Vampire Bride ~ Diabolik Lovers

Sechsundzwanzigste Stunde

Verträumt blickte Yui aus dem Fenster, derweilen sie ihren Schreibstift immer wieder um ihre Finger drehte. Das, was ihr die Sakamaki Brüder angetan hatten, war für sie vollkommen unverzeihlich. Sie hatte schon die ersten drei Stunden des Unterrichts mit ununterbrochenes Nachdenken verbracht- allerdings war es vergebens. Das Mädchen wusste immer noch nicht, wie sie den Brüdern eine Lektion erteilen konnte.

Inzwischen neigte sich die vierte Stunde ihrem Ende zu, was sich mit dem Ertönen der Klingel bestätigte. ,,Chi-chi-na-shi" vor ihrem Pult hockte Ayato, der seine Hände auf den Tisch gelegt hatte und wie ein Affe balancierte. ,,Nenn mich nicht so..." zischte Yui, da sie immer noch wütend war. Ayato ignorierte einfach ihren Protest und blickte sie neugierig an; ,,Wie lief der Test? Nach Reiji sollst du ein richtiger Streber sein!" Es reichte Yui. Abrupt stand sie auf und warf sich ihre Tasche schweigend um, nachdem sie ihre Bücher sorgfältig eingesteckt hatte. Noch immer schien dieser ,,Ayato" ihr fremd, was sie auch deutlich zeigte. Sie hatte vorgehabt, ihn einfach dort sitzen zu lassen, aber der Rothaarige war trotzdem schneller. Er rappelte sich auf und begann ihr zu folgen- ,,Lass mich endlich in Ruhe!" Genervt fing sie an schneller zu laufen, um Abstand von den perplexen Ayato zu gewinnen. ,,Endlich Ruhe..." Stellte sie im Nachhinein erleichtert fest. Natürlich war ihr mittlerweile bewusst geworden, dass sie Ayatos viel zu grob behandelt hatte, jedoch verdiente er es nicht anders...

Zuerst schaute sie in allen Richtungen, bis sie sich dazu entschloss, das aus Marmor bestehende Pavillon zu betreten, welches sich im Schulhof befand. Seitdem sie wieder zurück in der Villa war, hatte Yui oft das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie sich bloß alles einbildete oder nicht, jedoch kam es ihr komisch vor, dass auf einmal ein neuer Vampir auf der Bildfläche erscheint. Jeder verhielt sich normal, so als wäre nie was gewesen- sogar Ayato behauptete sie sehr gut zu kennen. Nach all dem Nachdenken kam sie schließlich darauf, dass sich irgend Etwas an sie verändert haben muss.
Yui hielt Ausschau nach einem kleinem Plätzchen, an dem sie ungestört sein könnte. Sie entschied sich letzten Endes für die Treppen. Eine von Wildranken befallene Marmorsäule im altgriechischen Stil stellte sich ihr als Rückenlehne zu Verfügung, deshalb setzte sie sich auf eine ganze Stufe und lehnte sich an die Säule. Sie hatte insgesamt eine ganze Stunde Pause, bevor der Unterricht wieder begann, weshalb sie sich auf ihre Hauptaufgabe konzentrierte. Vorsichtig nahm Yui ihre Schultasche und öffnete diese. Dort befanden sich mehrere Bücher, ebenso wie ein paar Hefte, eine Pfedertasche- und ein altes Notizbuch. Seitdem sie zum Vampir geworden war, hatte sie heimlich angefangen ein Tagebuch zu schreiben. Sie wollte sich nämlich alles genau einprägen. Außerdem hatte sie anfangs gedacht, sie hätte ihrem Vater dieses Tagebuch zukommen lassen können, damit er übererhaupt erfuhr, in welcher Lage sich Yui befand. Sie szeufte laut und nahm eine Blutkonserve aus ihrer Tasche und begann zu trinken, binnen sie das Tagebuch aufschlug. Vor ihrer Nase befanden sich lauter leere Seiten, die jedoch abgenutzt aussahen. Leider hatte sie eins vergessen; das Tagebuch sollte geheim bleiben, weshalb sie es so aussehen gelassen hatte, als ob das Notizbuch nie verwendet worden war. Genervt stellte sie ihr rotfarbenes Getränk beiseite und griff ihre pinke Flauschpfedertasche. Sie nahm einen bestimmten Stift, welcher eine violette Miene hatte und fing an wie wild auf den Seiten mit den Stift zu malen. Erneut musste sie szeufen, währenddessen sie die verborgene Schrift enthüllte. Langsam begannen gelbe Buchstaben auf den violettfarbenen Gekritzel   intensiver zu werden, die eine sehr schöne Schrift ergaben. Nach und nach begann sie zu lesen, und Seite für Seite wiederholte sie den selben Vorgang. Was sie dann herausfand und zusammenrieb, schockierte sie vollkommen- wie hätte sie derartiges vergessen können!

,,Da bist du ja!" Verkündete Ayato stolz und bewirkte, dass sich Yui erschreckte. Da Ayato nichts besseres zu tun hatte, als plötzlich sein Gesicht vor ihrem zu halten, während sie konzentriert am Lesen gewesen war.
Vor lauter Schock fiel sie von den Stufen und verschüttete das ganze Blut, von welchem sie vorhin getrunken hatte und beschmierte ihre Schuluniform. ,,Was zur Hölle sollte das!" Sie hatte sich eben den Kopf leicht angeschlagen, ihre Schuluniform befleckt- und ihr Tagebuch hatte auch ein paar Tropfen abbekommen. Ayato lachte nichtdestotrotz und ließ sich seine Laune nicht verderben. ,,Hey, was ist das denn für ein Gekritzel?" Er zeigte auf Yuis Tagebuch, welches sie vorsichtig mit einem Tuch trocknete. ,,Nur Gekritzel..." Yui hoffte, dass er sich nicht für Ihre täglichen Notizen interessierte, ihre Gedanken sollten geheim bleiben. Doch er zog ihr einen Strich durch die Rechnung und riss ihr sie Tasche aus der Hand. ,,Gib das zurück!" Fauchte sie, als sie sich plötzlich auf ihn stürmte. ,,Ich warne dich Ayato, wenn du mir meine Sachen nicht sofort zurückgibst, dann werde ich nie mehr mit dir reden!" Zum Glück schaffte sie es, ihm die Tasche abzunehmen, welche sie sich dann auch sofort umhängte. Sie hatte vor wieder von ihm zu flüchten, dennoch sah er es voraus und ließ sie nicht gehen. Er verhinderte ihr Vorhaben, indem er sie am Handgelenk packte und sie zu sich zerrte. ,,Nicht so hastig..." er hielt sein Gesicht nicht weit von ihrem entfernt und drohte ihr immer näher zu kommen. Yui war eines klar; sie wusste nicht, wieso sie alles über Ayato vergessen hatte- zwar ahnte sie, dass wahrscheinlich einer der Sakamaki dran Schuld war, aber es änderte nichts an der Tatsache, das sie sich nicht länger erinnerte. Sie hatte von ihren angeblichen Gefühlen zu ihm gelesen, welche sich seitdem sie wieder in der Villa war, nicht manifestierten. Yui drehte ihr Gesicht zur Seite, um nicht in seine smaragdgrünen Augen schauen zu müssen. Ayato ließ sich aber nicht so leicht abschütteln, weshalb er Yuis Kinn nahm und sie gewaltsam zu sich wandte. ,,Irgendwas an dir hat sich verändert- du bist nicht mehr die Selbe..." Er schien recht erschüttert zu sein, was aber Yui bei weitem mehr wahr. Was wollte er damit sagen? Fragte sie sich selbst, doch da kam die Antwort schon von allein. ,,Du behandelst mich so, als würdest du mich nicht kennen und ignorierst mich vollkommen. Hat dir das letzte Mal also nichts bedeutet?" Er zwang sie, ihn intensiv anzusehen und wollte etwas in ihr wach rütteln, jedoch verstand sie seine Worte nicht. ,,Was meinst du mit letztes Mal?" Sie hoffte, dass er sie nicht als Dumm abstempeln würde, jedoch wusste sie es wirklich nicht. Sie hatte ihr Tagebuch nur bis zu einem bestimmten Tag führen können, und das war bis zu dem Tag, an den sie von den Mukamis entführt wurde. Yui hatte gehofft, wenn sie die Notizen lesen würde, sich an Etwas erinnern zu können. Aber da war nichts. Alles Schwarz.

Ayato konnte seinen Ohren nicht länger trauen. Wie war es nur möglich, dass sie einfach alles vergessen hatte?
Er taumelte zurück und ließ so Yui automatisch los, welche ihn verwirrt ansah. Sie sah momentan so unschuldig aus, was bedeutete, dass sie wirklich nichts wusste. Trotzdem konnte es Ayato nicht fassen. Sie hatte all seine Gefühle für sie vergessen, all das, was er ihr versprochen hatte. All das was sie zusammen erlebt hatten. ,,Oi... Chichinashi, du verarscht mich nur. Das muss ein schlechter Witz sein!" Seine Stimme zitterte. Genau wie Yuis ganzer Körper, als sie sah, was sie in ihm ausgelöst hatte. ,,Erzähl es mir!" Flehte sie. ,,Ich weiß einfach nicht weiter... Seitdem der Strandurlaub zu Ende gegangen war... Seitdem kann ich mich an nichts mehr erinnern." Auch ihre Stimme begann zu zittern. Sie schien etwas wirklich wichtiges vergessen zu haben. Die Schulklingel hatte längst ertönt, jedoch interessierte es sie nicht länger. Sie fehlte eh sehr oft, da machte es doch nichts, wenn sie noch eine Stunde mehr schwänzte. Letztes Jahr hatte sie nur aufgrund des Einflusses der Vampire bestanden, sonst wäre sie durchgefallen. Trotz guten Noten. ,,Glaub mir bitte Ayato!" Fuhr sie fort. Augenblicklich fiel ihr etwas ein, weshalb sie ihre Tasche öffnete, ihr Tagebuch rausnahm und es ihm zeigte. ,,Ich versuche verzweifelt herauszufinden, wieso du der Einzige bist, den ich vergessen habe. Ich versuche zu verstehen- aber ich weiß mittlerweile auch nicht mehr weiter!" Ayato blickte sie immer noch kochend vor Wut und zugleich traurig an. Man sah ihm deutlich an, dass sein Herz in tausende Stücke gebrochen war. Doch dann geschah etwas, was sich niemand erklären konnte;

Eine leise Erinnerung flackerte vor ihren Augen auf. Sie sah zwei eisblaue Flecken, die sie musterten. Sie sah, wie dieses undeutliche Flecken zu etwas viel schönerem wurden. Es war ein eisblaues Augenpaar, dass sie mitfühlend ansah. ,,Shu..." flüsterte sie, bevor ihr Schwarz vor Augen wurde und sie auf den harten, harten Boden aufprallte. Ayato hatte sich immer noch keinen einzigen Millimeter vom Stück bewegt, was er auch nicht mehr musste. Eine andere Person hatte dieses Szenario die ganze Zeit über von der Säule aus beobachtet und lehnte sich gelassen an ihr ran. Es war die Säule, an welcher Yui vorhin gelesen hatte. ,,Früher oder Später musste es passieren." Erklärte er, während er zuerst auf Yui, dann auf Ayato und dann wieder auf sie blickte. Mit festen und gleichmäßigen Schritten ging er zu ihr hin und hob die schlaffe Yui in seine Arme. Der Vampir zog seine Jacke aus, und legte sie sorgfältig auf Yui, da sie unbewusst immer noch zitterte. ,,Da du immerhin überlebt hast, war es auch klar, dass es merkwürdig wäre, wenn du da wärst..." Er blickte nur müde seinen jüngeren Brüder an und szeufte. ,,Gib ihr nicht die Schuld." Und so drehte er sich um. ,,Was soll das heißen? Von was redest du da?" Ayato verstand kein einziges Wort, welches er eben gehört hatte. ,,Komm zurück du Bastard und gib mir Yui!" Seine Worte hallten wieder, womit er bemerkte, dass der Vampir verschwunden war. ,,SHU!" Schrie er verzweifelt. Er versuchte ihnen zu folgen, dennoch war es vergebens. Langsam begann es zu regnen und dies an einem Sommertag. Anscheinend hatte die Göttin des Glücks Ayato verflucht, denn es geschahen immer wieder Dinge, die ihn benachteiligten.
Ayato, der Yuis Tagebuch genommen hatte, stand nun im kalten und schmerzenden Regen. Immerhin konnte er das Notizbuch dort nicht einfach liegen lassen. Vielleicht enthielt es ja die Lösung des Rätsels, welches vor ihm stand. Außerdem war es auch sehr verlockend zu erfahren, was andere von einem wirklich dachten. Doch das spielte eine kleinere Rolle...

Das einzige Gute am Regen war, dass somit niemand erkennen konnte, dass Ayato weinte- und dies zum ersten Mal wieder seit Jahren...

Fortsetzung folgt :3