Epilog

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Harrys Tod hatte eine große Lücke in meinem Herzen hinterlassen. Eine, die nicht gefüllt oder genäht werden konnte. Sie war jetzt ein Teil von mir, wie meine Haare, oder wie das Muttermal auf meinem Oberarm. Diese Lücke war ständig da, immer zu spüren und nie zu füllen. An manchen Tagen war sie tief und wund, an anderen war sie klein und übersehbar. Doch sie war da. Immer spürbar. Immer in meinem Herzen. Und sie erinnerte mich ständig an meinen Lockenkopf, der mein Leben gerettet hatte. Mehr als nur einmal. Harry hatte meine Seite seit seinem Tod nie verlassen. Er war immer da, wenn auch nicht physisch. An manchen Tagen fiel ich in eine tiefe Depression, die nie zu enden schien. Alles was ich sah, dachte oder hörte, erinnerte mich an meinen Lockenkopf. Ich lag tagelang in meinem Bett und tat nichts, außer meine Familie vollkommen auszublenden und mich zu fragen, was ich hier eigentlich tat? Ich wollte schreien. Ich wollte weinen. Ich wollte den Druck in meinem Herzen herausreißen und ihn in tausend Teilchen brechen, so wie mein Herz gebrochen war. Doch ich konnte nicht schreien, nicht weinen. Ich war mit dem Druck, der mein Leben schwer machte verflucht. Ich starrte auf meine weiße Wand in der Hoffnung, sie würde meine Probleme lösen. Mir die Antworten auf den weißen Verputz schreiben. Doch sie blieb blass und ich war weiterhin im Dunkeln gefangen. Diese Phasen dauerten meistens ein paar Wochen, und wenn ich mich depressiv im Zimmer verkroch, durfte keiner rein. Nicht meine Mutter, nicht mein Vater, auch nicht mein Therapeut. Keiner. Wenn ich mich in dieser Phase befand, war ich verwundbar. Ich fühlte mich nackt. Ungeschützt. Verletzlich. Wie eine Krabbe ohne ihrem Panzer. Ich wollte nicht, dass meine Familie und mein Therapeut mich so sahen. Ich hatte Angst, dass sie mich wieder verletzen würden. Angst, dass das Schicksal zuschlagen würde, um mich endgültig zu ruinieren. Es gab Tage, da saß Kellsey vor meiner Tür und starrte das Holz sehnsüchtig an. An manchen Tagen trugen meine Eltern sie ins Bett, an manchen klopfte sie.

Sie war wirklich wie Harry. Sie spürte, wenn es mir schlecht ging und war sofort an meiner Seite. Ich erkannte allein an ihrem feinen, sachten Klopfen, dass es meine Tochter war. Meine kleine, die so sehr ihrem Vater ähnelte. Und jedes Mal, wenn sie die Tür öffnete, öffnete sie auch mein Schloss, das mein Herz verriegelte. Wenn ich sie sah, konnte ich meine Gefühle rauslassen. Ich zog sie in meine Arme und weinte in ihre Schulter. Drückte sie an mich und versuchte einen Teil ihrer immensen Lebenskraft aufzusaugen. Ich wollte leben. Atmen. Zeit mit meiner Tochter verbringen. Doch egal, wie wenig Aufmerksamkeit ich ihr schenken konnte, Kellsey war immer für mich da. Sooft stand sie vor meiner Tür und tröstete mich ohne, dass sie es wusste. Als sie noch klein war und den Kindergarten besuchte, stellte sie oft Fragen.
"Mami, warum weinst du?"
"Mami"
Sie weinte mit mir mit und schluchzte. Sie teilte mit mir meinen Schmerz und machte ihn erträglicher. Doch umso älter sie wurde, umso weniger fragte sie. Umso weniger weinte sie. Umso mehr belastete ich sie. Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass diese Zeiten uns nicht zusammengeschweißt hätten. Denn es war unsere kleine Welt. Von klein auf.

Ich zog mit meiner Tochter in die kleine Wohnung von Louis, und versprach meinen Eltern, sie so oft wie möglich zu besuchen. Ich sah sie nach unserem Umzug nie wieder. Ich fragte mich oft, wie mein Leben ausschauen würde, wenn ich Louis am Friedhof nicht getroffen hätte. Wäre ich dann noch am Leben? Und wenn ich es wäre, wäre es dann grau und trostlos? Oder hätte Kellsey mir auch ohne Louis Hilfe, und der meiner Eltern mich getröstet?  Nachdem Louis und ich uns aus unserer endlosen Umarmung getrennt hatten, waren wir gemeinsam mit meiner Tochter zu ihm nach Hause gegangen. Er hatte eine kleine schlichte Wohnung. Sie war nicht winzig oder hatte zu wenig Platz, es war eher das Gegenteil. Sie war gemütlich, vermittelte das Gefühl von zu Hause. Kellsey hatte sich sofort wohl gefühlt und war neugierig durch die Räume gesaust. An diesem Abend hatten meine Tochter und ich die Nacht bei Louis verbracht, und nachdem Kellsey schon längst in ihre Träume abgedriftet war, saßen Louis und ich noch lange auf der Couch, während er mir von sich und den anderen erzählt hatte. An diesem Abend fielen die Tränen. Ich erfuhr, dass Niall zurück nach Irland zu seinen Eltern geflogen war. Er hatte sich weder gemeldet, noch verabschiedet. Er war einfach weg. Hatte seine Koffer gepackt und war in den Flieger eingestiegen.
Zayn und Liam verbrachten ein Jahr zusammen. Liam hatte den Tod von Danielle nie verkraftet und Zayn wusste, wie es um den kleinen, verantwortungsvollen Mann stand. Er war gebrochen. Louis hatte mir erzählt, dass Liam mehrmals versucht hatte sich umzubringen und seitdem sei Zayn immer an seiner Seite gewesen. Bis es irgendwann zu spät war, und Zayn seinen besten Freund unfreiwillig die Freiheit und den Frieden gab. Vor einem halben Jahr hatte Liam Selbstmord begangen. Zayn war, so wie Louis am Boden zerstört, doch die zwei hielten zusammen und trösteten sich gegenseitig durch diese Zeit. Ich verstand Liam so gut. Er war nicht der einzige, der seine Liebe verloren hatte. Auch ich blieb in der Hölle, die Erde genannt wurde, gefangen. Und dass Harry die Person war, die mich dazu verdammt hatte, machte die Sache nicht einfacher. Und nicht weniger schmerzhaft.

Hunted-Gejagt(H.S. / L.T. Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt