03. Confusion

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Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als ich ihn erblickte. Das durfte nicht wahr sein! Jemand mit solch einer Stimme konnte nie und nimmer diesen schrecklichen Charakter besitzen - oder umgekehrt.

Das Allerschlimmste daran war jedoch, dass seine Stimme mein Herz berührte. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich denken sollte, und zu allem Überfluss beendete er den Song und schaute mich mit seinen ausdrucksstarken, blauen Augen an. Dieser Blick bescherte mir eine Gänsehaut.

„Hi, Bel, jetzt sehen wir uns schon zum vierten Mal", sagte er und grinste unverschämt drein.

„Hi, Niall." Es war das erste Mal, dass ich ihn mit seinem Namen ansprach.

Dann entstand eine merkwürdige Stille, die Gott sei Dank durch Anne unterbrochen wurde. „Ich hole mal schnell den Tee aus der Küche, sonst wird er zu stark." Mit diesen Worten verließ sie den Raum.

„Je stärker, desto besser", rief Niall ihr hinterher.

Da ich immer noch wie angewurzelt im Zimmer stand, sagte Niall in einem freundlichen Tonfall, den ich gar nicht von ihm gewöhnt war: „Du kannst dich ruhig setzen, ich beiße nicht."

Ich war immer noch total geschockt und kam seiner Aufforderung nach, ohne ein Wort zu sagen. Allerdings nahm ich am anderen Ende des Tisches meinen Platz ein, weit weg von ihm. Glücklicherweise erschien Ann kurz darauf mit der Teekanne in ihrer Hand und wir brauchten uns nicht weiter zu unterhalten. Nachdem sie jedem von uns eine Tasse eingeschenkt hatte, trank Niall davon und sagte genießerisch: „Das ist echt der beste Tee, den es gibt, Ginger und Lemon von Twinings."

Auch das noch! Wir standen auf die gleiche Teesorte! Dieser Tag wurde immer verrückter und zu allem Überfluss stimmte ich ihm auch noch zu.

„Mir schmeckt dieser Tee auch am besten von allen", sagte ich, ohne darüber nachzudenken. Ich wollte doch nicht wirklich ein Gespräch mit diesem Idioten beginnen?!

Zum Glück plapperte Ann munter drauf los, gesprächig wie die Iren nun mal waren. Sie fragte ihn, wie lange er in Mullingar bleiben würde, und wann endlich das neue Album herauskommen würde.

Neues Album? Hatte ich irgendwas verpasst? Langsam kam es mir so vor und ich erinnerte mich wieder daran, dass er mir irgendwie bekannt vorkam. Also holte ich heimlich mein Handy aus der Hosentasche meiner Jeans hervor und begann den Namen „Niall" in Google einzutippen. Sogleich erschien „Niall Horan" und ich klickte drauf. Genau das war sein Nachname gewesen, ich konnte mich daran erinnern, dass Darragh ihn so genannt hatte, als wir vom Flughafen in dieses Kaff gefahren waren.

Die Seite im Internet öffnete sich und ich starrte zunächst auf die Fotos, die man anschauen konnte. Das war eindeutig er. Als ich weiter nach unten scrollte, fielen mir allerdings beinahe die Augen aus dem Kopf.

Niall Horan, Sänger der Band One Direction, geboren in Mullingar, Irland, 19 Jahre alt und Single. Derzeitiger Wohnort: London. One Direction, das war diese Band, auf die die meisten Mädels in meiner Jahrgangsstufe abfuhren. Über die Hälfte von ihnen hatte das Konzert in München besucht, das tagelang Gesprächsthema Nummer eins war. Nun wusste ich Bescheid.

Er war also ein Superstar. Das erklärte einiges aber nicht alles.

„Ganz ruhig atmen, Bel", sprach ich mir in Gedanken Mut zu. „Der kocht auch nur mit Wasser".

Ich atmete tief durch und dann stellte ich meine Frage an ihn. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du Sänger in einer Boy Band bist?"

Niall antwortete wie aus der Pistole geschossen: „Weil du mich nicht danach gefragt hast. Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass du wusstest wer ich bin."

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