Wasser Teil 1

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story and idea by: J. Kirsch

cover by: dreambook_

17. August 2015

Germany

©J. Kirsch, 2015

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„Hilfe!"

Der Ausruf hallte wie ein Echo. Er war bestimmt von Klarheit und Verzweiflung. Seine Eindringlichkeit überwand Kilometer. Zweifelsohne spürte man, dass es um Leben oder Tod ging.

„Hilfe!"

Jedem wäre bei diesem Klang ein Schauer überkommen. Man hätte sofort seine vollkommene Aufmerksamkeit zur Quelle gerichtet. Die Sinne wären schärfer geworden, um sich vor möglichen Gefahren zu schützen.

Doch wie reagierte man, wenn die Stimme einem sehr vertraut vorkam? Wenn dieses Wort aus dem eigenen Mund drang?

„Hilfe!"

Niemand schien mich zu hören und aus meiner misslichen Lage befreien zu können.

Stille.

Mein Mund füllte sich mit etwas Salzigem und Warmen zugleich. Es füllte jede einzelne Pore aus. Sogar den Weg zu meiner Luftröhre bahnte es sich. Reflexartig überfiel mich ein Hustenreiz. Ich wollte es ausstoßen. Doch nur noch mehr von dieser Flüssigkeit durchströmte mich, als ich meinen Mund öffnete. Mir fiel auf, dass es sich um Salzwasser handeln musste und ich war vollkommen davon umhüllt.

Wasser war der Stoff, aus dem ich zu rund 70 Prozent bestand, ohne den ich nicht leben könnte und nicht einmal existieren würde. Genau dieser Stoff sollte nun für meinen Tod sorgen? Ertrinken? Ist es das, was mein Leben beenden sollte? NEIN!

Meine Lunge fing an zu brennen vor Schmerz. Das Zeichen von meinem Körper, dass mir die Luft ausblieb und der Ausdruck seines Verlangens nach Sauerstoff.

Panik stieg in mir auf. Ich musste dringend an die Wasseroberfläche gelangen. Doch wo war sie? Über mir? Unter mir? Neben mir? Ich hatte völlig die Orientierung verloren. Das Wasser donnerte in meine Ohren und verursachte einen ohrenbetäubenden Lärm. Sie fingen an zu schmerzen. Doch diesen Schmerz blendete ich aus. Nichts durfte mich ablenken. So war mir eines bewusst: Ich musste selbst einen Ausweg finden.

Viel Zeit blieb mir nicht mehr. Mein Körper reagierte wie von selbst mit hektischen und unkontrolliert wirkenden Bewegungen meiner Arme und Beine. Sie schienen kräftiger zu werden, als sich das ausgestoßene Adrenalin seinen Weg durch mein Inneres gebahnt hatte. Eine gefühlte Ewigkeit wand ich mich umher, bis ich endlich den erlösenden Schmerz spürte, der durch meine Arme schoss, als diese auf die Wasseroberfläche aufprallten. Durch Husten konnte ich das zuvor verschluckte Wasser ausstoßen, um meine Atemwege für den rettenden Sauerstoff wieder frei zu bekommen. Ich schnappte mehrmals nach Luft, bevor wieder ein wenig Wasser in meinen Mund floss. Lange konnte ich mich nicht mehr über Wasser halten.

Weshalb mein Körper nach dem Untertauchen wiederholt anfing hektische Bewegungen zu machen. Diese brachten mich immer wieder für kurze Augenblicke über die Wasseroberfläche.

„Hilfe."

Erneut rief ich. Diesmal klang es jedoch verzweifelter und atemloser. Ich hatte kaum noch Kraft, um erneut aufzutauchen. Jede einzelne Faser meines Körpers schmerzte wegen den Anstrengungen.

Ohne eine Möglichkeit, mich an etwas festzuklammern oder durch Hilfe einer anderen Person, konnte ich diesen Überlebenskampf wohl doch nicht mehr gewinnen.

Ausgehend von meinem Kopf wurde es mir zunehmend wärmer. Eine Hitzewelle breitete sich in mir aus. Mein Herz schlug so schnell, dass es schon anfing zu schmerzen. Mein Körper suchte vergebens nach den letzten Reserven, die noch nicht aufgebraucht waren. Ein letztes Mal stieß er einen Schub Adrenalin aus, welcher nichts mehr bezwecken konnte. Meine Gliedmaßen fühlten sich viel zu schwer an. Dieses Mal würde es kein Entkommen mehr geben. Ich blieb unter Wasser gefangen und ich sank in die Tiefe des Meeres. Sie verschlang mich förmlich. Alles war plötzlich so ruhig und friedlich um mich herum. Je tiefer ich sank, desto mehr verabschiedeten sich meine Gedanken von mir. Es war als würde ich ins Land der Träume überführt werden.

Ich spürte meinen Körper nicht mehr. Er schien wie gelähmt. Kein Schmerz zerstörte diese Friedlichkeit. Es gab nur noch das Etwas, was den Körper, diese Hülle, ausfüllte. Manche nannten es Seele, andere Bewusstsein. Es schien sich von dieser Hülle zu lösen. Alles verlief automatisch. Auch wenn die Zeit scheinbar stehen blieb, verging sie viel zu schnell. Die ersten Erinnerungen erschienen mir. Meine Mutter lächelte mich herzlich an. Ein erfülltes Gefühl durchfuhr mich. Alles schien so paradiesisch. Keine Angst zerstörte diesen letzten Schritt, weil er sich auf eine unbekannte Art und Weise richtig anfühlte, denn diese von mir geliebte Person sollte mich im Reich der Toten willkommen heißen. Was war also so schrecklich am Tod, wenn man all seine geliebten verstorbenen Verwandten und Freunde wieder treffen konnte? Ich streckte sehnsüchtig meine Arme nach ihr aus und freute mich ihr endlich wieder nahe zu sein. Unsere Finger berührten sich fast. Es fehlten nur noch wenige Zentimeter. Ich konnte es kaum erwarten. An ihrem liebevollen Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass sie ähnlich fühlte. Sie war so hübsch mit ihren tiefen braunen Augen und langen braunen Haaren, viel schöner als Vater sie jemals hätte beschreiben können. Mit ihrem weißen Leinengewand, welches sich sanft um sie schmiegte, sah sie so unschuldig aus. Ihr Lächeln ließ all meine Sorgen in Vergessenheit geraten. Doch ihre Miene versteinerte sich. Ihre Gestalt begann zu verblassen, sich förmlich aufzulösen.

„NEIN! Bleib bei mir! Verlass mich nicht wieder!", schrie ich verzweifelt und wand mich vergebens. Ich wollte sie erreichen, nach ihr greifen, sie berühren. Schockiert schaute ich mich um. Doch erblicken konnte ich sie nicht mehr. Auf einmal schlangen sich zwei kräftige Arme um meine Taille und...






Die KristallwächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt