Kapitel 20

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Justin:

Stille.

Alles durchdringende, ohrenbetäubende Stille. Nach drei Tagen kann ich sagen das ich den Scheiss nicht mehr ertrage.

Sie hat sich entgegen meiner Erwartung nicht bei Jamie einquartiert. Nein, sie ist geblieben, jeden Tag und straft mich mit ihrer Abwesenheit vom Leben in diesem Haus, wenn sie nach der Arbeit nach Hause kommt und geräuschlos in ihr Zimmer schleicht.

Wahrscheinlich hab ich es verdient.
Scheisse ja, hab ich.

Ich bin das letzte Arschloch ihr diesen Mist vorzuhalten obwohl doch bei mir das Problem liegt.

Leider hält mich auch die Verwaltung nicht wirklich ab mir Vorwürfe zu machen.
Die Arbeit ist einfach und nimmt kaum Zeit in Anspruch.
Vielleicht sollte ich wirklich gehen.
Ich könnte hier bleiben.
Ich könnte einfach in meiner Wohnung bleiben, die sich zufällig gegenüber vom Plattenladen befindet.

Zufällig.
Zufällig weiß ich immer was sie macht.

Ich sehe ihr zu wenn sie heimlich raucht, sehe ihr Lächeln wenn Jamie sie aufzieht, kann ihre Begeisterung fast schon nachempfinden wenn ein Kunde über sein beschissenes Lieblingsalbum philosophiert und ich sehe ihren traurigen Blick wenn sie die Platten von Ludovico Einaudi sortiert.

Einaudi erinnerte mich an meine Kindheit, an die Zeit in der noch alles okay war.
Meine Mutter hatte seine Platten immer zum lesen aufgelegt.
Sie setzte sich in ihren Sessel, schnappte sich ein beliebiges Buch vom Regal und lies ihre Augen über die Zeilen gleiten während ihre Lippen sich lautlos zum Geschehen bewegten.

Für mich gab es damals nichts faszinierenderes als ihr dabei zuzusehen. Alles was meine Mutter  tut ist jedesmal von solch einer Liebe und Demut durchzogen das man das Gefühl bekommt man bekäme den Schatz der Welt geschenkt, selbst wenn es sich nur um eine Tasse Kakao handelte.

Sie wäre die perfekte Schauspielern geworden, hätte sie nicht diesen selbstsüchtigen Chaoten, diesen ewigen Playboy in ihr Leben gelassen, dem sie ihre ganze Treue bis zum heutigen Tag widmete.

Mein Vater arbeitete zu viel. Schon immer. Und wenn er nicht arbeitete griff er zu billigen Frauen und später, wenn er kapierte was für ein Scheiss er seiner Familie antat, folgte die Flasche.
Er war nicht einer von den Aggressiven.
Er war einer von den dummen, übermütigen Arschlöchern, einer von denen, der lieber auf Parties und in teuren Hotels abhing anstatt zuzuschauen wie sein Sohn aufwächst und wie sehr ihn seine Frau liebte.
Er war die Sorte von Arschloch der in seiner Arbeitswelt erfolgreich war, erfolgreich und fehlerlos.

Doch vor 5 Jahren hat er sein Leben geändert, hat den Alkohol und die Parties gegen mehr Arbeit eingetauscht. Einfach so. Von einen Tag auf den anderen.
Eine Entscheidung die ihn noch erfolgreicher, und noch unerreichbarer machte für die Menschen die ihn liebten.

Eine Entscheidung die mich dazu brachte so zu werden wie er.
Ich wollte seine Aufmerksamkeit.
Ich stieg in seine Firma ein.
Erlebte ihn endlich in Aktion.
Begann ihn zu verehren und zu denken es sei das geilste Leben überhaupt.
Naja, bis zu jenem Tag.

Seufzend rieb ich mir übers Gesicht und starrte aus dem Fenster meines Apartment's.
April war gerade im hinterem Abteil des Ladens abgetaucht und verwehrte mir somit ihren Anblick.
Vielleicht würde es uns beiden guttun wenn ich einfach hier bleiben würde.
Sie könnte sich wieder frei entfalten und ich könnte mir in Ruhe Gedanken darüber machen wie und wann ich wieder in ihr offizielles Leben trete.
Eine Entschuldigung wird nicht reichen.
Nicht bei dem was ich ihr an den Kopf geworfen habe.
Und alles nur wegen diesem Arschloch Abel.
Die zwei würden super zusammenpassen.
Sie wäre glücklich und genau das sollte sie auch sein, das war schließlich der Plan.
Ich will das sie es ist, aber irgendwas stört mich.
Wie auch immer.
Mein Verhalten bremste so ziemlich alles aus was ich mir ihretwegen vorgenommen hab. 
Hinzukommt das, wenn sich Abel zu sehr einschleimt, ich kaum noch an sie rankommen werde.
Jamie wird meine einzige Möglichkeit sein um sie wieder zu besänftigen.
Abel.....
Ich vertraue ihm nicht.
Und außerdem bin ich mir nicht sicher ob er ernste Absichten hat.
Hat er nicht.
Hat er nicht zu haben.
Noch nicht.
Nicht solange ich noch da bin.
Auch wenn es mich nichts angeht.
Aber sie ist ja auch so stur!

Ich hab gehofft das sie sich mir wenigstens ein bisschen nährt, das sie anfängt meine Gesellschaft als angenehm zu empfinden.
Das sie mir vertraut und sie mir erzählt was passiert ist.
Und vielleicht wenn alles gut gehen würde könnte ich sie dazu bringen wieder zu spielen.
Aber ich hab übertrieben.
Immer.

Jedesmal wenn sie nicht so will wie ich, will ich sie erst recht.
So nah wie möglich.
Und Scheisse ich kann mich und mein Mundwerk nicht immer kontrollieren.
Deswegen kann sie mich nicht ausstehen.
Weil ich mich gegen sie pressen und permanent anschreien will.

Gestern war ich kurz davor einfach in ihr Zimmer zu stürmen und mich mit ihr einzuschließen bis sie wieder mit mir redet.
Stattdessen hab ich vor ihrer Tür kampiert, ganz nach dem Motto: du kannst nicht ewig da drin bleiben.
Hat nicht wirklich funktioniert.

Als ich heute früh wach geworden bin, war sie schon weg.
Ich hab nichts von ihr zu erwarten.
Natürlich nicht.
Aber ich hab auch keinen Schimmer wie ich das wieder hinbekommen soll.

Plötzlich hämmerte es an der Tür.
Ich sah auf die Uhr.
Er ist zu spät. Er ist zwei beschissene Stunden zu spät.

Langsam erhob ich mich und durchquerte das Zimmer bis zur Tür.
"BIEBER! Ich bins! Komm beweg deinen fetten..."
Ich riss die Tür auf.
"Was wolltest du sagen?"
"Oh Mann, Alter. Ist jemand gestorben?"
Ray, mein bester Freund und Arbeitskollege betrachtete mich vom Flur aus angewidert von Kopf bis Fuß.

Soll ja die Schnauze halten.
Man sieht halt fertig aus nach einer Nacht auf dem Boden.

"Was ist? Kommst du rein? Ich kann die Tür auch wieder zu machen."
"Ich freu mich auch wahnsinnig dich zu sehen Baby." Lachte er und betrat das Apartment.

Während ich mich wieder auf den Ledersessel, passend zu der überteuerten Ledercouch und den verdammt unnötigen italienischen Möbeln setzte, inspizierte Ray das Loch ganz genau, in dem ich seit Wochen hauste, wenn ich nicht gerade bei April war.

"Nette Bude. Aber etwas zu klein findest du nicht?" kicherte er.
Die größte Bude die ich finden konnte und der Wichser lacht mich aus.

"Ich hab leider keinen Palast nach eurem Belieben in ihrer Nähe gefunden also..."
"Oh ja richtig, wie läuft dein Projekt?" Fragte er und lies sich quer über die Couch fallen.
"Beschissen." Ich sah wieder aus dem Fenster. Sie war noch immer verschwunden.

"Tja du hast mit ihrer Tante geschlafen, kein Wunder das sie dich nicht ..."
"Ich weiß! Denkst du ich weiß das nicht? Denkst du ich weiß nicht wie sie über mich denkt?"
"Schon gut, schon gut." Er hob abwehrend die Hände und richtete sich auf.
"Wie hätte ich denn sonst in ihre Nähe kommen sollen? Ich bin nicht ihr Typ verstehst du? Es hätte Monate gedauert eine Freundschaft mit ihr aufzubauen und das hätte ich nicht ausgehalten. Und wenn ich einfach so zu ihr spaziert wäre hätte sie mich als Psychopath abgestempelt."
"Ach, und jetzt tut sie das nicht?" 

Ich nahm eines der schweren Lederkissen von der Couch und knallte es einmal gegen sein Gesicht.
"Bieber!"
"Hör auf dumm rum zu labern und hilf mir!" Zischte ich und lies mich noch tiefer in den Sessel sinken.

"Sie redet immer noch nicht mit dir?"
"Nope."
"Kannst du dich nicht an diesen Abel ran machen?"
"Scheisse nein, der will sie doch nur ficken!"
"Und du nicht?"
"Du weißt das ich nicht deswegen hier bin." Knurrte ich.

"Dinge ändern sich."
Das ignorier ich mal.

"Ich dachte da eher an Jamie... Aber dazu müsste ich ihn mal alleine zu Gesicht bekommen und ..."
Keine Ahnung.
Ich habe keine Ahnung.
Aber ich muss das wieder hinkriegen.

Stöhnend raufte ich mir die Haare und starrte wieder aus dem Fenster.
Mein Magen machte einen Satz.
Da war sie.

"Justin? Ich glaub ich weiß da was."

Eyes wide open. (Justin Bieber FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt