Takt 30 - It's forbidden to cry

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Koda

Dienstag, 01.07.2015

21:03 Uhr, Elbufer

Ein schmaler roter Streifen war das Letzte, was von der Sonne übrig geblieben war. Und auch er verschwand alsbald unter des Himmels Nachtgarderobe. Ich konnte Sonnenuntergängen noch nie etwas Schönes abringen. Waren sie doch eher Zeichen eines Todeskampfes, der niemals gewonnen wurde. Die weißen Rauchwolken des Zigarettenqualms wurden vom Wind über den Fluss hinaus getragen wie die Gedanken, welchen der am Ufer Stehende nachsinnte. Kein Geräusch, nur meine Schritte auf dem kiesigen Untergrund, durchbrach die Stille, welche den Anschein erweckte, als käme sie direkt aus seinem Inneren.

"Möchtest du einen Zug?"

fragte er bedächtig, den Blick auf die Lichterfront der Stadt gerichtet. Ich schüttelte den Kopf und er schlug den Blick zu Boden.

"Ich würde es dir auch nicht raten wollen. Es schmeckt furchtbar."

Es war so ein Satz, an dessen Ende man den Zuhörer mit einem verschmitzten Lächeln anblickte und stumm um dessen Bestätigung warb. Doch Tom lächelte nicht, und er blickte mich auch nicht an. Lange Zeit standen wir dort am Ufer ohne ein Wort zu verlieren. Es brauchte keine weiteren Fragen. Tom wusste um mein Anliegen und darum, was in mir vorging. Schließlich ließ er den Glimmstängel zu Boden fallen und trat die Glut aus.

"Ich weiß, was du denkst, doch du irrst dich, Koda. Glaubst du etwa, ich würde es zulassen, dass sich jemand an meinem Bruder vergreift?"

Er klang nicht wütend, doch der stechende Ausdruck in seinen Augen ließ mich unweigerlich den Blick niederschlagen.

"Nein."

antwortete ich zaghaft. Tom nickte geistesabwesend und zündete sich eine zweite Zigarette an. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Hätte ich gewusst, wie sehr Tom zu diesem Zeitpunkt schon um Fassung rang, meine Frage wäre sicher nicht so plump ausgefallen.

"Tom, was hat Add für ein Problem mit Wasser?"

Keine Reaktion. Er sah mich nicht einmal an. Und es war zu dunkel, als das ich den glitzernden Schleier in seinen Augen hätte erkennen können.

"Tom! Was ist nur los mit dir? Rede mit mir, verdammt!"

"Was mit mir los ist? Ich muss mit ansehen, wie mein Bruder langsam aber sicher an seinen Dämonen zerbricht. Und du hast nichts besseres zu tun, als deinen Finger immer tiefer in die Wunde zu bohren. Ich hab dir gesagt, du solltst dich da raus halten! Ist das denn wirklich so schwierig?"

brüllte er mich an, nur um kurz darauf in ein unterdrücktes Schluchzen auszubrechen. Ich zuckte erschrocken zusammen. Gerade bei Tom, dem Jungen, der niemals das Gesicht verlor, kam dieser plötzliche Gefühlsausbruch völlig unerwartet. Aus einem Reflex heraus legte ich meine Arme um seine Schultern und versuchte etwas unbeholfen, ihn zu beruhigen. Es war ein seltsames Gefühl, ihn einmal so in den Arm zu nehmen, da sich unser körperlicher Kontakt sonst auf nicht mehr als einen Handschlag begrenzte.

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"Tut mir leid, ich wollte dich nicht anschreien."

entschuldigte er sich bei mir, kaum, dass seine Tränen getrocknet waren.

"Schon okay. Es tut gut, seinen Gefühlen mal freien Lauf zu lassen, hab ich recht? Solltest du vielleicht öfter versuchen."

Ein schmales Lächeln huschte über seine Lippen.

We friends (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt