Rache Teil 5

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Amelie


"Was soll das? Bleib stehen!"

Carlos wutentbrannte Schreie waren über die laute Musik bis hin zum Garten zu hören. Ich quetschte mich durch die Menge der Schaulustigen, die sich auf der Terrasse versammelt hatte, bis hin zum Wohnzimmer. Vor uns ereignete sich ein außergewöhnliches Schauspiel, welches von einigen belustigten Zuschauern schon fleißig mit ihren Smartphones aufgenommen wurde. Carlo schrie sich die Seele aus dem Leib und bekam einen hochroten Kopf. Unter normalen Umständen würde diese Situation sehr beängstigend wirken, doch diese nahezu akrobatischen Verrenkungen, die er vorführte, um sein bestes Stück zu verdecken, brachten mich und alle anderen zum Lachen. Ich verstand zunehmend, was Sina an ihm so toll gefunden hatte. Alle seine Muskeln waren vor Wut angespannt, was sogar ein Sixpack an seinem Bauch zum Vorschein brachte. Er schnappte sich sobald er die Couch erreicht hatte, ein Kissen, welches den Platz anstelle seiner Hände als Sichtschutz einnahm. Zudem verbarg er sich hinter der Rückenlehne.

"Gib mir sofort meine Klamotten zurück!"

"Mich verarscht man nicht so leicht." Sina zeigte ihm den Mittelfinger, grinste gehässig und verschwand aufrecht gehend durch die Menge Richtung Garten. Sie war mir noch gar nicht aufgefallen, weil sie sich rechtzeitig weit genug von Carlo entfernt hatte. Er stand ganz allein inmitten des Wohnzimmers, bloßgestellt wie auf einer großen Bühne.

"Bist du bescheuert? Das zahle ich dir heim!" Mit seiner freien Hand bildete er eine Faust, die er auf die Rückenlehne schlug, womit er seiner Aussage Nachdruck verlieh. Dabei rutschte ihm das Kissen aus seiner anderen Hand. Er konnte es gerade noch auffangen, bevor diese eine verdeckte Stelle endgültig preisgegeben worden wäre.

"Und ihr packt sofort die Kameras weg!" Sein Zeigefinger deutete nacheinander auf jeden Einzelnen von ihnen.

Um Carlo versammelten sich mittlerweile einige seiner Freunde, die ihm weiteren Sichtschutz boten und die Menge dazu aufforderten zu verschwinden. Ich zog mich zurück und machte mich auf die Suche nach Sina. Sie stand am Gartentor, bereit die Party schnellstmöglich zu verlassen. Ich lief auf sie zu. Woraufhin wir sofort nach Hause aufbrachen.

"Du hast es tatsächlich durchgezogen. Ich bin immer noch fassungslos." Ich lächelte sie an. Sie wirkte erleichtert und glücklich. In ihren Händen umklammerte sie einen Berg von Klamotten.

"Was hattest du denn erwartet, dass ich einen Rückzieher mache?" Wegen der ganzen Aufregung redete sie so schnell, so dass ich kaum ein Wort von ihr verstand. Sie zog sich mit ihrer freien Hand das Kleid am Dekoltee und in der Länge zurecht, damit es wieder alle Körperstellen ausreichend bedeckte.

"Oder dass er den Plan durchblickt." Erwog ich eine andere Möglichkeit. 

Sina lachte los.

"Dafür war er zu abgelenkt." Sie fuhr sich mit ihrer Hand triumphierend durch ihr zerzaustes Haar und brachte es wieder in seine gewohnte Form. Zwischen den Beiden musste es wild hergegangen sein.

"Mehr Details möchte ich auch gar nicht wissen." Sie hatte mir schon viel zu oft von ihren Erlebnissen berichtet, so dass ich selbst jetzt ein genaues Bild von ihnen beiden Umschlungen Arm in Arm vor Augen hatte.

"Ich habe doch gleich gesagt, dass das die perfekte Idee war."

"Davon bin ich zwar immer noch nicht komplett überzeugt. Dennoch muss ich zugeben, dass sein Anblick amüsierend war." Ich schmunzelte bei dem Gedanken an Carlo. "Hast du keine Angst, dass er sich rächen könnte?" Carlo würde ich alles zutrauen. Ich würde mich schuldig fühlen, wenn er meine Freundin auf irgendeine Weise verletzen würde. Immerhin hatte ich Sina auf die Idee gebracht.

Die KristallwächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt