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Während ich den Boden die nächsten Minuten schrubbte, versicherte ich mich erst einmal darüber, dass Isabella auch wirklich nicht in meiner Nähe war, denn sonst könnte es Probleme geben. Ich musste auf jeden Fall alleine sein, alleine schon wegen der Tatsache, dass ich äußerste Konzentration brauchte, um von hier zu verschwinden.

Da Isabella ja hoffentlich noch nichts von meiner Kraft wusste und von dem, was ich in der letzten Zeit alles dazugelernt hatte, musste ich dies ausnutzen, bevor sie es bemerken würde, denn dann wäre es viel zu spät und ich wollte nicht wissen, was sie sonst noch alles mit mir veranstalten würde außer ihrem sowieso schon teuflichem Programm.

Ich konzentrierte mich auf mein Zimmer, stellte mir vor, wie Thomas auf meinem Bett lag, krank vor Sorge und darauf wartete, dass ich zu ihm zurückkehrte. Er konnte ja schlecht einfach hier herkommen und mich wie ein Prinz befreien, denn Isabella hatte alles so gesichert, dass man hier nicht hereinkam und zusätzlich hatte er ja auch nicht den blassesten Schimmer, wo ich mich befand. Die kleine, süße Isabella hatte es ja nicht als sinnvoll betrachtet, einen kleinen Hinweis zu hinterlassen, damit er mich retten könnte.

Wenn ich da aber so genau drüber nachdachte, dann war es vielleicht auch besser, wenn er nicht hier war, denn was würde Isabella denn sonst mit ihm anstellen? Sie sollte ihn nie wieder sehen.

Ich musste aufhören, über Thomas nachzudenken sondern mir besser vorstellen, wie ich mich schleunigst in mein Zimmer befördern könnte. Auf was könnte ich mich denn noch fokussieren? Auf Thomas' Geruch, seinen ganz speziellen Geruch, den ich einfach so sehr an ihm liebte. Also rief ich mir diesen Duft ins Gedächtnis und stellte mir die gesamten Räumlichkeiten vor, wie sich mein Kissen anfühlte, wie ich mit meinem Fuß gegen meinen Schrank stieß. Ich konzentrierte mich und machte mich darauf bereit, endgültig von hier zu verschinden.

Auf einmal fuhr wieder dieser stechende Schmerz durch meinen Körper und ich zuckte verkrampft zusammen. Ich hatte wohl vor lauer Denken vergessen, meine Hand zu bewegen um zu schrubben. Musste ich es wohl inklusive Schrubben probieren.

Ich rief mir wieder alles ins Gedächtnis. Ich war mehr als bereit dafür, von hier zu verschwinden. Ich spürte tatsächlich schon nach einigen Sekunden, wie alles um mich anfing zu schwanken, der Schmerz wieder anfing, da ich aufhörte zu schrubben, allerdings gleich verblasste, da ich mich von dem Ort entfernte. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Isabella hatte keinen Plan von meinen Kräften!

Der Ort verblasste immer mehr, bis vor mir eine Art durchsichtige Wand auftauchte, sie stoppte mich, mich weiter forttreiben zu lassen. Was sollte das denn jetzt. „Tja, mich kannst du nicht so leicht austricken!", klang Isabellas schrille Stimme von überall her, wie durch Lautsprecher und ich wurde wieder auf den harten Boden gepfeffert. Versuch also fehlgeschlagen! Das war mal wieder ein Grund, warum ich sie einfach auf den Tod hasste. Isabella musste dafür büßen, wenn ich das überleben würde, müssten Thomas und ich uns etwas einfallen lassen, wie wir uns rächen könnten.

Gnade würde ich da nicht wirklich walten lassen, denn dafür war ich einfach zu sehr verärgert über ihr Verhalten, es machte mich rasend.

Völlig entrkräftet schrubbte ich weiter, da ich nun auch keine Lust hatte, dass ich wieder bestraft werden würde. Ich musste hier irgendwo wegkommen, da blieb doch eigentlich momentan nur die Möglichkeit, aufzuwachen. Ich atmete tief ein, um mich vor das Bevostehende zu wappnen. Ich schaffe das!

Meine gesamten Gedanken fokussierte ich darauf, aufzuwachen. Ich stellte mir vor, wie ich die Augen öffnete, genervt meinen Wecker ausstellte und mich mühsam aus dem Bett quälen würde. Das war das, wie es jeden Morgen bei mir ablief, denn ich hatte immer sehr schlechte Laune, wenn ich Thomas verlassen musste und einen weiteren Tag aushalten musste, bevor ich ihn wiedersehen konnte.

Meine Einstellung passte zu der jetzigen, in beiden war ich sehr mies drauf. Tatsächlich schaffte ich es nun wieder schnell, dass meine Umgebung schwand und ich mich so wie jede Nacht fühlte, wenn ich kurz davor war, aufzuwachen.

Sehr zu meinem Erstaunen, sah ich, als ich die Augen aufschlug, eine andere Umgebung vor mir, die sehr stark nach der meines Zimmer aussah. Hatte ich es geschafft? Am liebsten würde ich vor Freude wie eine Bekloppte hin- und hertanzen, doch ich war noch nicht einmal in der Lage, aus dem Bett aufzustehen. Ich war wie mit Kleister an meinem Bett befestigt und außerdem wurde ich wieder hundemüde, als hätte ich tagelang nicht geschlafen, ich hatte richtige Mühe, mich wachzuhalten.

Bleibe wach, Leana! Du darfst nicht einschlafen! Am liebsten würde ich mich selber Ohrfeigen, damit ich nicht wieder einschlafen würde. Denn wenn das nun passieren würde, dann würde ich zu Isabella zurückkehren, zurück in ihr Hexenhaus. Ich war so müde, so schrecklich müde ....

Als ich meine Augen panisch wieder aufschlug, war es schon zu spät. Ich war zurück in Isabellas Höllenqualenpalast und war mal wieder angekettet. Was für ein Zufall, ich war das ja schon wirklich lange nicht mehr gewesen. Ironie lässt grüßen. Mit meiner ganzen Selbstbeherrschung, die ich gerade noch aufbringen konnte, sah ich Isabella, die wieder aufgetaucht war, ins Gesicht und verspürte einen solchen Drang, ihr Gift ins Gesicht zu spucken.

„Ich schätze, ich muss doch schneller zu meinen Mitteln greifen, du lässt mir ja keine Wahl. Schade, ich dachte, du wärst ein angenehmerer Gast, Leana, schade, schade ..." Isabella stiefelte wie ein Model vor mir auf und ab und warf sich die Haare hinter die Schultern.

Ich zerrte wieder mit ganzer Kraft an meinen Handschellen, was natürlich nichts brachte. „Tu, was du nicht lassen kannst, aber verschone mich von deinem Gesäusel. Davon drehe ich nämlich fast durch. Du bist so grausam!", zischte ich, woraufhin Isabella breit grinsend auf mich zuschlich. „Na, na, na ...", tadelte sie mich, wie eine Mutter ihr Kind und legte mir ihren spitzen Fingenagel unter mein Kinn, sodass ich gezwungen war, meinen Kopf anzuheben, wenn ich nicht ihre Monsterkrallen in meiner Haut haben wollte.

„Dann fang doch mal an zu erzählen", sagte ich und stellte mich auf weitere grausame Stunden ein.

In our dreams (Thomas Sangster FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt