Kapitel 9: Pläne, große Pläne

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Langsam wache ich auf. Doch ich lasse meine Augen geschlossen und versuche gleichmäßig weiter aus und ein zu Atmen. "Ob er wohl schon wieder da sitzt?" Ich habe Angst, dass spüre ich. Angst vor dem was als nächstes passiert. "Pläne, große Pläne...", immer wieder gehen diese drei Wörter durch meinen Kopf. Schließlich richte ich mich doch auf, aber er ist nicht da. Doch vor meiner Matratze steht wieder ein Teller mit etwas zu Essen darauf und meine Wasserflasche wurde aufgefüllt. Panisch wandern meine Augen durch den Raum. "Er war hier. Er war hier, als ich noch geschlafen habe und ich habe es nicht mitbekommen!" Die Angst die ich eben noch verspürt habe, wandelt sich um in Entsetzen. "Oh, Gott..", flüster ich. Ich schaue wieder auf den Teller, doch die Lust daran ist mir vergangen. "Er war hier. Er war hier... Immerhin weiß ich jetzt, dass er mir immer etwas zu essen bringt. Das heißt verhungern werde ich nicht. Doch der Gedanke allein, dass er hier war, als ich geschlafen habe und ich es nicht mitbekommen hat, macht mir große Angst. Warum habe ich es nicht gehört? Ich war in der Nacht, doch so oft aufgewacht, bei jedem noch so kleinem Geräusch. Doch das habe ich nicht mitbekommen? Vielleicht war ja etwas immer Essen? Nein, dann hätte ich die ganze Zeit ja durchgeschlafen. Aber gut. So muss ich ihn heute wenigstens nicht sehen. Den wie vielten Tag bin ich eigentlich schon hier? Der dritte oder schon der vierte? Ich bin mir gar nicht mehr ganz sicher. Meine Eltern suchen mich jetzt auf jeden Fall schon. Ob die Polizei überhaupt eine Chance hat mich zu finden? Schließlich war ich in einem Auto. Bin ich überhaupt noch in Frankfurt? Oder in einer ganz anderen Stadt?" Ich schaue raus, doch ich bin ja im Keller, daher sehe ich nur eine Wiese mit ein paar Sträuchern. Ich lehne mich zurück und schließe wieder die Augen. Wieder spüre ich wie seine Lippen meine berührten. Doch ich kann nicht ganz einordnen ob mir dieses Gefühl gefällt oder nicht. "Es war angenehm gar keine Frage, doch irgendwie auch, nicht. Gibt es nicht diese Geschichten wo sich das Mädchen in ihren Entführer verliebt? Pah, dass wird mir ganz bestimmt nicht passieren. Allein durch diesen Satz. Pläne, große Pläne. Nein. Er ist viel zu krank und abscheulich, als das ich irgendwelche Gefühle für ihn entwickeln werden. Außerdem ist da ja noch Marc. Ich bin endlich mit ihm zusammen gekommen und dann... Muss ich ausgerechnet entführt werden... Oh man..." Ich muss seufzen und schaue wieder auf den Teller herab. "Vielleicht sollte ich doch etwas essen. Wer weiß wie lange es hier schon steht. Und vielleicht lockt es auch noch Ratten an." Ich nehme den Teller auf meinen Schoß und fange an mit essen. Ganz langsam, natürlich. Und tatsächlich, als ich fertig bin, merke ich, dass ich satt bin. Doch was sollte ich jetzt tun? Ich schaue wieder durch den Raum, doch es ist immer noch dasselbe Bild, wie die Tage zuvor auch. Plötzlich werden meine Augen groß und ich schaue auf den Teller. "Er ist aus Porzellan. Wenn ich in kaputt mache, habe ich viele spitze Scherben..." Ich schaue auf meine Ketten herab, aber erkenne sofort, dass ich sie nicht mit den Scherben durchschneiden kann. "Ok dass funktioniert nicht. Aber vielleicht sollte ich den Teller trotzdem kaputt machen und eine Scherbe unter der Matratze verstecken. Für einen Notfall. Doch was war dieser Notfall? Der Notfall das ich ihn verletzen muss? Ihn sogar töten muss? Oder gar mich selber?", bei diesem Gedanken schauder ich und schaue mir wieder den Teller an. "Wäre ich dazu wirklich in der Lage? Ja... Wahrscheinlich. Menschen machen aus ihrer Angst heraus oft dumme Sachen. Jetzt hätte ich nicht den Mut dafür, doch wenn er mir wirklich zu nahe kommt. Wenn er mir wirklich weh tut. Was ist dann? Wie unberechenbar kann ich da werden?" Mein Entschluss steht fest und ich knalle den Teller auf den Boden. Sofort zerspringt er in hunderten von Stücken, doch auch ein paar große sind dabei. Ich schaue mir verschiedene an und entschließe mich dann doch für eine. Ich hebe die Matratze dort an, wo meine Ketten in die Wand eingehen und verstecke den scharfen Splitter darunter. "Er wird sehen, dass ich den Teller zerbrochen habe. Doch wird er sich denken können, dass ich mir eine Scherbe aufgehoben und versteckt habe? Wird er danach suchen? Oder wird er nur die Scherben sehen und sich seinen Teil denken? Ja, was könnte er sich den denken? Vielleicht muss ich die Sache einfach anders angehen? Ich könnte mir eine Scherbe nehmen und so tun, als wollte ich mir die Adern aufschlitzen. Wenn ich ihn auf diese Fährte locke, wird er an die andere vielleicht gar nicht denken. Ich muss es jetzt einfach mal hoffen." Also schaue ich mir wieder den Scherbenhaufen an und entscheide mich dann für eine ebenfalls große Scherbe. Ich nehme sie in die Hand und... "Tja und nun? Ich kann mir doch nicht wirklich die Adern aufschlitzen.. Oh Gott, was habe ich nur getan? Auf was für eine dumme und bescheuerte Idee, bin ich da nur gekommen?" Panisch schaue ich mich im Raum um, als genau in diesem Moment die Tür aufgeht. Ich schaue wieder auf die Scherbe in meiner Hand und dann wieder nach oben...

Er macht gerade die Tür wieder zu, als er abrupt stehen bleibt. Seine Augen werden groß. "Oh Gott... was hab ich nur getan?!" Er hebt die Hände und versucht langsam auf mich einzureden: "Lass die Scherbe fallen. Das bringt doch gar nichts. Ich möchte dich doch nicht töten oder so. Wirklich, du musst mir glauben. Nur bitte leg die Scherbe weg..." "Perfekt, dass ich genau das, was ich mir erhofft hatte." Vorsichtig lasse ich die Scherbe sinken, behalte sie aber weiterhin in meiner Hand. Er kommt betont langsam auf mich zu und kniet sich vor mich hin. Er streckt die Hand nach der Scherbe aus, doch ich ziehe sie weg. "Bitte. Gib sie mir.", er schaut mir eindringlich in die Augen. Ich merke, wie ich innerlich triumphiere und meinen Sieg feier. "Perfekt!" Ich lasse ihn nicht aus den Augen, aber strecke langsam meine Hand zu seiner hin aus. Erleichtert nimmt er mir die Scherbe aus der Hand und sammelt behutsam den Rest auf. Als er alle Scherben hat steht er auf und bringt sie zum Tisch, aus meiner Reichweite. Schnell wende ich das Gesicht ab, damit er mein lächeln nicht sieht. "Ich habe es tatsächlich geschafft...“, denke ich erleichtert. Doch schnell setze ich wieder meine Maske auf und tue so, als wäre ich verwirrt. Er dreht sich wieder um und ich denke schon, er wolle sanft weiter reden, als ich seine Wut in seinen Augen sehe. In diesem Moment läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Und wieder dieser Gedanke: "Was habe ich nur getan?" Langsam kommt er auf mich zu, doch ich versuche von ihm weg zudrücken. Ich presse mich gegen die Wand und denke an die Scherbe unter meiner Matratze. Doch wenn ich sie jetzt einsetzten würde, wäre er nicht so überrascht, als wenn ich es später mache. Zu einem anderen Zeitpunkt. "Doch wann ist dieser andere Zeitpunkt? Und wird es ihn überhaupt geben?" Er kniet sich wieder vor mich hin und schaut mir direkt in die Augen. Das einzige was ich in ihnen sehen kann, ist unermessliche Wut. Ich habe ihn herausgefordert und das hätte ich nicht gedurft. Ich versuche zu schlucken, doch meine Kehle ist wie zugeschnürt. "Was macht er jetzt?" und zu Antwort holt er aus und knallt mir eine. Ich merke wie mein Kopf gegen die Wand stößt und ein feuriger Schmerz auf meiner Wange aufkommt. Es dreht sich alles und mir ist schwindelig. "Was habe ich nur getan..." Ich schmecke Blut in meinem Mund und merke, dass ich mich durch die Ohrfeige auf die Wange gebissen habe. Benommen hebe ich wieder den Kopf und sehe gerade noch, dass er dabei ist, ein weiteres Mal auszuholen...

Willkommen in meiner ganz persönlichen HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt