Prolog

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That was quite a show
Very entertaining
But it's over now
Go on and take a bow
('Take a bow' - Rihanna)

Dortmund, 2009

Ich begutachtete mich im Spiegel der Mädchentoilette und befestigte eine Haarklammer neu an meiner Hochsteckfrisur. Dann seufzte ich schwer. Ich sah mein Spiegelbild nochmal genau an: Ein 17 jähriges Mädchen, mit etwas traurig blickenden, grünen Augen, die schokobraunen Haare hochgesteckt, einige Strähnen hingen gelockt raus.
Das schulterfreie Kleid in einem leichten Rosa, um den zierlichen Körper. - Ja, das war ich, nichts Besonderes.

Vom Spiegel wegdrehend, ging ich gezielten Schrittes aus der Mädchentoilette. Ich blickte mich um, konnte meinen Freund aber nirgendwo entdecken. Wahrscheinlich amüsierte er sich noch mit seinen Freunden. War ja normal, er würde sie in Zukunft nicht mehr oft zu Gesicht bekommen können.

Also setzte ich mich an einem der abgelegenen Tische und beobachtete das Rumtreiben. Musik dröhnte aus den Boxen, die Leute aus meiner Stufe tanzten miteinander, bedienten sich vom kalten Buffet, oder standen einfach nur rum und unterhielten sich.

So war er also, mein Abiball.

Hätte mich jemand früher gefragt, wie ich mir meinen Abiball vorstellte, dann wäre das hier sicher nicht meine Antwort gewesen. Aber wer konnte schon erahnen, was alles in der Zukunft passieren würde?

"Oh Bella, dich haben wir ja noch gar nicht begrüßt!", riss mich eine sing-sang Stimme aus meinen Gedanken.
Vor mir standen Carla und Lissy in ihren traumhaft schönen Kleidern. "Äh ja, hi.", murmelte ich verwirrt und sah Lissy an. Sie hatte seit der 7. Klasse kein Wort mehr mit mir gesprochen, obwohl wir bis dahin beste Freundinnen gewesen waren. Warum fing sie jetzt wieder damit an?

Carla und Lissy überbrückten die Anspannung, indem sie mich nacheinander umarmten und sich sich für "die ach so tolle Schulzeit zusammen." bedankten, wie sie mir mit ihren hohen Stimmen mitteilten und dann lächelnd und winkend wieder davon stöckelten.
Ich sah ihnen lange nach, konnte über diese Falschheit nur den Kopf schütteln.

Carla und Lissy blieben aber nicht die einzigen, die an unserem Abiball einen auf Friede-Freude machten. Immer wieder kamen Leute, hielten mit mir Smalltalk, drückten mir Küsschen auf die Wange und boten mir ihre Gesellschaft an.
Ich ließ dies alles mit einem ebenso aufgesetzten Lächeln über mich ergehen, doch dachte dabei nur, dass die meisten von ihnen seit knapp einem Jahr, mich kaum beachtet hatten - geschweige denn sich um mein Wohlbefinden gekümmert. Sie waren alle doch so falsch.

Am liebsten wäre ich schreiend rausgerannt und hätte nie wieder einen Fuß hier rein gesetzt.

Nie wieder.

Wehmütig blickte ich zur tanzenden, nicht mehr ganz nüchternen Menge. Wie gern würde ich jetzt tanzen, mich mit geschlossenen Augen zur Musik bewegen. Nicht mit denen, nein, ich brauchte diese Heuchler nicht. Nur mit jemand ganz besonderem.

Mario.

Mario, der Einzige, der immer zu mir gehalten hatte, egal was war. Der im letzten Jahr, in der schwersten Zeit meines Lebens, für mich die einzige Stütze gewesen war... Er hatte mich nie fallen gelassen.

Doch ich konnte meinen Freund immer noch nicht ausfindig machen, was ich langsam komisch fand. Heute Morgen hatte er kurz bei mir angerufen, um sich zu entschuldigen, dass er mich doch nicht zum Ball abholen konnte, da er noch Training hatte.
Er hatte etwas seltsam geklungen, in Wahrheit benahm er sich schon seit längerem anders als sonst. Hatte weniger Zeit, war nervös und beinahe benahm er sich so als würde er sich wegen etwas schuldig fühlen.

Maybe tomorrow (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt