26. Jonas

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„Soll ich noch etwas mitkommen?", fragte ich und betrachtete Alexa, die gerade ihr Fahrrad von dem Schloss, mit dem es am Fahrradständer angekettet war, zu befreien versuchte. „Wenn du magst.", entgegnete sie und ich meinte einen Anflug von Dankbarkeit in ihrer Stimme erkennen zu können. „Muss eh schieben." Ich nickte. „Kein Problem. Lass dich doch nicht allein nachts dein Fahrrad durch Berlin schieben.", meinte ich freundlich, während ich mich für einen Moment auf mein Board gesetzt hatte und auf Alexa wartete, die sich sichtlich etwas schwer tat an das Schloss ranzukommen, da nicht gerade viel Platz zwischen den Fahrrädern herrschte. Letztlich gelang es ihr jedoch. „Das ist in der Tat immer etwas unangenehmer. Also nachts das Fahrrad irgendwo rumzuschieben", kam es von ihr, „Da fühlt man sich doch ein wenig ausgeliefert." Ein kurzes Klacken war zu vernehmen, dann richtete sich Alexa, die sich zuvor noch über ihr Fahrrad gebeugt hatte, wieder auf mit dem Schloss in der Hand, das sie unter dem Fahrradsattel am Rahmen befestigte. „Kann ich voll und ganz nachvollziehen.", meinte ich.

Ich erhob mich wieder, nahm mein Board und ging zu Alexa. „Sicher, dass du mich begleiten willst? Die Strecke ist nicht gerade kurz." Ich winkte ab: „Macht mir nix. Zur Not nehm ich mir später n Taxi heim." Ein kurzes Lächeln huschte über Alexas Lippen, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte und ich ihr folgte.

„Wie ist das eigentlich mit deiner Ex? Seid ihr im Streit auseinander gegangen? Ich mein, weil du sie ja offensichtlich nicht sehen wolltest.", kam es nach ein paar Schritten von ihr, wobei sie einen kurzen Blick in meine Richtung warf. Ich hatte mittlerweile aufgeschlossen und lief nebenher. Ein Seufzen beim Gedanken an Ina konnte ich mir trotzdem nicht verkneifen. „Naja... Eigentlich nicht. Eigentlich sind wir sogar einvernehmlich und ohne groß Aufruhe auseinander gegangen, aber naja ... irgendwie ist da trotzdem noch was offen. Weiß nicht.", versuchte ich irgendwie auszudrücken, was seit so langer Zeit unbesprochen zwischen mir und Ina in der Luft schwebte. „Liebst du sie denn noch?", kam es prompt von Alexa, wobei sie mich und meine Reaktion dieses Mal für einen Moment zu musterte. Trotzdem schien in ihrer Stimme keines Wegs eine Vorwurf oder dergleichen zu liegen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Liebe ist da nicht mehr, aber trotzdem fühlt es sich so an als wäre da noch irgendwas über das man einmal reden sollte. Normalerweise, wenn man einvernehmlich auseinander geht, sollte da ja nichts mehr sein. Es sollte kein Problem darstellen, wenn man sich mal zufällig trifft, aber bei ihr ... keine Ahnung. Ehrlich gesagt war ich echt froh, als sie von Berlin weggezogen ist und die Chance, dass ich ihr mal über den Weg laufen sollte, sich massiv verkleinert hat." Alexa nickte verständnisvoll. „Ich versteh, was du meinst. Voll und ganz.", kam es fast schon ermutigend von ihr. „Bei mir war das damals nicht anders. Dieses Gefühl der Erleichterung, dass eine ganz bestimmte Person jetzt nicht mehr in der direkten Reichweite ist."

„Neles Vater?", hakte ich vorsichtig nach. Alexa nickte. „Hat er denn überhaupt Kontakt zu ihr?" Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Aber ich würde es ihm nicht verbieten, wenn er fragen würde. Ist ja sein gutes Recht. Nele fragt ja auch manchmal und da steht man dann schon ziemlich blöd da und weiß im ersten Moment nicht, was man sagen soll." Ich nickte. Um ehrlich zu sein, konnte ich es mir persönlich gar nicht vorstellen, sollte ich jemals Kinder haben und mich von der Mutter besagter (fiktiver) Kinder trennen, mich nicht auch persönlich um diese zu kümmern. Das gehörte in meiner Sicht einfach zu den elterlichen Pflichten, die man zu erfüllen hatte unabhängig von dem eigenen Verhältnis zur Mutter des Kindes. „Wie war das damals eigentlich mit Nele und dir?" Jetzt war es Alexa, die kurz seufzte, jedoch ohne Zögern begann zu erzählen: „Ist ne schwierige Geschichte. Jonas, also Neles Vater, und ich sind gemeinsam in eine Jahrgangsstufe auf dem Gymnasium gegangen und wir sind uns dann irgendwann auf einer Feier einer Schulkameradin näher gekommen. Zwei Wochen später waren wir dann sozusagen zusammen. Um ehrlich zu sein, waren es recht stürmische Zeiten, aber irgendwie waren wir ja dann doch fast zweieinhalb Jahre zusammen und naja ... irgendwann musste ich feststellen, dass ich schwanger war. Erst hat er noch zu mir gestanden, beteuert, dass wir eine wunderbare Familie abgeben würden, aber als es dann in Richtung Abitur ging, hat er sich immer mehr distanziert. Ich hab's anfangs auf den Vorbereitungsstress für's Abitur geschoben, obwohl Jonas nie einer der Menschen war, der sich etwas aus anstehenden Prüfungen machte – und sei es die finale Abschlussprüfung. Jedenfalls hat er mir eines Tages – immerhin nach den schriftlichen Prüfungen- gestanden, dass er das nicht könne, er sich nicht bereit fühle und es ihm Leid tät. Von da an hieß es getrennte Wege gehen." Mit einem ziemlichen Kloß im Hals lauschte ich Alexas Geschichte und nickte nur ab und an verständnisvoll, während sie weiter erzählte. „Das war erstmal ein ziemlicher Schock, aber dass er das nicht packen würde, war mir unterbewusst schon viel länger klar gewesen, aber man hofft eben doch auf das Beste und das genaue Gegenteil trat letztlich ein. Ich hab die darauffolgenden Tage fast durchgängig heulend in meinem Zimmer gesessen, versucht mich mich Dr. Who und Supernatural abzulenken und mich von meiner Mutter mit Tee versorgen lassen, die selbst stocksauer auf Jonas war. Damals habe ich den Entschluss gefasst, dass ich weg wollte – nach Berlin zu meinem Vater. Das war so oder so gar nicht so blöd. Meine Mutter hat in unserm Dorf ihre eigenes Café und deshalb auch nicht wirklich viel Zeit. Mein Vater ist freiberuflicher Autor und hat da etwas mehr Freiheit, was sein Zeitplan angeht. Auch wenn meine Mum das erstmal nicht so toll fand, dass ich weggehen wollte, sie verstand es doch und hat mich beim Umzug und allem anderen ziemlich unterstützt."

Für einem Moment schwiegen wir, Alexa in Erinnerungen vertieft und ich etwas nachdenklich gestimmt auf den Teer starrend. „Ich nehm' an du hast auch keinen Kontakt mehr zu ihm..." Alexa nickte. „Schon irgendwie traurig, nich'? Wenn man so die Geschichte mal rekapituliert...", meinte sie mit einem Blick zu mir, wobei ein gezwungen wirkendes Lächeln ihre Lippen umspielte, das ihre Augen nicht erreichen zu schien. Ich nickte nur. Auch wenn Alexa es eigentlich noch gut getroffen hatte, schließlich standen ihr ihre Eltern mit Rat und Tat zu jeder Zeit bei Seite, war es aus rein emotionaler Sicht doch sehr hart zu hören, dass gerade ein Mensch wie Alexa, die so viel Liebe in sich zu tragen schien, einst in ihrem Leben so enttäuscht und alleingelassen worden war. Ein beklommenes Gefühl nistete sich in mir ein. Unweigerlich verspürte ich ein leichtes Ziepen in der Brust. In der Regel bin ich kein Mensch, der andere nach Erzählungen be- oder verurteilt, und doch hoffte ich, dass ich Jonas nie zu Gesicht bekommen würde. Nicht, weil ich ihm gerne körperlichen Schmerz zufügen wollte (Leider eine häufige Reaktion, die man von anderen vernehmen muss, wenn es sich um Äußerungen zum Thema selbsterlebtes Leid geht aka „Wenn mir der über den Weg läuft, dann kann er mal sein blaues Wunder erleben!", aber was brachten solche Äußerungen schon den „Opfern"?), sondern viel mehr, weil ich glaube ihn nicht in die Augen blicken zu können ohne in ihm den Menschen zu sehen, der sein Kind ver- und eine Frau alleine mit diesem zurückgelassen hatte, und das obwohl einer meiner obersten Grundsätze es doch war Bekanntschaften stets ohne jeglichen Vorurteilen offen gegen über zu stehen. 


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Huhu meine lieben Layzys! :D

Das Wochenende ist vorbei und ein neues Kapitel ist draußen! ;) 

Lasst mir mal eure Meinung da und ich freu mich wie immer über Ideen und co :3 

LG Heide :x & ein ordentliches *whoop whoop* 

Adult Love (LeFloid FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt