Die Kristallwächter

Aufklärung Teil 3

Amelie

Anstatt meine Fragen zu beantworten, ließ er mich noch unwissender zurück als zuvor. Wollte er mich weiter verunsichern? War das Teil seines Planes gewesen? Ich wurde einfach nicht schlau aus diesem Kerl. Er war ein Buch mit sieben Siegeln für mich und er würde es wohl auch für immer bleiben. Zumindest hatte ich es so verstanden, dass er mir in Zukunft aus dem Weg gehen wollte. Doch bei einer Sache war ich mir definitiv sicher: Er wusste mehr, als er Preis geben wollte. Diese Tatsache ärgerte mich am meisten, doch ich sollte das alles besser vergessen, um den restlichen Urlaub noch genießen zu können, und mich auf den Weg zum Hotelzimmer machen. Ich war für den Geschmack meines Vaters wohl schon viel zu lange unterwegs.

Als ich dort ankam, traf ich nur Sina an, weil sich mein Vater wie erwartet schon auf die Suche nach mir begeben hatte. Ich blickte Sina fragend an und zeigte zur Hotelzimmertür, woraufhin ich mich begann in diese Richtung zu bewegen.

"Er wird gleich auftauchen.", beruhigte sie mich und hielt mich davon ab, nach ihm zu suchen. Ich musste ihr Recht geben, dass wir uns ansonsten eher verfehlen würden. Ich setzte mich neben sie auf das knirschende Bett. Der Stoff der weißen Bettdecken war leicht und samtig. Er fühlte sich angenehm auf der Haut an. 

"Unglaublich. Seitdem diese fast Nacktbilder von mir auf Whatsapp kursieren und die Trennung zwischen Carlo und mir offensichtlich bekannt geworden ist, habe ich drei Date-Anfragen und ein Dutzend Komplimente von Jungs aus unserer Oberstufe erhalten, sogar einer aus der Mittelstufe hat sich mutig genug gefühlt, um mich anzuschreiben." Sie strahlte über beide Ohren. Für sie war es die Bestätigung, dass sie immer noch zu den beliebtesten und wohl auch zu den begehrtesten Mädchen gehörte. Ich kannte meine Freundin jedoch gut genug, um zu wissen, dass sie lieber über andere Wege an so viel Aufmerksamkeit gelangt wäre. Doch sie versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Ich beneidete sie für diese Stärke, weil ich vermutlich am Boden zerstört gewesen wäre.

"Herzlichen Glückwunsch, du Jungsmagnet.", antwortete ich lachend und schüttelte einfach nur den Kopf. Sogar abwesend vertrete sie jedem Jungen den Kopf. Ich schaute in ihre bildhübschen grünen vor Freude strahlenden Augen und musste zugeben, dass selbst ich von ihnen in den Bann gezogen wurde. Ihr komplettes Auftreten hatte die Blicke der Jungs schon immer wie ein Magnet an sich gezogen und sie war einfach zu jedem unglaublich liebenswert gewesen, weshalb ich vollkommen verstehen konnte, dass einige Typen ihr Glück bei ihr versuchten. Sina konnte aber auch sehr hinerhältig sein, vor allem wenn sie schon eine schlechte Erfahrung mit derjenigen Person gemacht hatte. Mir wären diese ganzen Anfragen und Komplimente wohl eher peinlich gewesen, aber ich gönnte es meiner Freundin auf jeden Fall, vor allem weil es sie glücklich stimmte und sie dadurch endlich Carlo vergessen konnte.

"Die Nachricht finde ich besonders süß: Du bist wirklich eine tolle Frau mit einer enormen Ausstrahlung und einem starken Charakter. Darum hast du auf jeden Fall einen ebenso starken Mann, wie ich es bin, verdient. Er ist von Marc, einer der Kumpels von Carlo. Klingt das nicht unheimlich romantisch?" Ich blickte meine Freundin fragend an.

"Eher Macho-like.", sagte ich mahnend, verdrehte die Augen und war genervt, weil sie anscheinend aus ihrem Fehler nicht gelernt hatte. Immerhin himmelte sie gerade wieder einen Typ à la Carlo an.

"Er ist ein Mann, der Stärke zeigt und weiß, was er will.", schwärmte sie und ließ sich von meinem Kommentar nicht beirren. Ich hielt von Marc genauso wenig wie von Carlo, also war das Thema für mich erledigt.

"Hast du mittlerweile eigentlich deine Eltern erreicht?", fragte ich neugierig. Sie waren den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen. Zudem konnte ich Sina mit diesem Thema von ihrer Schwärmerei ablenken. Es hätte sonst eine sinnlose Diskussion über das männliche Geschlecht gegeben, bei der sich unsere Meinungen letztendlich nicht geändert hätten. Ich hatte außerdem ganz andere Sorgen, als mein nächstes Date auszuwählen.