Die Chroniken der Schattenwesen

16 ~ Die Wahrheit

Valentin lächelte warm und sagte: "Dein richtiger Name ist Mysteria Woodrow und bist eine Estrapoll. Du bist 16 Jahre alt und lebtest mit deinen Cousinen, Lithium und Onyxia Woodrow in einem Haus. Deine Eltern, Dovenna und Eros Woodrow starben sehr jung. Eros im Dienst und Dovenna durch die Geburt deiner jüngeren Schwester-" Prombt wurde Valentin unterbrochen. "Moment mal, was für eine Schwester?" Verwirrt sah Mysteria ihn an und Valentin sah sie kurz ebenfalls überrascht an, denn er hatte erwartet, dass sie etwas darüber wusste. "Ein Jahr nach deiner Geburt wurde Dovenna wieder schwanger und gebar ein Mädchen, namens Royanna Keralla Woodrow." Valentin machte eine Pause und Mysteria ergriff die kurze Stille zwischen ihnen. "Was geschah mit Royanna?" Er kratzte sich kurz an der Wange während er antwortete: "Das weiss niemand. Allerding nach deinen Worten nach zu urteilen, hast du keine Familie mehr, was - so weit wir wissen - stimmt." Er legte die Mappe zur Seite und beugte sich ein wenig vor. Mysteria sass starr und mit blassem Gesicht vor ihm, doch ihre Augen strahlten eine Stärke aus. Wie Metall in mitten von Watte. "Wie könnt ihr nicht wissen, was passiert ist? Vielleicht lebt sie noch, vielleicht wurde sie nur... Nur..." Sie stockte. Dieses Mal unterbrach Valentin sie: "Mysteria, du bist die Letzte der Woodrows."

Mysteria sass auf einem Balkongelände, die Füsse über den Abgrund baumelnd.
Nach dem Gespräch mit Valentin war sie mit sieben Kerzen mitten in der Nacht in den Garten gegangen. Mit geschlossenen Augen hatte sie fünf Mal einen Spruch gemurmelt und war in eine Art Trance verfallen.
Sie öffnete ihre Augen wieder, als die Geräusche ihrer Umgebung sich veränderten. Über ihrem Kopf kreisten schneeweisse Tauben in dem blassgrauen Himmel. Felsenwände mit grünen Moosflechten führen in die Tiefe und das Ende wurde von einem weissem Nebel verschluckt.
Das nussbraune Haar fiel ihr auf ihre Schultern und der weiche Stoff ihres honigfarbenen Kleides schmiegte sich angenehm an ihre Haut.
"Myssie", flüsterte eine Stimme auf eine fremde und zugleich vertraute Art, dass Mysteria sich zu der Stimme undrehte.
Hinter ihr stand eine junge Frau mit einem geheimnisvollen Lächeln und dunkle, tiefpurpurne, melancholische Augen. In ihrer Hand hielt sie ein Strauss voller Lilien und Rosen. Sie trug ein leichtes saphirblaues Kleid. "Miss Elena Catherine", flüsterte Mysteria übertascht und mit grossen Augen. Elena lächelte und streckte ihr eine Hand hin. "Freut mich, dich endlich kennen zu lernen." Mysteria lächelte schüchtern. "Ich habe schon einiges von Euch gehört", sagte sie und ergriff sie.
Elena setzte sich. "Ich aber nichts von dir", sagte sie ehrlich und ein freches Grinsen huschte kurz über ihre Lippen. Mysteria schmunzelte. "Nun zwischen uns sind auch einige Jahrhunderte und Generationen."
Elena nickte. "Ich bin hier, um dir den Anfang zu zeigen."
"Welchen Anfang?"
"Lass mich dir eine Geschichte zeigen." Die junge Frau schloss Mysterias Augen, mit dem Daumen und Zeigefinger, wie bei einer Toten und steckte ihr eine Lilie ins Haar. "Mach deine Augen wieder auf", flüsterte sie in ihr Ohr.

Als Mysteria die Augen wieder aufschlug, stand sie auf einer weiten Wiese. In der Ferne waren Berge, dessen Spitzen hinter Wolken versteckt wurden.
Sie war alleine und doch spürte sie Elenas Anwesenheit in ihrer Nähe.
Sie sah sich um. Der Wind fuhr durch ihre gewellten, blonden Haare und zerzausten es.

Moment mal... Blond?

Mysteria fasste verblüfft nach ihren Haaren und sah dann an ihr runter.
Sie war nicht mehr Mysteria Woodrow.
Sie war Elena Catherine Woodrow.