„Leana, du bist hier? Oh mein Gott, was hat sie dir getan?" Thomas rannte auf mich zu, ich stand in seinem Zimmer und sah, wie er auf mich zugerannt kam. Mir ging es zum Glück gut, mein Bruder war zwar äußerst verwirrt gewesen, als ich ihn umarmt hatte und ihm gefühlte tausend mal dafür gedankt hatte, dass er mich aufgeweckt hatte, aber bestimmt dachte er sich einfach die nächsten Tage seinen Teil und dann wäre alles wieder normal.
Meine Angst, wo ich die nächste Nacht wieder auftauchen würde, war aber eher berechtigt. Ich wollte ihr für immer und ewig aus dem Weg gehen, doch die Tatsache, dass sie mich jetzt schon zwei mal besucht hatte, zeigte wohl, dass sie eine Möglichkeit hatte, sich zugang zu mir zu verschaffen.
Ich war so froh, Thomas nun endlich wieder sehen zu dürfen. Ich hatte solche Angst gehabt, um ihn und um mich, doch nun war er hier. Er schloss mich in seine Arme und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Endlich! Ich konnte ihn umarmen und wissen, dass wir beide in Sicherheit waren, zumindest für den Augenblick. Ich spürte seine Hand auf meinem Rücken und fühlte mich so geborgen, einfach unheimlich beschützt, durch seine Anwesenheit.
Ich liebte Thomas wirklich. Meine Gefühle für ihn waren so stark. „Sie hat mich überwältigt. Ich habe es nicht bemerkt, dass es nicht sie war und war mit meinen Gedanken nicht bei der Gefahr, die von ihr ausgehen könnte. Es tut mir so leid, Leana. Ich habe versagt. Ich weiß, dass es keine Entschuldigung ist, aber wenn du wüsstest, warum ich von ihr so abgelenkt wurde, könntest du es vielleicht besser verstehen."
Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und zwang ihn dazu, mir in die Augen zu sehen. Mein Herz raste wie eine Maschine und ich war wie betäubt, allein durch seine schokoladenbraunen Augen.
„Ich schätze, es ist Zeit, dir alles zu verraten, warum Isabella sich so verhält", sagte Thomas und ich sah, dass sich sein Gesichtsausdruck veränderte, er dachte wahrscheinlich gerade über sie nach. Obwohl mir etwas mulmig bei diesem Thema zu Mute war, wollte ich Klarheit in meinem Kopf schaffen. Das brauchte ich, so konnte ich mich eventuell auch noch besser auf sie einstellen.
„Das denke ich auch. Ich muss alles über sie wissen, warum sie so handelt." Thomas legte seinen Kopf schief und sah mir in die Augen. Für einen kurzen Augenblick dachte ich, dass er mich vielleicht küssen würde, doch natürlich wurde mein Wunsch nicht wahr.
„Setz dich", forderte Thomas mich auf und klopfte auf sein Bett. Ich strich die hellblau Decke unter mir glatt und ließ mich auf seiner weichen Matratze nieder, Thomas setzte sich im Schneidersitz mir gegenüber.
„Ich habe dir noch nicht alles über die Traumwelt erzählt. Du bist sicherlich der Meinung, dass du für immer hier sein wirst, dein ganzes Leben. Der Meinung war ich auch eine ganze Zeit, Isabella auch, doch dann lernten wir das Gegenteil kennen. Isabella und ich kannten noch eine ander Person hier in der Traumwelt, er war schon lange Zeit vor uns hier gewesen und er war sehr wichtig für uns. Er hatte uns geholfen, als wir neu hier waren, uns unterstützt und alles beigebracht, so ähnlich wie ich nun für dich bin. Isabella und ich hatten ein sehr enges Verhältnis zu ihm und wurden sehr gute Freunde. Nichts konnte uns trennen. Doch mit der Zeit tauchte er immer seltener hier auf, nur noch alle paar Tage, bis es dann zu einmal in der Woche wurde. Er erschien Isabella und mir meistens abwesend und war auch nicht gerade mehr sehr freundlich zu uns. Eines Tages dann meinte er, dass er uns erzählen müsste, dass wir noch nicht alles über die Traumwelt wüssten. Das ist das, was ich dir jetzt erzähle. Man ist nicht dafür bestimmt, auf ewig hier zu weilen. Irgendwann ist für jeden von uns die Zeit hier vorbei, man kommt immer seltener hier her, bis man es dann gar nicht mehr tut. Ich war der Meinung, dass man da nichts dagegen tun konnte, doch da hatte ich mich geirrt. Man kann etwas tun, doch es ist sehr schmerzhaft für den anderen und hat starke Konsequenzen. Am liebsten würde ich dir das gar nicht verraten, doch da ich mir als sicher bin, dass Isabella genau das mit dir vorhat, musst du wissen, warum du um alles in der Welt Abstand zu ihr halten musst."
Thomas holte tief Luft und machte einige Sekunden Pause. Mein Herz hämmerte gegen meine Brust, während ich darauf wartete, dass er weitersprach.
„Wenn du deine Zeit in der Traumwelt verlängern willst, dann musst du die Traumwelt von jemandem nehmen. Du musst eine andere Person in der Traumwelt finden und dich mit ihr vernetzen. Der anderen Person bereitet das allerdings höllische Schmerzen und anschließend verschwinden sie von hier und kehren nie wieder zurück. Isabella merkt, dass ihre Zeit hier gezählt ist und hat dich als Opfer im Blick. Bei der besten Gelegenheit wird sie sich mit dir vernetzen, um deine Energie zu nutzen..."
„Einen Moment mal", unterbrach ich Thomas, „wie kannst du dann noch hier sein? Deine Zeit müsste doch auch schon längst abgelaufen sein. Wie machst du das dann?" Das konnte nicht sein, Thomas würde so etwas niemals tun, das konnte er nicht.
„Leana, denk nicht schlecht von mir. Hör mir bitte erst einmal zu ..." Ich konnte mir nicht vorstellen, was es da zu erklären gab, doch vielleicht würde sich ja alles wie durch ein Wunder aufklären. Ich musste einfach darauf hoffen. „Es war ein kleiner Junge, Max heißt er. Er war erst 7 Jahre alt und hasste es hier. Er hatte solche Angst vor dem allen hier gehabt, man konnte nichts mit ihm machen, ständig hatte er sich nur vor lauter Angst in der Ecke verkrochen. Leana, er wollte hier weg. Ja, ich weiß, wie schmerzhaft es für ihn gewesen ist, doch der psychische Schmerz, den er jeden Tag Stunden hier hatte, war so schwer für mich mit anzusehen. Ich habe mich im echten Leben um ihn gekümmert, habe ihn im Krankenhaus besucht und dafür gesorgt, dass es ihm gut geht. Bitte verurteile mich deswegen nicht. Ich hatte keine andere Wahl."
Eine Frage brannte mir nun allerdings noch unter den Fingernägeln. „Wie lange kannst du dann nun noch hier bleiben?" „Nicht mehr lange ..."
Dann war mir alles klar. Er wollte mich nicht vor Isabella beschützen. Wie konnte ich so verblendet sein und denken, dass er mich lieben würde? Ich war nur ein Mittel zum Zweck für ihn, damit er hier mit Isabella zusammen bleiben konnte. Ich war noch nie so verletzt gewesen. Ich hatte ihn wirklich geliebt.
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In our dreams (Thomas Sangster FF)
Fiksi PenggemarSeit einigen Wochen hatte ich schon diese seltsamen Träume. Wenn es überhaupt Träume waren. Normalerweise verarbeitet man in seinen Träumen den Alltag oder sucht Orte seiner Fantasie auf, so wie auch bei mir, doch eines Tages tauchte auf einmal ein...