Man konnte nicht verneinen, dass Yui nun viel schlimmere Probleme hatte, als sich um die Schule kümmern zu müssen. Schließlich wird man nicht jeden Tag von Vampiren gefangen gehalten, im wahrsten Sinne des Wortes ausgeblutet und dann letzten Endes selbst in ein Monster verwandelt.
Nichtsdestotrotz war es die Routine, welche die kleine Vampirin bei Verstand hielt. Es war jedenfalls nicht das Schwerste, bei solchen Gegebenheiten den Kopf zu verlieren. Umso schlimmer war es dann für Yui, ihren einzigen Trost zu gefährden, indem sie mit Ayato den Unterricht schwänzte. Wenn Ayato nicht so vehement auf sie eingedrungen wäre, dann hätte sie gewiss kehrt gemacht und seinen Zorn eher riskiert, als zu wenig Punkte im nächsten Test zu schreiben, der zu nächster Woche angesagt war. Die Mathematik war noch nie ihre Stärke gewesen, weshalb sie tatsächlich für dieses Fach mehr lernen musste, als es andere Schüler taten. Die Ablenkung, die das Lernen für sie jedoch brachte, machte den Geometrieunterricht und die Analysisstunden jedoch zu ihrer Lieblingsbeschäftigung, vorallem weil die Sakamaki Brüder den Anstand besaßen, sie nicht mitten im Unterricht anzufassen.
Doch nun stand sie hier; an Ort und Stelle, ihrer Rettung entrissen. Tatsächlich machte sie jedoch dieses eine mal eine Ausnahme. Denn selbst wenn sie es gewollt hätte, hätte sie nur schwer bei jenem Anblick sprechen können. Ihre Brust war wie zugeschnürrt, ihre Beine wie angewurzelt. Hätte ihr Herz noch wie das eines Menschens geschlagen, so hätte Ayato mit Sicherheit dessen Schlag spüren können.
Die Lichtung, die sich um sie herum erstreckte, wirkte wie von einer anderen Welt. Ein Märchenbuch, das zum Leben erweckt worden ist, umzingelte die beiden Vampire; ein Blumenfeld voller Feldlilien, die im Mondschein regelrecht aufleuchteten und wie Flammen im kalten Wind tanzten. Bäume, die sie nicht beim Namen kannte, umringten das Feld, in dem Yui so klein, so winzig wirkte. Ein loderndes Feuer, das eine Schattenkrone trug; und sie waren Teil dieser Krone, Teil eines größeren Ganzes. Der Duft nach Regen, der sich jederzeit anbahnen würde, prägte die Luft und überschwemmte ihre Nasen, sodass sie von der Natur überwältigt wurden. Sie fühlte sich so, als wäre sie an einem vollkommen anderen Ort, als wären all ihre Sorgen wie ausgelöscht worden. Ayato setzte sie dann auch letztendlich ab, ließ jedoch seine rechte Hand auf ihren Rücken ruhen, um sie leicht anzuschubsen. Wärme durchfloss sie bei jeder einzelnen seiner Berührungen. Angenehm zitternd betrat sie jedoch das Feld und fühlte regelrecht, wie sich das Gras unter ihren Füßen sträubte und letztendlich legte. Plötzlich schoßen abertausende grelle aber warme Lichter in die Luft und tauchten das Feld in ein noch wärmeres Orange. Glühwürmchen, die durch ihre Anwesenheit alarmiert wurden, summten über das Blumenfeld und verliehen dem Ort einen weiteren Hauch an Magie. Yui war den Tränen nahe. Die einfachsten Dinge, wie der Schein des Mondes, der sich über die Welt erstreckte und sie verschönerte oder die simple Berührung ihrer Lieblingsperson, erhellten ihre Welt um Meilen.
,,Ich habe es dir bereits gesagt; Schule wird absolut überbewertet. Das hier-'' Ayato streckte seine Hand aus und fuhr sie einmal vor sich aus, um auf ihre Umgebung zu deuten. ,,-ist wohl eindeutig besser.'' Die warme Hand, die noch vor wenigen Herzschlägen auf Yuis Rücken gelegen hatte, befand sich nun auf ihrem Kopf und durchwuschelte liebevoll ihr blondes Haar. ,,Eindeutig überzeugt!'' kicherte Yui, während sie sich an Ayato schmiegte, der noch leicht hinter ihr stand. Sie fühlte sich wohl; fast zu wohl. Ihr erging es gut und all die Sorgen, die bis vor kurzem noch in ihrem Kopf tobten, waren nun zu einem Stillstand gekommen. Was sie jedoch nicht ahnte, war dass sie sich im Auge des Wirbelsturms befand.
Ayatos Miene trübte sich urplötzlich. Zugleich zog er jedoch vorsichtig seine Hand zurück, als hätte er endlich realisiert, was ihn unterbewusst belastete. Verdutzt packte Yui seine Finger, um diese mit ihren zu streicheln, sodass sie ihn eventuell beruhigen konnte. ,,Was belastet dich?'' fragte sie vorsichtig nach, während Ayato sich eine rote Strähne aus dem Gesicht wischte. Dieser fing jedoch an, sich in das Feld hineinzuwagen, weshalb ihm Yui folgte. ,,Ich wüsste nicht, wie ich es dir erklären sollte. Es ist aber nichts weiteres.'' Er räusperte sich kurz, ehe er sich blitzartig auf dem Boden setzte und anschließend breitmachte. Yui tat es ihm gleich. Den Blick gen Himmel gerichtet und den Kopf auf ihren Unterarmen gestützt, studierte sie die verschiedenen Konstellationen, die sich auf dem Nachthimmel abbildeten. ,,Versuch es einfach, ich kann zuhören.'' Sie schwiegen sich eine gefühlte Ewigkeit an und lauschten dem Rieseln der Blätter, die vom Winde gestreichelt wurden, ehe einer das Wort fasste.
,,Du solltest nicht mehr leben. Das weißt du." Sie blieb still und wartete perplex darauf, dass er fortfuhr. Das war ihr bewusst, doch dies träfe dann auch auf ihn selbst zu. Sie hatten Mutter Natur geschlagen und aus dem Unmöglichen das Mögliche gemacht.
,,Du bist jedoch nicht unsere erste Verwandlung. Es gab weitere-" Yui wandte ihren Blick vom Himmel ab und schaute Ayato an. ,,-und sie sind alle tot." Sie konnte sich gewissermaßen denken, was er ihr zu sagen hatte. Je mehr Gedanken sie an die früheren Opferbräute verschwendete, desto schlimmer wurde es. Ein kleiner Teil in ihr hatte jedoch immer noch einen winzigen Funken Hoffnung gehegt, dass sie den Brüdern irgendwie entkommen wären.
,,Aber wieso. Das ergibt keinen Sinn. Wieso solltet ihr noch mehr Opfer verlangen? Reicht es etwa nicht, dass ihr das Leben einer Person zerstört?" Wut drohte von Yui Besitz zu ergreifen. Vor weniger Zeit war sie noch in den selben Schuhen gewesen. Es hätte auch sie treffen können.
Er beantwortete ihre Frage jedoch mit einem schlagfertigen Wort, das sie sprachlos ließ.
,,Qualität." Nun wagte er es endlich, den Augenkontakt mit ihr aufrecht zu erhalten. ,,Alter, mentaler Zustand, Gesundheit oder einfach nur Gewohnheit. Das sind alles Dinge, die der Zeit zum Opfer fallen. Niemand möchte jeden Tag ein und das selbe haben. Die Ewigkeit ist sowohl Segen als auch Verdamniss. Milch wird nach einiger Zeit ja auch ungenießbar, findest du nicht?"
Sie konnte nicht glauben, was er an Ort und Stelle von sich gab. Ihr war jedoch gewiss, dass sie Ayato nicht hätte umstimmen können. Er wusste nicht, was es heißt, Angst zu haben. Er musste sich nicht mal vor dem Tod fürchten, denn er war der Tod selbst.
Angewidert ließ sie von seiner Hand ab. Yui wollte ihren Ohren nicht trauen. Es musste ein Missverständnis geben, denn Ayato konnte dies unmöglich ernst gemeint haben.Der Vampir, für den sie Gefühle zu entwickeln anfing, war am Ende doch nicht mehr als nur ein Blutsauger, der Menschen als ein Mittel zum Zweck, ein Mittel zu mehr Vergnügen sah. Sie hoffte nur inständig, dass sie nicht so werden würde, wie er.
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Vampire Bride ~ Diabolik Lovers
Romance||Alternative zur Zweiten Anime Staffel || || Setzt am Ende der ersten Staffel an. || Tiefe Schwärze umhüllte mich. Die Luft aus meinen Lungen strömend, lag ich im Nichts. Einzelne Luftblässchen bahnten sich den Weg durch mein Mund, um anschließend...