Kapitel 20: Die Wahrheit? (Teil 2)

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Ich höre wie einige Leute im Publikum entsetzt aufschreien, auch ein Schluchzen ist zu hören. Ich möchte eigentlich gar nicht zu ihnen herüber schauen, doch ich blicke zu Christoph und Marco und sehe wie angespannt sie da sitzen. Christoph beißt seine Zähne fest zusammen und ich sehe seine Halsschlagader deutlich hervorstechen. "Wenn er könnte, würde er IHN auf der Stelle erwürgen.", schnellt es mir durch den Kopf und ein leichtes, trotzdem trauriges Lächeln umspielt meine Lippen. "Was würde ich nur ohne ihn machen?" Marcos Blick ist eher traurig und nicht so überrascht wie der seines Sitznachbarn. "Er hat es sich schon gedacht..." Als die Menschen sich wieder beruhigt haben und ihr Gemurmel wieder abklingt schaue ich wieder zu Herr Bach und er nickt der Richterin zu, um ihr zu verdeutlichen, dass er gerne fortfahren würde.

"Wusste ER, dass du keinen Sex mit ihm haben möchtest?" "Ja."  "Also hat er dich dazu gezwungen?", wieder bejahe ich. "Gab es nur dieses eine Mal, oder gab es Wiederholungen dieser Tat?" Erinnerungen blitzen vor meinem inneren Auge auf und ich nicke mit dem Kopf. "Ja." Nicht sehr glücklich, aber trotzdem zufrieden wendet Herr Bach sich wieder ab und scheint kurz nachzudenken. Doch da unterbricht Herr Hoch ihn schon wieder. "Entschuldigen Sie euer Ehren, darf ich?" Die Richterin gewährt ihm seine Bitte und er kommt wieder auf mich zu. "Du sagst also, dass mein MANDANT dich zu Sex gezwungen hat. Und das dies noch weitere Male geschehen ist." Ich nicke, nicht sicher worauf er hinaus möchte. "Hat es dir gefallen?" Ich höre, wie die Menge scharf die Luft anzieht und auch ich Herrn Hoch etwas sprachlos anschaue. Sofort springt Herr Bach auf: "Euer Ehren, wenn ihr erlaub würde ich gerne mit Fragen an IHM weiter machen." Die Richterin schaut Herrn Hoch kurz streng an und gewährt meinem Anwalt seine Bitte, wodurch ich auf diese Frage nicht antworten muss. "Worauf wollte er mir dieser Frage raus?"

"SIE haben meine Mandantin also mehrmals zu Sex gezwungen, obwohl sie wussten, dass sie es nicht wollte. Dann frage ich SIE jetzt, was haben sie währenddessen gefühlt?" Überrascht von dieser Frage schaue ich auf und sehe, dass ER mich wieder anstarrt. Doch ich senke nicht meinen Kopf. "Drehen wir die Frage um, was fühlen sie denn, wenn sie Sex haben Herr Bach?" Ich sehe Verärgerung über die Züge meines Anwaltes huschen und hoffe, dass er sich durch IHN nicht zu sehr provozieren lässt. "Das tut ihr nichts zur Sache. Beantworten sie meine Frage." Wieder einmal schlägt ER seine Beine genüsslich übereinander und lässt seinen Blick durch den Saal gleiten. "Lust. Ich habe Lust gefühlt." "Das bedeutet also, SIE haben sich für ihre Tat nicht geschämt?", antwortet ihm Herr Bach gleich darauf. "Entschuldigen sie Herr Bach, aber sie haben mich gefragt, was ich währenddessen gefühlt habe. Und ich denke, Lust zu fühlen, ist nicht sonderbar." Diesmal sticht die Ader meines Anwaltes auf seiner Stirn deutlich hervor und ich bemerke, wie ein zufriedenes Lächeln über SEINE Lippen huscht. "Dann frage ich SIE noch einmal detaillierter. Haben SIE jemals die Tat bereut meine Mandantin zum Sex gezwungen zu haben, oder ähnliches in diesem Zusammenhang gefühlt?" Ich schaue IHM direkt in die Augen und ER erwidert meinen Blick mit derselben Eindringlichkeit. "Nein."

Ein zufriedenes Lächeln umspielt die Lippen meines Anwaltes, doch ich werde nachdenklich. "Warum leugnet ER es nicht? Ich weiß, dass ER ein eiskalter Mensch ist. Aber die anderen nicht. Würde ER sagen, dass es ihm Leid täte und ER es bereuen würde. Dann könnte das zu mildernden Umständen führen. Aber so wie ER jetzt im Moment auftritt, kann ER das kaum erwarten und das weiß ER auch. Was ist also SEIN Ziel?" Ich versuche aus IHM schlau zu werden, doch es gelingt mir einfach nicht. Genauso wie damals ist ER ein verschlossenes Buch für mich. "Vielleicht möchte ER mich auch noch ein letztes Mal demütigen." In diesem Moment nimmt Herr Bach seinen roten Faden wieder auf und befragt ihn weiter:

"Was ist in diesem Keller noch geschehen? Haben SIE sie nur vergewaltigt, oder ihr zum Beispiel auch weitere körperlichen Schmerzen zugeführt, wie zum Beispiel, dass SIE sie geschlagen haben." Wieder wird es Totenstill im Saal und die ganze Aufmerksamkeit liegt wieder auf IHM. "Ich habe sie einmal geschlagen, als ich sehr wütend auf sie war." "Warum waren SIE wütend?" "Dieses kleine unschuldige Mädchen dort drüben, hat mir eine Scherbe ins Bein gerammt. Sie können gerne die Narbe sehen." Ich merke wie ich rot anlaufe und nicht weiß was ich fühlen soll. "Ja ich habe ihn damals verletzt, aber das war doch Notwehr gewesen. Jetzt stellt er mich da, als wäre ich eine angriffslustige Verrückte." Herr Bach schaut mich erstaunt an und ich höre, wie diesmal Herr Hoch aufspringt. "Eurer Ehren, ich würde Nathalie Berger gerne zu diesem Vorfall befragen." Nachdenklich schaut mich die Richterin an und gewährt Herrn Hoch seufzend seine Bitte. "Sie weiß, dass es nur Notwehr war. Aber er benutzt das jetzt natürlich als Vorlage." Mürrisch stehe ich auf und begebe mich erneut zum Zeugenstand. "Wie oft, wird dieses hin und her heute noch gehen?"

Willkommen in meiner ganz persönlichen HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt