Kapitel 4: Das Loch der Einsamkeit

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Ich liege nun schon seit Tagen in meinem Bett und fühle nichts. Es ist eine Leere die man nicht beschreiben kann. Immer wieder durchlebe ich jeden einzelnen Tag meiner Entführung. Jedes noch so kleine Detail kehrt in mein Gedächtnis zurück. Die Gefühle, die Gerüche, die Schreie. Einfach alles.

Nun sitze ich wieder da und mache nichts. Ich starre aus dem Fenster. Weder rede ich, noch esse ich. Sie haben mir eine Infusion gegeben und versuchen mit mir zu reden. Doch ich höre sie nicht. Ich bin in diesem Loch und finde keinen Weg heraus...

"Nathalie, bitte sprich mit mir." Sabrina schaut mir tief in die Augen und versucht mir so viel von ihrer Aufmerksamkeit zu schenken, wie sie nur kann. Seit Tagen schon versucht sie mich zum Reden zu bringen. Doch zur Antwort bekommt sie nur meine leeren Augen. Niedergeschlagen schaut sie auf ihre Uhr und bemerkt, dass sie schon wieder seit zwei Stunden versucht, irgendein Wort aus mir herauszubekommen. Doch ich schweige. Ein klopfen an der Tür lässt sie wieder aufblicken und Alexander kommt herein. "Guten Abend Nathalie, wie geht es dir denn heute?" Wie immer schaut er mich erwartungsvoll an, doch ich drehe meinen Kopf weg und mein leerer Blick gleitet zum Fenster zurück. Jedoch bemerke ich durchaus, dass sich die beiden besorgt anschauen und seufzen. "Alexander, kann ich bitte kurz mit ihnen sprechen?" Er nickt und die beiden gehen vor meine Tür. Jedoch lassen sie sie einen Spalt weit offen und ich nehme ihre Stimmen weiterhin war:

"Ich mache mir wirklich sorgen um Nathalie. Seitdem sie das erste Mal bei mir war, hat sie kein einziges Wort mehr gesagt. Ich dachte wirklich, dass sie mit mir reden möchte, da sie gleich am Anfang selber kam, aber jetzt... Alexander sie ist in eine schwere Depression geglitten und es wird immer schlimmer. Mit jedem weiteren Tag gibt sie sich mehr auf und ich kann das wirklich nicht länger mit ansehen."

"Ich weiß. Aber was sollen wir denn machen? Wir können sie nicht dazu zwingen mit uns zu reden! Mir gefällt es ja auch nicht. Mir wäre es wirklich lieber, sie wäre stocksauer und würde das Zimmer auseinander nehmen, als diese Abwesenheit. Wenn ich in ihre Augen schaue, sehe ich so viel Schmerz und Trauer. Was auch immer in diesem Keller passiert ist, es muss schrecklich gewesen sein. Ich war gestern bei ihrem Entführer gewesen, da er eine Behandlung brauchte. Und so viel ich weiß, schweigt auch er zu den Geschehnissen. Die Polizei versucht alles Mögliche, doch sie finden nichts raus. Sie haben auch bei ihm zu Hause alles untersucht, doch konnten nichts finden. Keiner außer den beiden weiß was in diesem Keller geschehen ist."

"Das ist schrecklich! Wir müssen uns schnell etwas einfallen lassen. Nathalie geht kaputt. Sie geht einfach nur kaputt.", bewegt bricht Sabrina ab und ich nehme ein Schluchzen war. Mit zittriger Stimme spricht sie jedoch weiter. "Ich überlege auch, ob wir nicht einfach ihre Eltern zu ihr schicken. Vielleicht lösen sie eine Reaktion bei ihr aus, wodurch wir wieder zu ihr durchkommen."

"Sabrina, das ist sehr riskant! Als wir das erste Mal von ihren Eltern gesprochen haben, wurde sie ganz panisch. Diese Idee müssen wir wirklich gut durchdenken. Aber ich muss jetzt los. Wir sehen uns nachher."

Mit schnellen Schritten entfernt sich Alexander von der Tür und Sabrina kommt wieder zurück. "Ob sie wissen, dass ich alles mitgehört habe?" Sie setzt sich wieder auf den Stuhl und beginnt in ihrer Zeitschrift zu lesen. Sie versucht nicht weiter mit mir zu reden, sondern einfach nur für mich da zu sein. Die ganze Zeit über nehme ich das rascheln der umschlagenden Seiten war, doch es wird immer später und schon bald vernehme ich ein leises und zartes schnarchen. Mein Kopf dreht sich wieder zurück und ich sehe, dass Sabrina eingeschlafen ist. Ihr Kopf ist ihr auf die Brust gesunken und die Zeitschrift liegt mittlerweile auf dem Boden. Ich schaue auf ihre Brust und nehme ihre gleichmäßigen Atemzüge war. Wie hypnotisiert starre ich darauf.

Mein Körper fängt an zu zittern und ich spüre wieder die Verzweiflung aus dem Keller. Ich möchte dagegen ankämpfen, doch ich spüre, dass ich keine Kraft mehr habe. Jede noch so kleine Situation könnte bei mir gerade einen Kurzschluss auslösen. Und wie auch schon im Keller denke ich an den Tod. Doch nicht an den natürlichen Tod, sondern an den von mir selbst herbei gerufenen. Und schon wie zuvor sehe ich in ihm nicht eine schlimme Tat, sondern eine Erlösung, die einzige Rettung. Und von der Erlösung komme ich wieder zum Erlöser. "Gibt es einen Gott? Gibt es wirklich einen Gott, dessen Sohn für uns starb? Was würde dieser Gott nur zu meiner Situation sagen? Würde er es verstehen?" Der Schmerz in mir wird unerträglich und meine Lippen formen sich zu einem stummen Schrei. Tränen fließen meine Wangen herunter und wie schon in der Nacht davor bricht alles aus mir heraus. Ich ziehe die Decke über meinen Kopf und suche flucht in der Dunkelheit. Suche Schutz vor den vermeintlichen Blicken der anderen. "Es tut schrecklich weh. Es ist ein Schmerz der sich nicht beschreiben lässt. Es ist mein Schmerz und meine Trauer. Niemand kann mir helfen. Keiner kann das verstehen!"

Draußen fängt es an zu regnen und schwere Tropfen zerschellen an dem Fenster. Ich ziehe die Decke wieder von meinem Kopf und sehe, dass Blitze durch die schwarze Nacht jagen und ich schaue ihnen sehnsüchtig hinterher. "Ein kurzes Aufleuchten bevor alles zu Ende ist." Ich denke an Feuer.

In dieser Nacht begann ich Pläne zu schmieden. Pläne die mich erlösen sollen. Endgültig!

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Ich versuche die nächsten Kapitel wieder länger zu machen, nur diesmal ist es mir einfach nicht gelungen...

Ich hoffe es gefällt euch trotzdem und ich freue mich wie immer über eure Kommentare und sonstiges :)

Liebe Grüße

black_rose_kiss

Willkommen in meiner ganz persönlichen HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt