Takt 3 - Ernste Gespräche

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Mo, 24.06.2015

16:37

Ich saß mit dem Rücken zur Wand auf meinem Bett und blätterte in einer Zeitschrift. Doch meine Gedanken kreisten nicht um die Artikel, die einem darin ins Auge sprangen. Sean lag neben mir und hatte einen Arm um mich gelegt. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und gab mich einen Moment meiner Fantasie hin...

"An was denkst du gerade?"

Ich sah von meiner Zeitschrift auf und schenkte ihm eine verspieltes Lächeln.

"An dich..."

Die Nähe seines Körpers drang tief bis in meine Nervenbahnen vor. Wie ein Gift, welches sich rasendschnell verbreitete. Er beugte sich über mich und gab mir einen sanften Kuss. Dabei wanderten seine Finger den Reißverschluss meiner Hose hinab...

"Was liest du da eigentlich?"

riss mich Sean aus meiner Vorstellung und nahm mir die Lektüre aus der Hand.

"Mh. Wissenschaft. Sehr erotisch."

meinte er sarkastisch, nachdem er eine Weile in dem Heft geblättert hatte. Ich wusste zunächst nicht, worauf er damit anspielte, bis ich an mir hinunter blickte. Sofort schoss mir das Blut in den Kopf. Aus einer Übersprungshandlung heraus rutschte ich ein Stück von Sean weg, doch ihm schien die Sache nicht halb so unangenehm zu sein, wie mir.

"Hey, ist doch nicht so wild."

lachte er und gab mir die Zeitschrift zurück. Dann bewegte er sich in Richtung Tür.

"Wo gehst du hin?"

fragte ich fast ein bisschen zu hastig. Sean blieb einen Moment im Türrahmen stehen, ehe er sich zu mir umdrehte.

"Ich dachte, du willst vielleicht..."

Er räusperte sich.

"...ein bisschen Zeit für dich haben. Ich bin in der Küche."

Er deutete mit dem Daumen hinter sich, dann wandte er sich ab und verschwand im Flur. Ich sah ihm nach. Es dauerte eine Weile, bis meine Körper eine bewusste Reaktion zuließ. Mit einer weiten Jogginghose unter dem Arm verschwand ich im angrenzenden Badezimmer und stelle mich unter die kalte Dusche, um der ungewollten Erektion entgegen zu wirken. Nachdem ich mich wieder angezogen hatte, schlurfte ich auf Socken den Flur bis zur Küche entlang und lehnte mich gegen den Türrahmen. Er blickte im gleichen Moment zu mir auf wie meine Mutter, die Sean gegenüber am Küchentisch saß. Sie sah mich an, als hätte Sean ihr soeben erzählt, auf welchen Abwegen sich ihr Sohn befand.

"Hallo Schätzchen. Setzt du dich kurz zu uns?"

Sie legte eine Handfläche auf den freien Stuhl neben sich. Ihre Stimme klang seltsam rau, als hätte sie etwas getrunken. Ich zögerte. Sean hatte den Blick wieder von mir abgewandt. Sein Gesicht war halb hinter den Händen verschwunden, welcher er auf dem Tisch gefaltet hatte, als würde er beten. Ich fragte nicht, sondern nahm einfach neben Sean platz. Er atmete laut aus und legte mir eine kühle Hand in den Nacken. Sofort bekam ich eine Gänsehaut an der Stelle, wo seine Finger mich berührten. Ich bekam nur den ersten Satz meiner Mutter bei klarem Verstand mit. Der Rest sickerte nur schwerlich zu mir hindurch, wie ein Radiosender bei schlechtem Empfang. Die Kernaussage bestand wohl darin, dass mein Vater eine neue Frau kennen gelernt hatte, bei der er seit kurzem wohnte. Ich hatte immer eine sehr gute Beziehung zu meinen Eltern gehabt. Vielleicht war dies auch der Grund, warum meine Reaktion darauf auf so emotionale Weise aus mir heraus brach. Ich hatte meine Mutter unter Tränen angeschrien, sie sei schuld, dass Dad uns verlassen hatte. Dabei war ich so hastig von meinem Platz aufgesprungen, dass der Stuhl nach hinten kippte und mit einem lauten Geräusch auf dem Küchenboden ausschlug. Sean war die ganze Zeit über still geblieben. Als ich mich schließlich in mein Zimmer flüchtete und mich dort meinen Gefühlen hingab, hatte er neben mir gekniet, war mit seiner Hand durch mein Haar gestrichen und hatte mich in seinen Armen zur Ruhe kommen lassen. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich in seinen Armen ausweinte. Bei ihm musste ich meine Gefühle nicht verstecken, und doch gab es eins, über welches wir nie offen miteinander geredet hatten. Das Gefühl, mehr zu sein, als bloß Freunde. Sean war der erst Mensch gewesen, dem ich damals von meinen "warmen Gedanken" erzählt hatte. Das sich diese vor allem auf ihn bezogen, erwähnte ich nicht. Zu groß war meine Angst, ihn zu verlieren. Und als er dann Reeva kennenlernte, erstarb in mir jegliche Hoffnung, jemals mehr für ihn zu sein, als nur ein Freund. Und dann kam Keenan in unsere Klasse. Er hat maßgeblich alles durcheinander gebracht. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass Sean derjenige sein würde, mit dem ich meine ersten sexuellen Erfahrungen teilte, doch Keen hatte mich vom ersten Moment an für sich beansprucht. Meine Beziehung zu ihm war ganz anders als die zu Sean. Wir führten eine rein körperliche Freundschaft, weshalb ich seine ständigen Eifersüchteleien kaum nachvollziehen konnte. Das alles ging mir durch den Kopf, als ich hier so nah bei Sean lag, dass man kein Blatt hätte zwischen uns schieben können und hoffte, es möge niemals Tag werden.






We friends (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt