1 I Überarbeitet

27.6K 834 211
                                    

Die Landschaft zog an mir vorbei, aber ich schenkte ihr keine Beachtung. Meine Gedanken drifteten immer wieder zu meiner Mutter, welche erst gestern beerdigt wurde. Und da ich noch nicht Volljährig war, zwang mich das Jugendamt, zu meinem Vater zu ziehen. Noch immer hatte er das Sorgerecht für mich.

Und ich wollte nicht umziehen. Erst recht nicht ans andere Ende Amerikas. Ich wollte in meinem Zimmer sitzen und um meine Mutter trauern. Stattdessen saß ich in einem Flugzeug. Meine ganzen Sachen waren bereits in Miami bei meinem Vater. Nur mein Kater und ein wenig Handgepäck begleiteten mich auf diesem Flug. Und mein kleiner Tritos bereitete mir Sorgen. Ob es ihm im Frachtraum gut ging? Ich hoffte es sehr.

Als wir endlich landeten wischte ich mir die einzelne Träne aus dem Gesicht, die sich trotz aller Bemühungen, nicht zu weinen, ihren Weg erkämpft hatte und holte mein Gepäck. Oder anders gesagt, ich wartete auf die Transportbox, in der Tritos sehnsüchtig auch auf mich wartete. Ich hörte ihn bereits mauzen, noch ehe die Box bei mir war und griff augenblicklich nach ihr, als sie in Reichweite war.

Mit der Box in der Hand und einem Rucksack über den Schultern ging ich weiter. Meinen Vater hatte ich zwar seit einigen Jahren nicht mehr gesehen, aber der Mann, der das Schild mit meinem Namen hoch hielt kam mir dennoch so vertraut vor, als sei es erst gestern gewesen.

Als Dad mich sah lächelte er. Ich mühte mir ebenfalls ein Lächeln ab, auch wenn mir zurzeit einfach nicht danach zumute war. Wie sollte ich denn auch ehrlich lächeln, wenn die wichtigste Frau in meinem Leben nicht mehr existierte? Dad nahm mir Tritos ab und umarmte mich zur Begrüßung. "Hallo mein Sohn, wie war der Flug?" fragte er, als er sich wieder von mir löste. "Gut." murmelte ich und Dad schien zu merken, dass ich heute definitiv nicht der Kommunikativste sein würde.

Dennoch versuchte er mich immer wieder in ein Gespräch zu verwickeln, als wir im Auto saßen. Klar hatte er mir auch gesagt, wie leid ihm alles tat, gerade Moms Tod. Aber ich hörte nur mit einem halben Ohr zu und brummte eher, statt mit Worten zu antworten.

Dad erklärte mir auf der Fahrt, dass sie das Gästezimmer umgebaut hatten und versucht hatten, es so zu gestalten, dass es mir gefallen würde. Außerdem erklärte er mir, dass seine Freundin einen Sohn in meinem Alter hatte und ich ab nächster Woche die gleiche Schule wie er besuchen würde.

Nach einer Weile kamen wir an, ich hatte nicht wirklich auf unsere Umgebung geachtet. Zu sehr versuchte ich mich, trotz meiner Gedanken, auf meinen Vater zu konzentrieren. Erst als das Auto stand sah ich raus. Und ich war überrascht. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, vor einer Villa zu stehen. Klar, ich wusste, dass mein Vater nicht schlecht verdiente, immerhin überwies er monatlich genügend Geld für Mom und mich. Aber das war dennoch überraschend.

Wir stiegen aus dem Auto aus und ich holte Tritos von der Rückbank. Gemeinsam gingen wir zur Haustür und Dad schloss auf. "Die Schlüssel geb ich dir nachher, wenn du dich eingerichtet hast."
Um ihm zu zeigen, dass ich ihm zugehört hatte, nickte ich und er öffnete die Tür. Wir betraten den Flur und ich sah mich kurz um.

An der Garderobe hingen verschiedene Jacken, bis auf eine, die wurde auf die Garderobenbank geschmissen. Die Schuhe standen halbwegs ordentlich davor und meine fanden ihren Weg daneben. Natürlich sah ich, dass die einzigen Schuhe, die scheinbar einfach ausgezogen und so stehengelassen wurden, dem Sohn der Freundin gehören mussten.

Apropos Freundin. Ich nahm bereits den leckeren Duft wahr, der aus der Küche strömte und hörte das Summen einer Frau. Für einen Moment verlor ich mich in der Illusion, dass dort Mom auf mich warten würde, denn auch sie summte ungemein gern, wenn sie kochte. Doch stattdessen fand ich dort eine mir unbekannte Frau. Die Enttäuschung breitete sich augenblicklich aus und brachte mit sich die Trauer, die ich nicht verdrängen konnte.

"Das ist Luna. Luna, das ist mein Sohn, Max." stellte mein Vater uns einander vor und sie lächelte mich sogleich warm an. Ich versuchte natürlich, es ihr gleich zu tun. Vergebens. Luna wusch sich kurz die Hände und trocknete sie sich ab, ehe sie auf mich zu kam. "Es ist schön, dich endlich einmal kennenzulernen. Auch wenn die Umstände nicht gerade wünschenswert sind." Den letzten Teil sagte sie mit einem mitleidigen Blick und reichte mir die Hand, welche ich direkt nahm und schüttelte.

"Das Essen ist bald fertig. Du kannst gern solang auf dein Zimmer und dich erst einmal einrichten. Dein Zeug haben wir noch nicht eingeräumt, das wollten wir gern dir überlassen." lächelte Luna mir sanft entgegen und Dad führte mich auch direkt aufs Zimmer. Es war im oberen Stockwerk, in welchem sich nur wenige Türen befanden. Dad erklärte mir kurz, dass ich mir hier oben das Bad mit Lunas Sohn, Ryder, teilen würde. Sie hatten ihres, genau wie ihr Schlafzimmer, unten.

Danach zeigte Dad mir mein Zimmer und lies mich dort erst einmal allein. Ehe ich mich umsah kniete ich mich hin, stellte die Transportbox mit Tritos ab, und öffnete die Tür. "Willkommen in deinem neuen Zuhause." murmelte ich, als sein Kopf langsam rauslugte. Nun konnte ich mich umsehen. In meinem Zimmer standen viele Kartons, die ich zuvor noch gepackt und beschriftet hatte. Es fiel mir schwer, mich so schnell auf einen Umzug vorzubereiten. Aber er hatte mir gut als Ablenkung gedient und ich nutzte die Chance gleich, alles auszumisten.

Direkt gegenüber der Tür lies ein großes Fenster Licht in mein Zimmer. Und passend dazu gab es noch einen Balkon. Ein großes Bett, größer als ich es gewohnt war, stand zu meiner Linken. Daneben ein Schreibtisch mit passendem Stuhl. Auf der rechten Seite stand ein großer Kleiderschrank mit angrenzendem Bücherregal. Entweder erinnerte sich Dad, dass ich einfach gern las, oder er hatte es einfach so mit reinstellen lassen. Oder, Möglichkeit 3, er hatte meine Bücher gefunden.

Tritos hatte sich mittlerweile komplett aus seiner Box getraut und beschnüffelte vorsichtig alles im Zimmer. Ich lies ihn machen und ignorierte die vielen Kartons. Meine erste Handlung war es, auf den Balkon zu gehen und die Aussicht zu genießen. Und als ich mich dort ans Geländer lehnte bemerkte ich, dass wir gar nicht weit vom Meer entfernt wohnten. Von hier aus sah ich schon einen kleinen Pfad, der zum Strand führte. Wenn Mom das alles sehen könnte, sie wäre begeistert. Ich schüttelte schnell den Kopf und ging zurück ins Zimmer, die Balkontür verschloss ich direkt, da Tritos sonst unüberlegt handeln könnte.

Durch die Tür drang Lunas Stimme, die mich darüber informierte, dass das Essen fertig war. Ich kraulte meinem Kater noch einmal durchs Fell, welcher sich davon nicht beirren lies und nun auf den Kartons rumsprang, ehe ich die Tür öffnete und in den Flur trat. Aus der Tür gegenüber kam ebenfalls jemand. Es musste der Sohn von Luna sein, er hatte die selben braunen Augen wie sie. Und sein Braun in den Haaren glich ebenfalls dem Braun in Lunas Wellen.

Doch statt mich zu grüßen oder sich mir vorzustellen wandte er seinen eh schon kalten Blick ab und ging an mir vorbei, runter in die Küche. Ich warf noch einmal einen Blick zu Tritos, der nun auch die offene Tür bemerkte und von den Kartons sprang, ehe ich dem Jungen folgte und wir alle gemeinsam aßen.

My Stepbrother I Boy x Boy I - wird überarbeitet -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt