Meer Teil 1

104 18 13
                                    



Amelie



"Du siehst nachdenklich aus, willst du über etwas reden?", fragte mich Sina. Ich fixierte meinen verschwommenen Blick. Nach der Verabschiedung am Strand waren wir zum Hotel zurückgekehrt und hatten nach einer Dusche bequeme Shorts und Tops angezogen. Meine Freundin hatte sich noch eine weiße feuchtigkeitsspendende Maske auf ihr Gesicht aufgetragen. Sie war der Meinung, dass die Hitze ihre komplette Haut ausgetrocknet hatte. Nachdem ich ihr Angebot abgelehnt hatte, hatte sie mich gar nicht mehr versucht zu überreden, weil ich einfach gerade keine Lust darauf hatte. Sie erinnerte mich zwar noch einmal daran, dass die Sonneneinstrahlung zu verstärkter Faltenbildung und Schädigung tieferer Hautschichten führte , aber auch das konnte mich nicht überzeugen. Sina und ich hatten uns auf den Balkon gesetzt, während Frank lieber im Zimmer geblieben war.

"Ich frage mich die ganze Zeit, ob mein Vater endgültig loslassen konnte."

"Das wird wohl der Verlauf der Zeit zeigen."

"Ich meine, er soll sie nicht vergessen, allein durch mich wird er immer an sie erinnert. Aber vermutlich würde es ihm gut tun, wenn er sich nach 13 Jahren wieder ein Leben aufbaut. Vielleicht sogar eine neue Frau an seine Seite lässt."

"Wenn du glaubst, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann kannst du ihn darauf ansprechen." Ich nickte, denn ich musste zumindest versuchen, auf diesen Neustart mit ihm gemeinsam aufzubauen.

"Was ist mit dir? Hat dir denn der Abschied geholfen?", fragte mich Sina nach einem Moment der Stille.

"Es war befreiend, endlich konnte ich mir alles Angestaute von der Seele reden. Danke dir, dass du mitgekommen warst. Du hast mich im entscheidenden Moment dazu gebracht weiterzureden, indem du mich einfach nur unterstützend angelächelt hast."

"Wenn ich dir damit weiterhelfen konnte, dann macht mich das sehr glücklich." entgegnete mir Sina, die mich daraufhin umarmte. Wir saßen noch eine Weile da und horchten dem Rauschen des Meeres, bevor wir schlafen gingen.

"Ich freue mich sehr auf einen gemütlichen Tag am Strand.", verkündete Frank freudestrahlend, während er sich auf einer der drei gemieteten Liegen unter einem Sonnenschirm zurücklehnte und sichtlich den sonnigen Tag genoss.

"Könntest du bitte meinen Rücken eincremen?", fragte mich Sina, woraufhin sie sich schon passend zu mir drehte.

"Natürlich." Ich verteilte die Creme großzügig auf ihrem Rücken und verrieb sie. Als ich fertig war, schnappte sich Sina die Creme aus meiner Hand und deutete mir mit einer drehenden Bewegung ihr Hand an, dass ich mich umdrehen sollte.

"Ich helfe dir auch."

Ich zuckte zusammen, als Sina mich mit ihrem cremigen Finger berührte. Sie lachte. Um ehrlich zu sein, mochte ich das Gefühl von Creme auf meiner Haut nicht wirklich. Diese Schicht war wie Kleber, der jeden Fussel und jedes Sandkorn an mir fixierte.

"Was machst du da?", fragte ich Sina, als mir auffiel, dass sie die Creme nur mit ihrem Zeigefinger über meinem Rücken verteilte.

"Rate mal."

"Etwas mit Creme auf meinen Rücken malen?"

"Und was?"

Ich konzentrierte mich.

"Ein H-D-L, für hab dich lieb.", erriet ich wohl richtig.

"So sehr mag ich dich.", erwiderte Sina und verrieb die Creme nun mit ihrer kompletten Handfläche.

Die KristallwächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt