23 ~ Ein ewgies Versprechen

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Eine Vase mit einer roten Rose stand zwischen ihnen, während Mysteria und Valentin auf dem Boden sassen.
In den linken Händen hielten sie je eine Lavendelblüte - Lavendel stand für Vertrauen und mit der rechten Hand umklammerten sie die Vase, als Zeichen des Bündnisses.
Valentin hatte nicht schlecht geguckt, als er die Blumen erblickt hatte. Wozu brauchte man Blumen für einen Zauber?
"Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum", sagten beide, wie aus einem Munde.

Vertrauen. Wahrheit. Versprechen. Ewigkeit.

Sieben Mal mussten Mysteria und Valentin den Spruch aufsagen, während sie sich in die Augen sahen. Keiner durfte den Blick abwenden, sonst wurde der Zauber ungültig.
"Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum."
Während sie die Worte sagten, versprachen beide Parteien, dass sie einander vertraueten und immer die Wahrheit sagten.

"Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum."
Egal, was kam.

"Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum."
Egal, auf welche Frage.

"Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum."
Egal, in welcher Situation.

"Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum. Fiduciam. Verum. Promissum. Aeternum."

Als das letzte Wort verklungen war, entfachte sich auf dem Haupt der Rose eine Flamme. Valentin blinzelte erschroken und Mysteria drückte ihm kurz die Finger. "Nicht wegschauen", signalisierte ihre Geste und Valentin riss sich zusammen.
Sie warteten, bis das Feuer die Blütenblätter verbrannt hatte. Der Geruch von Nagellackentferner verbreitete sich in dem Raum und Mysteria rümpfte die Nase.
Wer hätte gedacht, dass eine verkohlte Rose, nach Nagellackentferner roch?
Die Flamme frass den grünen Stiehl jedoch nicht auf, sondern erlosch statdessen.
Eigentlich war das Ritual nun beendet, doch Mysteria konnte nicht von Valentins Augen wegschauen. Sie war neidisch, dass sie nur blaue hatte, während er wunderschöne, grün-blau-graue Augen hatte. So leicht konnte man sich darin verlieren.
Sie waren wahrhaftig perfekt...

Valentins Räuspern brachte Mysteria zurück in die Gegenwart. Sie liess die Vase (und Valentins Hand) los und hielt ihm wortlos, aber lächelnd die Lavendelblüte hin. Mit der freien Hand legte sie einen Finger auf die Lippen, um ihm zu verstehen zu geben, dass er immer noch kein Wort sagen durfte. Er nickte und hielt ihr zögernd, ebenfalls den Lavendel hin. Wortlos tauschten beide die Blüten.
"Der Lavendeltausch symbolisiert das Vertrauen zur anderen Person", erklärte Mysteria leise, wodurch das Schweigen gebrochen wurde. "Streng genommen ist es kein Akt des Zaubers. Aber ist letzte Schritt vollbracht, dürfen wir wieder reden." Valentin nickte. Er hatte verstanden. "Gut. Machen wir uns, ans Verhören", sagte er und stand auf.
Nur um gleich darauf in den nahe stehenden Sessel zu fallen. "Dann schiess mal los", sagte Mysteria, die sich ebenfalls auf das Sofa niederliess. (Im Gegensatz zu Valentin plumpste sie nicht, wie ein Kartoffelsack, sondern setzte sich graziös hin.) Die ernsten, grün-blau-graue Augen hielten Mysteria gnadenlos gefangen. "Verdammt, wieso müssen seine Augen, wie ein Fluch aussehen?", dachte sie. "Ein verlockender Fluch... Myssie, reiss dich zusammen!" Sie musste ihre gesamte Willenskraft einsetzen, ihr Pokerface zu bewahren.
"Woher weisst du, dass ich ein Scorstre bin?", hörte sie seine Stimme.
"Durch Elena Catherine"
"Sie lebt aber schon lange nicht mehr, wenn ich im Geschichtsunterricht aufgepasst habe."
"Sie muss nicht leben, um mir ihre Erinnerungen zu zeigen. Wir sind aus demselben Blut."
"Was meinst du mit 'Erinnerungen zeigen'?"
"Damals im Garten-"
"Als du ihn verwüstet hast", murmelte er und wurde sofort wieder stumm, als er ihren ägerlichen Blick sah.
"Da habe ich sie gesehen", fuhr Mysteria fort. "Ich war in einer Erinnerung. Ich habe sie verkörpert. Ich - oder besser gesagt, Elena Catherine - war auf dem Weg irgendwohin, als ein Vogel kam und sich verwandelte. In dich. Du warst der Vogel und es war das erste Mal, dass Elena Catherine dich gesehen hatte und umgekehrt. Da wurde mir klar: Du bist ein Gestaltswandler, ein Scorstre also", erzählte sie. Valentin hörte ihr aufmerksam zu, doch seine Mimik konnte sie nicht lesen.
Pokerface.
"Wie kann man in eine Erinnerung hinein", fragte er interessiert.
"Man muss blutsverwandt sein und die andere Person muss es wollen. Elena Catherine erlaubte mir, das zu sehen, was ich durfte. Nicht mehr und nicht weniger."
Er nickte langsam. "Verstehe... Ich muss das erst verarbeiten. Stell deine Fragen", forderte er sie auf.
Daraufhin musste sie erst überlegen, welche sie zuerst stellen sollte.
"Woher kennst du sie?", fragte sie schliesslich und beobachtete seine Reaktion, wie eine Psychologin. Seine Augen flackerten kurz und wandten für den Bruchteil einer Sekunde den Blickkontakt ab. Doch dann fasste er sich wieder und das Ganze hatte nicht mal zwei Sekunden gedauert. "Wie du weisst, habe ich sie getroffen. Und ich wünschte, ich hätte sie beschützen können, denn - und das tue es jetzt noch - ich habe sie geliebt."

Die Chroniken der SchattenwesenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt