24 ~ Hinter den Augen eines Scorstres

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Mysteria sah ihn überrascht an. Ein Seufzen erklang. Valentin lehnte sich nach vorne und stützte die Arme an seinen Oberschenkeln ab.
"Als ich sie fand, hatten die Frottelas sich erst vor kurzem zusammengefunden und hatten Anschläge auf wichtige Posten und Personen verübt. Cathy, ich meine, Elena Catherine, war die Tochter des damaligen Offiziers, der die Gegenfront anführte. Alleine war sie die perfekte Zielscheibe. Sie war aber auch das perfekte Mädchen. Sie war mein perfektes Mädchen." Sein Blick schweifte ab in eine eigene Welt, wo nur seine Erinnerung lebte. Sie funkelten glücklich, mit einem Schimmer des Vermissens und dem Schatten der Trauer.
"Sie erzählte mir, dass sie oft alleine zu Hause war. Seit dem behielt ich die Umgebung im Auge. Niemand sollte ihr etwas tun. Cathy war ein wunderbarer Mensch und half einfach jedem. Kein böses Wort kam über ihre Lippen und sie behandelte jeden Menschen mit Respekt, egal, ob ein Sacretti, ein Bauer, oder ein Bettler."
Ein sanfter Ausdruck nahm Besitz von den Gesichtszügen des Scorstre. Elena Catherines Warmherzigkeit lernte Mysteria schon kennen. Man musste sie einfach gern haben.
"Doch sie hatte ein Geheimnis. Sie hatte irgendwas erschaffen, dass sie versteckte und als Geheimnis bewahrte. 'Ich fühle mich so schrecklich, so schuldig', hatte sie immer gesagt. Ich weiss nicht, was genau es war, ich habe es nie as ihr herausbekommen." Er zuckte mit den Schultern und lehnte sich wieder zurück. "Deine nächste Frage."
"Wie kommt es, dass du immer noch lebst?", fragte Ria frech und grinste unverschämt, dass Valentin lachte.
Sie kannte wirklich keine Grenzen.
Gut.
Dann spielte er zurück.
Auf eine ebenfalls unverschämte Weise.

Er stand auf und ging vor ihr in die Hocke. "Welche Augenfarbe habe ich?", fragte er und sein Gesicht rückte einige Millimeter näher an das ihres, dass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. Mysteria spürte den feinen Hauch seines Atems auf ihrer Haut. "Aussen grün, dann blau und in der Mitte, ganz nah an der Iris, grau", antwortete sie ruhig. Äusserlich schien sie unbeeindruckt aus, doch Valentin musste nur in ihre Augen sehen, um zu wissen, dass sie alles andere als ruhig war.
Aber sie war nicht nervös.
Verwirrt und belustigt, ja. Ein klitzekleines bisschen ängstlich sogar. Aber zum ersten Mal machte er jemanden nicht nervös. Zumindest keine junge Frau.
"Leuchte hier rein", sagte er leise und zeigte auf sein Auge. Mysteria schloss für einen Moment die Augen. Dann öffnete sie sie und ihre neonblauen Augen leuchteten, wieder wie Scheinwerfer. Mysteria sah die Welt ganz normal, nur der blaue Lichtpegel verriet sie. Sie sah ihn Valentins Augen und sah-

Bernstein und Geschichten.

So viele Geschichten, die er erlebt hatte.

So viel, dass sie nicht den Blick von dem geheimnisvollen Scorstre abwenden konnte.

Die Chroniken der SchattenwesenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt