Kapitel 6

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Seit Tagen hatte ich nichts mehr von dem schwarzhaarigen Schotten gehört. Ob er mich schon ganz vergessen hatte? Vielleicht lag er ja selbst im Krankenhaus. Die Schlägerei letztens sei nicht so glimpflich ausgegangen, erzählte mir meine Mutter heute am Frühstückstisch. Es war zehn Uhr, und ich saß immer noch alleine am Tisch. Meine Mum machte sich um neun auf den Weg zur Arbeit. Sie hatte ihren Chef davon überzeugen können, hier in der Stadt weiterzuarbeiten, nicht mehr ins Ausland zu fliegen, oder weiteres, was sie wieder von mir trennen könnte. Das ganze Geschirr hatte ich abgewaschen, die Sachen einfach irgendwo in die Schränke gestellt, wo sie hinpassten und gut aussahen. Auf einmal klingelte es an der Tür. Ohne mir weitere Gedanken zu machen, öffnete ich diese, und fand einen kaputten Jungen vor mir. Überall waren noch Blutflecken zu sehen, die heilten. Pflaster, Verbände, sogar Krücken. "H-hallo, k-kann ich Ihnen h-helfen?", fragte ich mit großen Augen und musterte den armen Jungen weiter. Er war vielleicht in meinem Alter, wenn, nicht sogar älter. "Du erinnerst mich bestimmt nicht an mich, aber ich musste einfach herkommen, Luke." Sofort ließ ich den verletzten Jungen herein, half ihm, sich aufs Sofa zu setzten und sah ihn besorgt an. "Kann ich dir was bringen?", fragte ich sofort. Wenn ich die Sachen in der Küche zuordnen und finden konnte. "Nein, danke, bleib einfach hier.", sagte er mit einem traurigen Unterton. Vorsichtig nickte ich, setzte mich vor ihm auf den Sessel und sah ihm in seine grüne Augen. "Ich weiß, dass du dich an nichts erinnern kannst und es tut mir verdammt leid, wenn ich dich hier so überrumple. Es ist verdammt wichtig, und Calum hat mich die ganze Zeit versucht aufzuhalten.", sprach seine warme, dunkle Stimme, in die ich mich direkt verliebte. Naja, was hieß verlieben? "Erzähl nur.", sprach ich leise, damit ich auch ja nichts überhörte. Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht, doch er ließ es sofort wieder verschwinden, als seine Schmerzen größer wurden. Ich würde ihm eine Tablette anbieten, wenn ich wüsste, wo sie waren. "Vertrau Calum nicht.", fing der Blonde an. Unsere Augen trafen sich. "Wieso? Wir sind ein Paar.", erzählte ich ihm ruhig. Er lachte nur sarkastisch, sah mich dann wieder an. "Glaub mir, er lügt." Seine Miene wurde abrupt ernst. "Wieso sollte er?", fragte ich etwas bissig zurück. Ich liebte Calum. Zumindest fühlte ich mich in seiner Gegenwart besser, sicherer. "Das kann ich dir nicht sagen.", hauchte er und senkte seinen Blick. Auf einmal nahm er mit aller Kraft meine Hand. "Luke, vertrau mir. Es ist schwer, wenn du mich nicht erkennst, ich weiß, aber, glaub mir." Sofort zog ich meine Hand zurück und schluckte. Was war das für ein Gefühl in meinem Magen? Was war das für ein Bild, welches für wenige Sekunden vor meinem inneren Auge auftauchte? Ich blinzelte verwirrt und wendete den Blick ab. "Es wäre besser, wenn du gehst.", sprach ich etwas rau zu ihm und stand auf, um ihm zu helfen. Ich mochte es nicht, wenn jemand etwas gegen Calum sagt. Er war alles, was ich wollte, alles, was ich hatte. "Luke, bitte.", flehte er nahezu, bis wir an der offenen Tür standen. "Tut mir leid, aber vielleicht verwechselst du mich.", versuchte ich es vorsichtig. Er tat mir schon leid. "Vielleicht können wir uns später wiedersehen. Aber zuerst muss ich mit Calum darüber reden.", sagte ich ernst und sah dem armen Jungen hinterher, wie er aus der Tür humpelte. "Wie du meinst. Ah ja, ich hab es fast vergessen. Mein Name ist Michael Clifford."


Amnesia {Cake/Muke ff} ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt