Kapitel 20: Die guten alten Zeiten

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Gemeinsam gehen wir in das Haus hinein und ich bin einfach nur überwältigt. Es ist wirklich sehr groß, hell und absolut modern. "Ich wusste ja, dass er Anwalt ist, aber dass er so erfolgreich ist, um sich so etwas zu leisten?" Ich schaue mir ein Zimmer nach dem anderen an und bin hin und weg. Was die Gestaltung von unserem zu Hause angeht, hatten wir schon immer den gleichen Geschmack. "Und was sagst du zu meinem Haus?", mein Bruder sieht mich mit seinem verschmitzten Lächeln an und ich überlege, wie viele Frauen er mit diesem Lächeln wohl schon rumbekommen hat. "Ganz klar, wahrscheinlich tausende.“ "Es ist Großartig! Und das weißt du ganz genau! Es ist hell, großzügig geschnitten und auf dem neusten Stand. Ich muss schon zugeben, dass ich sehr begeistert bin und das niemals erwartet hätte. Da kann ich mit meinem schönen Apartment in München nicht her hallten.", setze ich augenzwinkernd hinzu und mache es mir auf seinem Sofa bequem. Mit einem erfreuten lachen gesellt er sich zu mir und wir schauen uns lange an.

"Wie lange ich ihn nicht mehr gesehen habe.", denke ich. "Er ist wirklich attraktiv geworden und anscheinend sehr erfolgreich. Wir haben definitiv sehr viel aufzuholen." Mit einem seufzen lehnt er sich zurück und hält dann doch inne. Er schaut mich an und legt letztendlich seinen Kopf in meinen Schoß. "So wie früher", murmel ich und er gibt einen leisen Ton von sich, denn ich als Bejahung deute. Er räuspert sich und fängt an zu sprechen: "Wir haben uns sehr lange nicht mehr gesehen. Es ist seitdem sehr viel passiert." Ich nicke und gebe ihm noch ein "Ja" zur Antwort. "Möchtest du mir von Philipp erzählen?" Ein Kloß bildet sich in meinem Hals und mein Herz ist wieder kurz davor auseinander zu springen. "Du hast noch nie lange um den heißen Brei rumgeredet. Das hat sich all die Jahre wohl nicht verändert." Mein Bruder gibt ein Lachen von sich und ich merke, dass ich mich wirklich freue bei ihm zu sein. "Ich fühle mich wohl bei ihm und egal was damals passiert ist, er ist mein Bruder und ich vertraue ihm." "Wir haben uns bei meiner Arbeit kennengelernt. Ich bin arbeite jetzt als Eventmanagerin und er bei der Firma für die ich das Event veranstalten sollte. Wir Arbeiten oft bis spät in die Nacht und verbrachten sehr viel Zeit miteinander. Irgendwann kamen wir uns dann schließlich näher und wir wurden ein Paar.", ich unterbreche und bin mir nicht sicher wie ich weiter fahren soll. "Es tut weh darüber zu reden...", Tränen laufen meine Wangen herunter und fallen auf die Wange meines Bruders. Sofort richtet er sich auf und nimmt mich in seine starken, durchtrainierten Arme. "Hey, Nicole. Es tut mir leid. Ich weiß, dass es sehr schmerzhaft für dich sein muss. Ich wollte dich nicht noch weiter verletzen." Dankbar kuschel ich mich in seine Arme und freue mich einfach über seine Nähe und Zuneigung.

Irgendwann habe ich fertig geweint und merke, dass ich großen Hunger habe. "Wollen wir vielleicht etwas kochen?", überrascht von meinem Themawechsel hält er kurz inne, doch sieht er mich an und nickt. "Natürlich. So wie in den guten alten Zeiten?" Ich erwidere seinen Blick und merke wie es mir warm ums Herz wird. "So wie in den guten alten Zeiten." Wir stehen auf und gehen in die Küche um unsere Lieblingsspeise von früher zu Kochen: Spaghetti Bolognese mit Hühnchen. Schweigsam bereiten wir alles vor, doch es ist nicht so, als wäre es unangenehm. Es ist nur jeder in seinen eigenen Gedanken verloren und bereitet in Ruhe seinen Teil, der Speise vor. "Es war die richtige Entscheidung hierher zu kommen. Wir verstehen uns blind und er weiß genau, wie er mich wieder zum Lachen bringen kann." Zufrieden erledigen wir unsere Arbeit und lassen es uns erst einmal schmecken.

"Ich bin so satt!", mit einem plumpsen lasse ich mich wieder auf das Sofa fallen und strecke alle Viere von mir. Mit einem Lachen kommt mir mein Bruder hinter her und lässt sich auf mich fallen. Ich schreie ein klein wenig auf, doch lache ich eher, als das ich ihm böse wäre. "Du bringst mich noch dazu, mich zu übergeben, wenn du nicht aufpasst!" "So wie damals, bei Familie Rainer?" Wir beiden schauen uns an und brechen in schallendes Gelächter aus. "Oh, erinnere mich bitte nicht daran! Ich habe ihr ganzes Wohnzimmer mit meinem Mittagessen ruiniert!" Irgendwann beruhigen wir uns wieder und beobachten beide den Sternenhimmel draußen. "Wir zogen nach ungefähr einem Jahr zusammen und nach fünf Jahren machte er mir den Antrag." Leise erzähle ich weiter und merke, dass mein Bruder jedem noch so kleinem Wort seine höchste Aufmerksamkeit schenkt. "Ich war sehr glücklich und war mir auch hundertprozentig sicher, dass er der Richtige sein. Vor dem Altar ließ er mich dann stehen und mein Herz zerbrach in tausenden von winzigen Splittern." Lange Zeit sagt keiner von uns beiden ein Wort, doch schließlich schaut mir mein Bruder tief in die Augen. "Nicole, du weißt wie leid mir das für dich tut. Und welchen Schmerz ich dabei fühle, wenn ich das höre." Ich streichel ihm sachte durch sein Haar und seufze. "Ich weiß..." Traurig sieht er mich an und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Dankbar für seine Zuneigung schließe ich ihn in meine Arme und wir bleiben gemeinsam so liegen, bis mir ein gähnen nach dem anderen kommt. "Du solltest schlafen, Schwesterchen. Die Fahrt hierher war sicherlich anstrengend und morgen ist ja auch noch ein Tag." Dankbar wünsche ich ihm eine gute Nacht und falle vollkommen erschöpft in mein Bett.

Ich schlafe sehr gut, bis ich in der Nacht von einem Geräusch geweckt werde. "Ist gerade eine Tür zugeknallt? Ich lausche noch ein paar Minuten und höre wie sich erneut eine Tür öffnet und wieder schließt. Unruhig setzte ich mich auf und möchte schon, dass Licht anmachen, als ich höre wie mein Bruder an meiner Tür vorbei geht. "Warum ist er so spät nachts noch wach und draußen?" Ich schaue auf die Uhr und erkenne, dass es drei Uhr nachts ist. "Das passt doch gar nicht zu ihm. Naja, ich werde ihn morgen früh darauf ansprechen, jetzt bin ich zu müde dafür." Ich lege mich wieder zurück in mein Kissen und schließe die Augen, um im nächsten Moment schon wieder im Land meiner Träume zu versinken.

Ich träume, wie jede Nacht, von Philipp und drehe mich unruhig von einer auf die andere Seite…

Willkommen in meiner ganz persönlichen HölleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt