Dinner Teil 3

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Amelie

"Bleib doch mal ruhig sitzen.", forderte mich Sina lachend auf, während ich weiter auf meinem Stuhl hin und her rutschte.
"Weißt du, wie es sich anfühlt, wenn man gefühlt einen ganzen Schwarm Bienen verschluckt hat?"
"Das ist solch ein schrecklich, schönes Gefühl."
Sie amüsierte sich an meiner Nervosität, die sich in dem baldigen Treffen mit einem Mann begründete. Nicht nur mit irgendeinem Mann, sondern mit Bastian. Sie war damit beschäftigt Haarnadeln in meinen Haaren an den verschiedensten Orten zu befestigen. Zuvor hatte sie meine Haare bereits gelockt und mit Festiger eine gewisse Stabilität erzeugt. In der Hoffnung, dass meine Frisur den ganzen Abend überstehen würde, was bei meinem dünnen Haar nicht selbstverständlich war. Sina hatte sich viel über das Haare stylen und Schminken mittels Youtube selbst beigebracht. Ich musste zugeben, dass sie das wirklich sehr gut beherrschte.
Im Nu hatte sie mir eine halb offene Hochsteckfrisur gezaubert und ein dezentes Make-up aufgetragen, dass meine rehbraunen Augen betonte.
"Tada.", präsentierte Sina ihr Ergebnis vor dem Spiegel.
"Du bist so wundervoll. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen." Ich sprang sofort auf und umarmte Sina von ganzem Herzen. Ihre Wärme durchdrang meinen Körper. Ich fühlte mich in ihren Armen geborgen. Freudentränen stiegen mir in die Augen, als ich mich wieder von Sina löste und mich im Spiegel betrachtete. Ich erkannte mich selbst nicht wieder.
"Pass auf das Make-Up auf.", ermahnte mich Sina. Ich wedelte mit meinen Händen Luft zu meinen Augen. "Entschuldige."
"Mit deinem Aussehen wirst du Bastian umhauen. Nicht, dass du das sowieso schon gemacht hast." Sina zwinkerte mir zu.
Ich fühlte mich selbstbewusst und gut, als ich mit ausgestreckter Brust und erhobenem Haupt mit Sina und Frank aus dem Hotel spazierte. Zu meinem selbstzufriedenen Gefühl trugen die tolle Frisur, das traumhafte, rote Kleid, meine einzigen hautfarbenen Lackhighheels bei und natürlich die Tatsache, dass ich in wenigen Augenblicken auf Bastian treffen würde. Sina, die sich selbst innerhalb kürzester Zeit eine einfache Hochsteckfrisur gezaubert hatte, hackte sich bei mir ein.
"Spiel mit Bastian.", flüsterte Sina mir ins Ohr. Ich schaute sie fragend an.
"Du weißt schon, mit deinem Körper flirten, ihn verführerisch anblicken. Signalisiere ihm, dass du an ihm interessiert bist."
"Versuchst du mir gerade Tipps zu geben?"
"Ich weiß doch, dass du noch nicht allzu viel Übung hast." Sina geriet in Erklärungsnot.
"Danke. Aber solltest du mir nicht lieber raten, so zu sein, wie ich bin?"
"Du suchst doch gerade nicht wirklich die Liebe deines Lebens, sondern eher ein Spielzeug für zwischendurch." Sina begann zu lachen. Doch bevor ich mich widersetzten konnte, unterbrach mich Bastians melodische Stimme:
"Einen wundervollen guten Abend." Seine Stimme zauberte mir sofort ein Lächeln ins Gesicht. Er begrüßte meinen Vater, als wir am Treffpunkt an der Strandpromenade ankamen. "Wünsche ich Ihnen auch.", grummelte Frank in seinen nicht vorhandenen Bart, während sie sich zur Begrüßung die Hände schüttelten. Es hörte sich so an, als würde Bastian meinen Vater mit seinem Auftreten einschüchtern. Bastians erste Reaktion auf mein Hervortreten hinter meinem Vater wird mir wohl für immer im Gedächtnis bleiben. Seine Augen waren vor Überraschung weit aufgerissen. Doch so schnell wie er aus der Ruhe gebracht worden ist, hatte er sich auch wieder gefasst.
"Ihr beide seht bezaubernd aus.", richtete er an Sina und mich, während sich diese süßen Grübchen auf seinen Wangen ausbildeten, als er verschmitzt grinste und sich durch sein locker sitzendes sandfarbenes Haar fuhr. Seine meeresblauen Augen nahmen mich mit in einen Bann, der mich alles um mich herum vergessen ließ. Am Horizont ging die Sonne unter und die Abendröte breitete sich am Strand aus. Die Sonnenstrahlen umspielten Bastian, der einen perfekt sitzendes hellblaues Hemd zu einer feinen dunkelblauen Anzughose trug. Bei den kleinsten Bewegungen strammte das Hemd um seine Oberarme, das seine Muskeln darunter erahnen ließ. Wellen schlugen sachte an den Strand. Ich musste zugeben, dass dieser Moment einer Szene aus einem Hollywoodstreifen glich, bei dem die Vorzüge des sexy Hauptdarstellers vorgestellt wurden.
Nichts konnte diesen Moment zerstören außer meinem Vater.
"Das will ich auch hoffen. Sie waren den halben Tag shoppen.", entgegnete Frank, der nach der Begrüßung lockerer als erwartet weitermachte. Für meinen Geschmack zu locker.
"Dad.", ermahnte ich meinen Vater lachend und versuchte seine Aussage mit einem Handwink zu verharmlosen.
"Du siehst aber auch nicht schlecht aus.", entgegnete Sina, die die Peinlichkeit aus dem Gespräch nahm.
"Das schmeichelt mir sehr. Genauso wie diese Essenseinladung Herr Kempf, für die ich mich sehr gerne bedanken würde."
"Das ist doch selbstverständlich nach dem, was passiert ist." Vaters Miene war wieder versteinert allein durch die Erinnerung an meine Entführung. Ich bekam bei dem Gedanken sofort Gänsehaut und versuchte ihn zu verdrängen, sonst würde ich noch paranoid werden. Bastian nickte zustimmend.
"Ich bin glücklich darüber, dass ich zur rechten Zeit am richtigen Ort gewesen bin, um Amelie zu helfen. Wie geht es dir?" Seine tiefblauen Augen fixierten mich. Sofort verspürte ich diese Unruhe in meinem Körper. Jede einzelne Zelle reagierte auf die erlangte Aufmerksamkeit.
"Gut."
"Gut?", hackte er nach, wobei seine rechte Augenbrauen fragend nach oben wanderte. Jede Mimik sah an ihm so unglaublich gut aus.
"Also prima, den Umständen entsprechend, wie man sich halt so fühlt." Vor Nervosität fing ich hysterisch an zu kichern. Ich sah im Augenwinkel wie Sina ihre Augen verdrehte.
"Das freut mich wirklich zu hören." Bastian schien meine durch ihn ausgelöste Aufregung nicht weiter zu beachten. Vermutlich war er solche Reaktionen gewöhnt.
"Haben Sie bereits ein Lokal für den heutigen Abend ausgewählt?", fragte Bastian meinen Vater.
"Um ehrlich zu sein, hatte ich noch keine Zeit gehabt, mir wirklich Gedanken darüber zu machen. Ich bin für Vorschläge dankbar.", gab mein Vater zu.
"Ich würde sie gerne zu einem sehr guten einheimischen Lokal leiten."
"Das klingt prima.", stimmten wir im Chor zu. Bastian beugte sich nickend leicht nach vorne und zeigte mit einer geschwungenen Bewegung in die Richtung, in die wir uns daraufhin bewegten.

Die KristallwächterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt