21 ~ Die Verschwundenen

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Die Sacretti vom obersten Ring fuhr fort: "Wenn wir nicht unsere Taktik ändern und gezielter gegen die Frottelas vorgehen, geht unsere Regierung unter und es kommt zu einem Krieg, Ladies und Gentlemen. Wir alle wissen, was für Ausmasse ein Krieg erstellen kann."
Darbey Vonten machte eine Pause.
"Miss Vonten!", sagte ein Mann mit schütterem Haar und einer rauen Stimme. Valentin musste den Kopf etwas recken, um ihn einige Reihen unter ihm zu sehen. "Wo genau sind die Personen verschwunden, oder in welchen Sektoren befanden sie sich?"
"Das zeige ich Ihnen gerne, Mister Vecca." Miss Vonten zog einen goldenen Käfer hervor und setzte ihn auf den Podest ab. Der drei Zentimeter lange, ovale Käfer, auch 'Planificateur" genannt, krabbelte mit mechanischen Bewegungen zum oberen Rand des Podests. Der Käfer setzte die haardünnen, goldenen Beinen in die winzige, unscheinbare Löcher und platzierte den scheibenartigen Körper auf das Metallpodest.
Zwei Flügel schoben sich - ungewöhnlich für den sonst lebendig ähnlichem Geschöpf - zur Seite und ein grosses 3D-Hologramm des Hauptquartierts flammte auf. Miss Vonten tippte mit konzentrierten Ausdruck auf das Hologramm. Es wellte sich kurz, als hätte man eine Wasseroberfläche kurz berührt. Aus dem Haupquartier wurden die Orte sichtbar, wo Jasmine, Rose, Lucius und Mysteria zuletzt gesichtet worden war. Drei Punkte erschienen auf dem Hologramm. Sie waren alle sehr nahe beieinander.
"Jasmine Donaway. Verschwunden vor 10 Tagen in Lionfall. Rose und Lucius Willon, Geschwister. Verschwunden vor 9 Tagen in Highfear, der Nachbarstadt von Lionfall. Mysteria Woodrow. Verschwunden vor 8 Tagen in Heartless. Nachbarstadt von Lionfall und Highfear."
Die Punkte leuchteten, sobald die Namen der Städten erwähnt wurde. Valentin rechnete noch einmal in seinem Kopf nach. Ihm war gar nicht bewusst, wie lange Mysteria sich schon bei ihm aufhielt.
"Sie sehen, Mister Vecca, dass die Verschwundenen alle aus Sektor 18 stammen." Valentin merkte, wie Danyl nachdenklich die Stirn runzelte. Sektor 18 bestand aus 20 Städten und Dörfern. Eigentlich war dieser Sektor bekannt, dass es immer friedvoll zuging und die Frottela es mieden.
Warum die Rebellen ausgerechnet jetzt dort eindrangen, konnte er sich nicht erklären.
"Entschuldigen Sie, Miss Vonten", hörte er sich sagen. "Was ist mit den Angehörigen und Familien der Verschwundenen?" Darbey sah ihn an, seifzte unmerklich und antwortete: "Soweit wir wissen, haben die besagten Jugendlichen weder Freunde noch Familien. Und falls sie doch welche hatten, nun denn... So wurden sie ermordet."

Als Valentin die Tür geschlossen hatte, öffnete Mysteria leise die Badezimmertür und lugte hinaus. Etwas fiel aus ihrem Haar und als sie sich bückte, hob sie eine schwarze Lilie auf.
Es war die Lilie, die Elena ihr ins Haar gesteckt hatte. Schwarz waren die Blüten mit silbernen Sprenkeln.
Sie drehte die Blume nachdenklich zwischen ihre Finger, bis sie eine schmale Vase holte und die Lilie sanft in das eingefüllte Wasser hineingleiten liess.
"Elena Catherine", murmelte sie. Mit leisen Schritten lief sie zum Gemälde, das im Flur hing. "Warum bist du erst jetzt aufgetaucht?", dachte sie.
Im Hintergrund war ein Zimmer. Ein Fenster stand offen und ein Vogel sass auf der Fensterbank. Daneben stand ein Spiegel, in dessen Reflektion Elena stand. Sie trug ein cremefarbenes Kleid, in der Taille wurde es von einem himmelblauem Band zusammen gehalten. In der einen Hand hielt sie ein halbes Dutzend schneeweisse Lilien, in der Anderen ein Blatt Papier. Zwar konnte sie nicht alles lesen, doch was sie lesen konnte, verstand sie deren Bedeutung nicht.

I dream more often than I sleep.

You don't understand me.
You're not expected to.
You're not capable of it.

Choose or lose me.

We are art, drawn from life.

But who will fix me now?
Dive in when I'm down?
Save me from myself!
Please, don't let me drown...

Warum hatte Elena diese Worte geschrieben? Was hatte sie dazu bewegt?
Mysteria suchte nach Schreibzeug und schrieb die Worte ab. Nachdenklich las sie den Text noch einmal durch. Dann legte sie das Blatt zwischen die Seiten des Buch der Schattenwesen und fasste zum ersten Mal seit sie hier ist, einen konkreten Plan.

Die Chroniken der SchattenwesenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt