Entführung Teil 1

41 14 7
                                    

Amelie

"Sie haben ihren Plan geändert. Wir müssen los!" Wider erwarten stand Bastian ohne ein Anzeichen von Schwäche vor mir und griff nach meinem Handgelenk. Er zog mich hinter sich her, so dass ich laufen musste, um hinterherzukommen.

"Halt! Bleib sofort stehen!", schrie ich Bastian an, der jedoch gar nicht auf mich reagierte. Bevor wir den Steg verließen, konnte ich mich losreißen.

"Wen meinst du mit sie? Wo befinden wir uns gerade? Immer noch in deiner Vision oder in der Realität? Was ist mit dir passiert? Ich gehe nirgendwohin, solange ich nicht sicher weiß, was hier vor sich geht." Ich atmete schwer, zu sehr verängstigte mich diese ganze Situation. Ich verfluchte meine Entscheidung zu diesem Treffen gegangen zu sein.

"Wir befinden uns wieder in der Realität und deine Entführer haben uns in der Vision überfallen. Sie haben mir einen Schlag auf den Kopf verpasst, weswegen ich ohnmächtig wurde. Uns bleibt nicht viel Zeit, um von hier zu fliehen, bevor sie auftauchen werden." Bastian hatte gerade sein letztes Wort ausgesprochen, als ich auf einmal durch die Luft gewirbelt und kopfüber gegen Bastians muskulösen Rücken gedrückt wurde.

"Entschuldige. Das wird nun holprig, aber wir sind schneller, wenn ich dich trage." Ohne ein Widerwort äußern zu können, lief Bastian los. Er versuchte den Transport so angenehm wie möglich zu gestalten, in dem er den Druck seiner Hände auf mich an den unebenen Untergrund anpasste. Er glitt förmlich dahin und obwohl ich wie zu erwarten unzufrieden mit der Weise war, wie er mich trug, war es angenehm, seine Wärme zu spüren.

Auf einmal blieb er stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Was war passiert?

"Ahhh", ich schrie lauthals los und musste mich wirklich beherrschen, dass ich mich nicht sofort übergab. Mein Magen schmerzte, als ich mit meinem Bauch auf Bastians Schultern aufprallte, weil er sich flink hinunter beugte, um irgendetwas oder irgendjemandem auszuweichen. Kurz darauf sprang er wieder auf und beugte sich in windeseile nach rechts. Mir wurde von diesen schnellen Bewegungen übel. Krampfhaft versuchte ich mit meinen Händen Halt an Bastians Rücken zu finden. Ich wollte mich abstützen, um zu erkennen, wovor Bastian auswich. Doch Bastian bewegte sich zu schnell, so dass ich jedes Mal gegen seinen Rücken prallte, ohne etwas gesehen zu haben. Die sonst so gleitenden Bewegungen von Bastian wurden durch Stöße unterbrochen, als würden Schläge auf Bastian treffen. Diese dumpfen Geräusche, die ich viel zu oft hörte, stammten von Fäusten, die auf von Muskeln gestrammter Haut aufprallten. Wurden wir etwa angegriffen? Die ruckartigen Bewegungen wurden häufiger. Ich spürte, wie sich Bastians Atmung und Herzschlag beschleunigten. Laute vor Anstrengung mischten sich mit schmerzverzerrten Aufschreien. Sie stammten von mehreren Personen, die sich in unterschiedlichen Entfernungen befanden. Ein Stich zog durch mein Herz für jeden schmerzerfüllten Schrei, der so nah war, dass er nur aus Bastians Mund entweichen konnte. Es waren zu viele Aufschreie, so dass ich nicht mehr mitzählen konnte. Verlor Bastian etwa die Kraft, um sich weiter zu verteidigen? Ich war glücklich darüber noch keinen Schlag abbekommen zu haben, aber wie hatte Bastian das geschafft? Vor Angst eines Treffers, kniff ich meine Augen fest zusammen.

Ich hatte völlig die Orientierung verloren, als sich Bastian plötzlich nicht mehr bewegte. Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Mein Blick wanderte über den Sand am Boden, der für einen stehenden Bastian viel zu nah war. Er musste vor ihnen knieen. War es überhaupt ratsam sich zu bewegen? Sollte ich lieber in meiner Position verharren oder spielte es sowieso keine Rolle mehr, weil Bastian aufgegeben hatte? Vermutlich standen die Angreifer vor Bastian, weshalb ich nichts sehen könnte, da ich immer noch auf Bastians rechter Schulter lag.

Behutsam hob mich Bastian von den Schultern hoch. Ich versuchte mich an ihm festzukrallen, doch meine Finger glitten über seine nahezu glatte Haut.
"Ich habe Angst.", flüsterte ich in Bastians Ohr, als ich mit meinem Mund an ihnen vorbeiglitt.
Eine Träne kullerte über meine Wange. Ich zitterte am ganzen Körper, aus Angst vor dem, was mich erwartete.
Ein schockierter Schrei entwich meinem Mund, den ich sofort mit meinen Händen unterband.

Bastians bildhübsche Augen waren angeschwollen. Sein Hemd war aufgerissen und offenbarte den kompletten Ausmaß des Kampfes. Sein Körper war übersäht mit roten Striemen. Platz- und Schürfwunden markierten die am schlimmsten betroffenen Stellen. Aus einer Wunde an seiner Stirn zog sich über seine rechte Schläfe bis hin zu seinem Kinn ein Pfad aus Blut. Er hatte jeden einzelnen Schlag abgefangen, um mich zu schützen. Ich bin zu schockiert, um irgendeine Regung zu zeigen. Wenn sie das mit Bastian angestellt haben, dann will ich nicht wissen, was sie mir antun werden.
Er schaute mich mit einem entschuldigenden und selbstverachteten Blick zugleich an. Seine imposante Ausstrahlung blieb dennoch weiterhin erhalten.

Mit einem festen Griff um mein Handgelenk wurde ich herumgewirbelt, so dass ich direkt in die tiefe Finsternis unserer Gegner sah.

Die KristallwächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt