Ich saß nun also auf meinem neu zugewiesenem Platz. Direkt neben meinem Stiefbruder, der mir absolut keine Beachtung schenkte. Die Klasse war anfangs laut, aber nachdem der Lehrer sie ermahnte, tuschelten sie nur noch. Sie warfen immer wieder Blicke zu mir und kicherten. Vielleicht schauten sie aber auch zu Ryder, wer wusste das schon? In der Pause kamen Einige zu uns an den Tisch und wollten mich mit Fragen bombardieren. Aber sie wandten sich sofort ab, als sie einen Blick zu Ryder warfen. Anfangs war ich verwirrt, aber ich sollte noch früh genug erfahren, was das zu bedeuten hatte.
Zur Mittagspause fiel es mir nicht schwer, die Mensa zu finden. Alle Schüler strömten in diese Richtung. Mir entging dabei nicht, dass viele Schüler zu mir sahen und sich dann kichernd abwandten. War das, weil er neu war? Nein, manche der Jungs machten Gesten, dass sie heulen würden, ehe sie sich lachend abwandten. Er hatte es also bereits rumgesprochen. Sie kannten nicht einmal meinen Namen, wussten aber schon, wie schwach ich war.. Optimal. das war der perfekte Start in einer neuen Stadt, in einer neuen Schule. Ich galt bereits als Heulsuse, und dass ich nun mit gesenktem Kopf weiter dem Schülerstrom Richtung Mensa folgte, machte es nicht besser.
Da ich nicht mehr darauf achtete, wohin ich eigentlich lief, stolperte ich. Nicht über meine eigenen Beine, ich spürte Widerstand, der mich daran hinderte, meinen Weg wie geplant fortzuführen. Und da ich nicht schnell genug reagieren konnte, landete ich sogleich auf dem Boden. Mein Rucksack, welchen ich nur über einer Schulter hängen gehabt habe, rutschte ein Stück von mir weg. Und da die Mensa bereits gut gefüllt war, hatten es auch viele mitbekommen. Und eben diese Schüler hörte ich lachen, während ich versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.
"Pass auf, du hast ihn bestimmt zum weinen gebracht!" rief eine Stimme, während ich mit gesenktem Blick aufstand. "Nicht, dass wir nachher auf der Tränenspur ausrutschen!" rief eine andere, als ich meinen Rucksack aufhob. Ich sah kurz zu demjenigen, der für meinen Sturz verantwortlich sein musste. Ich sah ein zufriedenes Grinsen, welches nichts Gutes versprach. Grüne Augen, die mir noch mehr Folter versprachen. "Was denn, versuchst du, die Tränen zu unterdrücken? Versuchst du jetzt auf stark zu machen mh?" fragte mein Peiniger und schupste mich an der Schulter. Ich stolperte etwas zurück und senkte meinen Blick wieder.
"Hey man, lass ihn in Ruhe." hörte ich die bekannte Stimme von Ryder. Ich wollte gerade überrascht darüber, dass er mich verteidigte, aufblicken, aber hörte schon, dass ich mich irrte. "Der heult sonst wieder die ganze Nacht durch. Ich kann bei so 'nem Scheiß nicht schlafen.", meinte Ryder und der andere entschuldigte sich augenblicklich, noch immer lachend.
Ich störte Ryder beim Schlafen? Es war doch wohl eher anders herum! Wenn dann hielt mich Ryder doch wach! Oder? Vielleicht war ich wirklich so laut, wenn ich dachte, niemand würde mich hören. Vielleicht hielt ich Ryder wirklich in dessen seltenen einsamen Nächten wach. Bis eben hatte ich die Fäuste geballt, bei dieser Erkenntnis ließen meine Muskeln jedoch wieder locker. Ich stand stumm da, während die halbe Mensa weiter machte mit ihrer Schikane. Was sollte ich auch schon sagen? Würde ich mich wehren, würden sie da ansetzen und weitermachen. Aber sie hatten in einer Sache unrecht. All das hier, das würde mich nicht zum heulen bringen. Nein, das konnte nur Mum. Denn dieser Schmerz war etwas, was ich noch noch nie zuvor gespürt hatte. Das, was diese Schüler hier machten, kannte ich. Ich kannte diese Schikane nur all zu gut. Darunter hatte ich schon immer gelitten. Es war Gewohnheit, Alltag. Aber das hieß nicht, dass es weniger wehtat.
Der Hunger, den ich bis eben verspürt hatte, war mir vergangen. Und ich wusste, dass wegrennen jetzt nichts mehr bringen würde. Es würde die Sache nur noch schlimmer machen würde. Und dennoch tat ich genau dies. Ich rannte aus der Mensa durch die unbekannten Gänge, bis ich an einem ruhigen Ort zum Stehen kam. Hier war kein Schüler in Sicht. Ich lehnte mich an die Wand und ließ mich daran hinuntergleiten. Meine Schultasche landete neben mir, während ich nach Luft schnappte. Warum? Warum musste Ryder mir direkt alles versauen? Was hatte ich ihm angetan, dass er mich so bloßstellte? Ich konnte ihnen nicht noch mehr Angriffsfläche geben. Jetzt musste ich wohl auch zu Hause genau darauf Acht geben, was ich tat. Das würde ein anstrengendes Leben werden, in dem ich meinen Gefühlen nicht einmal mehr freien Lauf lassen kann...
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My Stepbrother I Boy x Boy I - wird überarbeitet -
Teen FictionVor kurzem hatte er seine Mutter verloren. Nun musste er zu seinem Vater ziehen. Und dieser hatte mittlerweile eine neue Familie. Eine Freundin und ihren Sohn. Einen Sohn, der nicht gerade begeistert vom neuen Familienzuwachs war. Und während Ryder...