Sackgasse Teil 5

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Amelie


"Guten Tag. Mein Name ist Maria und ich werde in diesem Fall für sie übersetzen. Wie heißen sie?", begrüßte mich eine freudestrahlende junge Frau mit einem wunderhübschen südländischen Aussehen.

"Hallo, ich bin Amelie.", stammelte ich verwundert darüber, dass mich jemand Anderes als mein Vater auf meiner Sprache ansprach.

"Ich habe eine gute Nachricht für dich." Ich blickte Maria fragend an, was sie sichtlich verunsicherte. Dennoch wollte ich unbedingt wissen, was sie als positiv bezeichnete nach dieser schrecklichen Situation, weshalb ich sie aussprechen ließ.

"Ich darf dich doch duzen?" Ich nickte, woraufhin ihre Unsicherheit wieder einem Lächeln wich und sie fortfuhr:

"Deine Kopfverletzung ist übernatürlich schnell verheilt. Die Ärzte können sich selbst nicht erklären wie das möglich sein kann, aber du benötigst keine weitere ärztliche Behandlung mehr und nur noch die nächsten paar Tage ein wenig Ruhe. Danach wird alles wieder beim Alten sein." Die schmerzhafte Behandlung hatte mir einen anderen Eindruck hinterlassen, aber ich glaubte ihr in dem Punkt, dass alles wieder gut werden würde.

"Was meinen sie mit übernatürlich schnell?" Ich war verwirrt.

"Ich bin keine Ärztin, aber so wie ich es von ihrem behandelnden Sanitäter verstanden habe, haben sie eine bemerkenswert gute Wundheilung. Die Wunde ist schon komplett verwachsen. Du spürst höchstens noch eine winzige Kruste auf deiner Kopfhaut." Sie strahlte, weshalb ich ein halbherziges Lächeln zurückwarf.

"Das klingt denke ich gut." Diese Heilkraft war mir bisher noch nie aufgefallen, aber mein Vater war auch immer sehr darauf bedacht gewesen, dass mir nichts zustößt. Um ehrlich zu sein, hatte ich bisher weder eine größere Fleischwunde noch ein Knochenbruch oder sonst eine erwähnenswerte Verletzung gehabt. Viel wichtiger fand ich es nun aber, weitere Informationen über den Zustand von Sina herauszufinden. "Wie geht es meiner Freundin?"

"Darüber darf ich dir natürlich keine genauere Auskunft geben, aber sie ist wieder vollkommen ansprechbar und bei ihr werden auch ein paar Tage Ruhe ausreichen. Kommen wir nun zu den wichtigen Dingen. Die Polizei möchte mehr über diesen Vorfall erfahren. Bist du bereit für ein Verhör?"

"Ich denke schon.", antwortete ich automatisch. War ich wirklich bereit dazu? Was sollte ich sagen? Die Wahrheit? Würden sie mir glauben? Das waren nur einige wenige Fragen von den gefühlten Millionen, die in meinem Kopf herumschwirrten und mir Kopfschmerzen bereiteten.

"Ich werde sie darüber informieren." Maria drehte sich um und verschwand in Richtung der Polizeibeamten. Kurz darauf kam Frank zurück und stellte sich vor mich.

"Was hat Sina gesagt? Wie geht es ihr?" Diese Fragen platzten aus mir heraus, weil ich unbedingt mehr über ihren Zustand erfahren wollte.

"Sie ist so gut gelaunt wie sonst auch immer. Sie würde am liebsten schon wieder aufstehen, aber die Ärzte möchten noch einen kurzen Gesundheitscheck mit ihr durchführen. Nur leider kann sie sich an nichts mehr außer dem Sturz erinnern.", verkündete Frank, bevor sich Maria und zwei streng blickende Polizeibeamte um uns versammelten, denen mein Vater sofort Platz machte und ihnen mit einem Nicken verdeutlichte, dass sie mit dem Verhör beginnen könnten. Sie stellten sich Frank mit kurzen Worten vor, bevor sie sich alle zu mir wendeten.

"Wir wollen zuerst die formellen Dinge schnell erledigen. Dein Name war Amelie und wie weiter?" Maria hatte diesen strengen Blick der anderen beiden Polizisten angenommen.

"Kämpfe, Amelie Kämpfe." Die folgenden Fragen beantwortete ich mit knappen Worten, die nach der Übersetzung von Maria gründlich von den Polizeibeamten notiert wurden, bis die eine wichtige Frage meine Aufmerksamkeit wieder auf sie zog.

"Was ist passiert?" Diese Frage hallte in meinem Kopf wider. Was sollte ich nun antworten? Reflexartig schaute ich in die Richtung, in der die Leiche noch vor Kurzem gelegen hatte. Doch obwohl ich einen sehr guten Blick auf diese Stelle hatte, lag sie nicht mehr dort. Sie mussten sie mitgenommen haben. Meine Sicht verschwamm, während ich mich in meinen Gedanken verlor. Würden sie mir also glauben, wenn ich ihnen die komplette Wahrheit erzählen würde? Mein Vater würde vermutlich sofort abreisen wollen, weil dieser Ort in seiner Sicht wohl keine Sicherheit mehr für uns darstellte. Oder sollte ich lügen, damit wir weiterhin hier bleiben konnten? Immerhin wollte ich nicht, dass unser erster gemeinsamer Urlaub am Meer schon nach einem Tag endete. War der Überfall ein dummer Zufall gewesen oder steckte mehr dahinter? Das würde wohl auch mit einer ehrlichen Aussage bei der Polizei eine unbeantwortete Frage bleiben.

"Du musst keine Aussage tätigen, wenn du nicht möchtest." Ich fixierte meinen Blick wieder und ließ ihn von einer Person zur nächsten schweifen. Sie sahen mich alle erwartungsvoll an und wollten endlich eine Erklärung hören.

"Amelie, sag doch etwas!" Die Stimme meines Vaters war eindringend. Er ahnte wohl, dass ich nichts mehr sagen würde. Es war sein verzweifelter Versuch mich zur Aussage zu drängen. Sina wusste nichts mehr. Sie ging davon aus, dass Sie unglücklich gestolpert war. Wieso sollte ich sie alle also unnötig verunsichern, wenn uns im Endeffekt nichts passiert war?

"Sina ist einfach nur hingefallen und hat mich mit zu Boden gerissen." Ich versuchte so ehrlich wie möglich zu klingen. Innerlich plagte mich mein schlechtes Gewissen, so dass mein Herz begann schneller zu schlagen und ich nervös um mich blickte. Glaubten sie mir?

"Amelie! Sag doch bitte die Wahrheit. Ich habe doch deine Angst am Telefon gespürt." Frank flehte mich an, denn er hatte mich durchschaut. Doch ich schüttelte leicht meinen Kopf und gab meinem Vater damit zu verstehen, dass er aufhören sollte. Er gab sich geschlagen und wendete sich von uns ab.

"Bist du dir ganz sicher? Wie kam es zu deiner Kopfverletzung am Hinterkopf?", fragte Maria, während sie auf meinen Vater blickte. Durchschaute sie meine Lüge?

"Ich bin vermutlich sehr unglücklich gefallen." Ich klang sehr entschlossen, so dass ich meiner Lüge selbst begann zu glauben. Maria schaute mich zweifelnd an, doch sie führte das Verhör weiter:

"Ist das deine letzte Aussage?" Ich nickte, woraufhin sie sich zu den Polizeibeamten wendete, um ihnen alles zu erklären. Sie schauten sich grübelnd an, nickten jedoch zustimmend und gaben sich mit meiner Aussage zufrieden. Ein großer Stein fiel mir vom Herzen.

"Wenn dir noch irgendetwas einfallen sollte, dann melde dich bitte umgehend bei unserer Dienststelle." Ich merkte, wie mein Vater innerlich verzweifelte, weil ich alle angelogen hatte. Doch er entschuldigte sich bei den Polizeibeamten: "Es tut mir Leid, dass wir einen solchen Aufstand wegen einem Sturz veranstaltet haben." Diese machten sich daraufhin mit Maria wieder auf den Weg. Mein Vater funkelte mich wütend an, sagte aber nichts mehr.

"Störe ich?" Es war die Stimme von Sina. Sie schaute zwischen meinem Vater und mir hin und her. Der Ausdruck in dem Gesicht meines Vaters wurde weicher.

"Du störst nicht. Lass dir helfen.", antwortete Frank und hielt seine Hand hin. Sie griff nach ihr und verließ ansonsten selbständig den Krankenwagen. Woraufhin ich meine Freundin umarmte.

"Wie geht es dir?" Endlich konnte ich sie persönlich fragen.

"Ich fühle mich noch ein wenig schwach auf den Beinen, ansonsten könnte es mir nicht besser gehen. Ist bei dir auch alles in Ordnung?" Sie klang besorgt und schaute an mir herunter, um mich zu inspizieren.

"Mein Kopf schmerzt leicht, aber das wird sicherlich gleich aufhören.", verkündigte ich freudig. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass wir diesen Überfall ohne einen größeren Schaden überstanden hatten.

"Lasst uns zurück zum Hotel kehren. Der Tag war heute schon aufregend genug.", schaltete sich mein Vater mit einer kühlen Stimme ein. Woraufhin er ganz dicht an mir vorbei ging und mir ins Ohr flüsterte: "Wir beide werden heute Abend noch ein ernstes Gespräch miteinander führen müssen."

Die KristallwächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt