Kapitel 7: Ein Kleidungsstück voller Erinnerungen

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Ich liege in seinen Armen, mein Kopf an seine Brust gelehnt. Ich spüre wie sein Herz kräftig in seiner Brust schlägt und sein Brustkorb sich hebt und senkt. Wärme geht von ihm aus und mein ganzer Körper erfreut sich an ihr. Selbst meine eiskalten Hände fangen wieder zu leben an. Sein Atem streichelt über mein Haar und obwohl er ganz genau weiß, dass ich wach bin, akzeptiert er meine geschlossenen Augen. Ein innerer Frieden erfüllt mich und ich sauge all meine Energie, all die neue Kraft aus diesem Moment.

Ich liege in meinem Bett und drehe mich langsam auf die andere Seite, grelles Licht befällt meine Augen und ein Stöhnen entgleitet meinen Lippen. Verschlafen blinzel ich gegen die Sonne und heben dann doch schützend meine Hände. Es ist ein herrlicher Sommermorgen. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und es duftet nach frischen Blumen. „Blumen?“ Ich stemme mich mit beiden Armen nach oben und sehe auf dem mir gegenüber stehenden Tisch eine Vase mit wohlduftenden Blumen stehen. „Woher kommen die Blumen?“ Mein Blick gleitet weiter durch mein Krankenzimmer, doch ich finde ich keine Antwort auf meine Frage. „Von wem sind die Blumen?“

Immer noch etwas verunsichert schlage ich meine Decke zurück und stehe auf wackligen Beinen. Meiner Brust und dem Bein geht es schon viel besser und seit der Begegnung mit meinem Retter habe ich das Gefühl, dass sich einiges geändert hat. Ich gehe mit langsamen Schritten in das angrenzende Bad und bleibe erschöpft vor dem Waschbecken stehen. Meine Hände krallen sich an der Schale fest und ich versuche tief Luft zu holen, was die Schmerzen in meiner Brust zurück bringt. Ich presse meine Lippen fest zusammen und hebe meinen Kopf und werde von einem bleichen, heruntergekommenen Mädchen angeschaut. Meine Augen werden groß und ich begreife, dass dies mein Spiegelbild ist. Seit meiner Entführung habe ich mich nicht mehr so betrachtet und was ich jetzt sehe erschüttert mich zu tiefst. Ich presse die Hand vor meinem Mund und möchte am liebsten wegrennen. Doch ich tue es nicht. Ich bleibe stehen und starre mich an. So sah ich nun also aus: Meine Wangenknochen stechen sichtbar hervor und unter meinen Augen liegen tiefe Ränder. „Ich sehe aus wie eine Irre“, schießt es mir in den Kopf und ich senke beschämt wieder meinen Blick. „Ich bin noch nicht bereit mich damit auseinander zu setzen. Ich kann mir nicht anschauen was er aus mir gemacht hat. Ich kann es einfach nicht.“ Niedergeschlagen kehre ich dem Badezimmer wieder meinen Rücken zu und begebe mich in mein Bett zurück. Erschöpft vom langen Stehen und der Erkenntnis meines Spiegelbildes schließe ich die Augen und lausche den Vögeln.

Ich liege eine Weile so da, bis sich die Tür öffnet und Alexander herein kommt. Sofort verkrampft sich in mir alles und ich sehe nur noch seine grünen Augen. „Seitdem ich meinen Retter wiedergesehen habe, lasse ich keinen mehr an mich heran. Ihm vertraue ich, doch nicht mehr den anderen. Sie dürfen mir nicht zu nahe kommen, denn ich habe Angst vor ihnen und misstraue ihnen. Sie sollen mich in Ruhe lassen und mir meinen Retter geben.“ Mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht kommt Alexander auf mich zu und sagt: „Guten Morgen Nathalie. Wie geht es dir heute?“ Ich schaue ihn an und überlege, wie ich ihn am schnellsten wieder losbekomme. „Gut“, antworte ich gereizt. Überrascht von meiner kalten Antwort bleibt Alexander in einem größeren Abstand als sonst zu mir stehen und mustert mich eindringlich. „Das ist doch mal ein Fortschritt. Ich habe hier auch die neuen Aufnahmen von deinen Brüchen und muss sagen, dass sie sehr gut verheilen.“ Ich nehme dies mit einem Kopfnicken zur Kenntnis und wende mich dann wieder von ihm ab. Da fällt mein Blick zurück auf die Blumen. „Von wem sind die Blumen?“ Auch Alexanders Blick gleitet zu den Blumen und er schaut sie ebenfalls an. „Sie sind von deinen Großvater.“ Überrascht ziehe ich die Luft ein und lasse diese Antwort auf mich einwirken. „Von meinem Opa?“ Hektisch schaue ich Alexander an und er weicht einen weiteren Schritt zurück. „Nathalie ich wollte sowieso mit dir darüber reden, aber ich bin mir nicht sicher, ob du schon bereit dafür bist.“ Schon allein diese Worte lassen mich böses Erahnen und ich merke wie ich mich innerlich vor ihm verschließe. „Ich möchte es nicht hören, nein!“ Doch Alexander kann meine Gedanken nicht hören und deshalb fährt er fort: „Deine Eltern sind jetzt schon seit einer Weile hier und sie würden dich gerne einmal sehen. Bis jetzt ging es dir vom gesundheitlichem Zustand sehr schlecht, sodass ich  ihnen den Besuch verweigerte. Doch dir geht es mit jedem Tag besser und auch bei dem Mann gestern, Christoph, hattest du keine Probleme. Sie sind doch deine Eltern und ich bin mir sicher, dass du sie wieder sehen möchtest. Daher habe ich ihnen zugestanden, dass sie dich heute Mittag besuchen kommen dürfen.“

Willkommen in meiner ganz persönlichen HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt