Let me hear your song

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You've spent a lifetime
stuck in silence afraid
you'll say something wrong.
If no one ever hears it, how
we gonna learn your song?
(Emeli Sande- 'Read all about it')

Das Essen verlief soweit ereignislos, ich spürte, wie aufmerksam mich Astrid beobachtete, ich sah wie ihr tausende Fragen auf der Zunge brannten. Aber etwas, was sie an mir sah, schien sie davon abzuhalten zu fragen.
Mario schien unsere Auseinandersetzung wieder gut machen zu wollen, denn er nahm das Tischgespräch in die Hand, sprach über München und wie Fabian und er in ihrer gemeinsamen Wohngemeinschaft klarkamen.
Natürlich sprachen seine Eltern auch das gestrige Spiel an, Mario wand sich sichtlich darüber zu reden und gab bloß wage Antworten.

Ich spürte wie er dabei immer wieder zu mir sah, so als hätte er Angst, dass ich ihn gleich vor seinen Eltern verraten würde, wie das Spiel wirklich für ihn gewesen war. Es enttäuschte mich irgendwie, dass er überhaupt auf den Gedanken kam, ich wäre zu so etwas im Stande. Selbst wenn er mich heute mit seiner abweisenden Art verärgert hatte, er hatte sich mir gestern anvertraut und das würde ich nicht vergessen.

Um mich auch mal am Gespräch zu beteiligen, erzählte ich, ohne die Details zu nennen, wie Mario und ich uns zufälligerweise in München getroffen hatten.
„Also gefällt es dir in München? Ist dein Vater eigentlich auch dahin gezogen?", fragte Astrid schließlich doch.
Ich verkrampfte mich. „Ähm, ja, München ist toll. Mein Vater...er...also, ja, er lebt auch in München." - „Oh, das ist ja...schön." Astrid wirkte überrascht, lächelte mich aber freundlich an. „Ja.", gelang mir mit Mühe ein zwanghaftes Lächeln. Marios aufmerksamer Blick auf mir entging mir nicht.

Als wir alle aufgegessen hatten, bat Astrid Mario, ihr beim Abräumen zu helfen, mir wurde klar, das sie gerne ein paar Worte unter vier Augen mit ihrem Sohn wechseln wollte, deswegen entschuldigte ich mich ins Bad. Ob sie wohl über mich redeten?

Ich sah in den Spiegel vor mir und fragte mich was und wie viel Leute wie Mario und Astrid in mir sahen. Ich wusste, was die Leute aus München in mir sahen. Sie sahen eine junge Frau, die schüchtern und zurückhaltend war, wahrscheinlich nicht gerade der freudigste Mensch auf Erden. Nicht weniger als das, aber auch nicht mehr.

Doch was sahen die Götzes in mir, die mich so lange gekannt hatten, bemerkten sie einen Unterschied?

Ich betrachtete mein Abbild und wusste nicht, ob ich wollte, dass sie sahen, was alle anderen auch sahen, oder ob ich mir insgeheim wünschte, jemand würde mich endlich mal richtig ansehen.

~

Mario wartete vor dem Bad auf mich. „Möchtest du mit mir ein wenig spazieren gehen?" Ich blinzelte ihn verwirrt an. „Und was ist mit deinen Eltern, die wollen doch sicher Zeit mit dir verbringen, wo du doch nicht mehr oft hier bist..." Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Glaub mir, wir besuchen uns öfters als du denkst und sie sind heute noch auf einen Geburtstag, außerdem hab ich dich hierher eingeladen, um ein wenig Zeit mit dir zu verbringen." Er sah mich aufmunternd an, also nickte ich. „Na schön."

So gingen wir nebeneinander her, beide gut eingepackt, denn schließlich war es Mitte November und der Winter war eingetroffen. „Es tut mir leid, dass ich mich heute Morgen so abweisend verhalten habe.", begann Mario das Gespräch. „ich...ich bin es einfach nicht gewöhnt mich so vor jemanden gehen lassen, wie ich es gestern bei dir getan habe.", zerknirscht fügte er hinzu: „Ehrlich gesagt, ist es mir immer noch peinlich."

Ich zuckte mit den Schultern. „Hab ich mir schon fast gedacht. Ich will jetzt nicht sagen, dass es mir heute nichts ausgemacht hat, aber ich verzeihe dir.", gab ich schließlich zu.

Maybe tomorrow (Mario Götze)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt