Freizeichen. Olli ging dran. Der Bassist meldete sich mit einem erwartungsvollen „Jaaa?".
Sie fragten sich sicher, wo wir bleiben.
Ich stand auf und lief bei dem Telefonat ziellos durchs Zimmer.
„Hi Olli, du, ich bekomme Richard nicht vom Sofa. Es geht ihm echt mies."
Ein seufzen am Ende der Leitung.
„Sollen wir rüber kommen?" fragt Olli besorgt.
„Nein, Ich denke es ist besser wenn ich vielleicht erstmal alleine versuche, mit ihm zu sprechen." Ich schaute Richard an. Doch dieser nahm mich nicht wahr.
Er schaute perplex Richtung Fenster.
Ich folge seinem Blick.
„Alles klar, melde dich später mal, okay?" sagte Olli besorgt. Doch antworten konnte ich nicht mehr. Mir blieb die Sprache weg.
Ich musste zweimal hinsehen um die Situation zu erkennen, und mir wurde schlagartig bewusst, was gestern Abend hier passiert sein musste.
Das Fenster war alles andere als sauber.
Man sah unzählige Abdrücke, Fettflecken von vermutlich Richards Händen, einen Abdruck eines Hinterteils und ganz unten eine, mit einem Handtuch verwischte, undefinierbare Spur. Das Handtuch lag auf dem hellen Holzboden vor dem Fenster.
Nun konnte ich 1 und 1 zusammenzählen. Richard hatte sich wohl dort lustvoll entledigt.
Ich war mehr als verwirrt, sah jedoch, dass es Richard nicht anders ging.
„Sieht nach einer wilden Nacht aus" sagte ich.
Er starrte immer noch.
Ich setzte mich neben ihn und lege meine Hand um seine Schulter. Für mich war das selbstverständlich. Richard war in schwierigen Zeiten auch immer für mich da. Genau wie alle anderen. Jedoch fühlte ich mich aktuell zu ihm besonders verbunden und hoffte inständig, dass er endlich eine Frau findet, die er ernst mit ihm meint.
Damit er die Liebe bekam, die er verdiente.
„Tut mir leid, dass du das sehen musst" sagte Richard. Und legte seinen Kopf auf meine Schulter.
„Jetzt weiß ich wenigstens, dass du keine Jungfrau mehr bist", sagte ich scherzhaft und stieß Richard in die Seite, um die Stimmung etwas zu lockern.
Er lachte ebenfalls, was von einem schmerzhaften „Aua" und einem Griff an die Schläfen seitens Richard quittiert wurde.
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Paulchard - Mein Herz brennt!
Fiksi Penggemar„Eine kurze Rückversicherung. Es war okay. Unsere Gesichter kamen aufeinander zu. Ich spürte einen kurzen Windstoß seines Atems, bevor seine Lippen meine berührten. Ein Blitzschlag durchfuhr mich. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Meine Magengeg...