10. Kapitel

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Hællæ ;)
Wow, das ist schon das zehnte 'richtige' Kapitel dieser Story!
Ich hoffe, sie gefällt euch bisher. :)

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Nachdem ich mich angezogen habe, spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht und schaue in den Spiegel. Das hätte ich vielleicht lieber nicht tun sollen, denn ich sehe total erschöpft aus. Meine nassen, dunklen Haare hängen über meine Schultern und meine hellblauen Augen wirken kraftlos und glasig. Ich bin total blass, bis auf die immer noch geröteten Wangen.
Tom liegt schlafend in meinem Bett, neben ihm sitzt ein müder Danny und schaut mich erwartungsvoll und dennoch skeptisch an. "Kenny ist total durch den Wind. Was hast du mit ihm gemacht? Er ist total neben sich gewesen, aber sofort eingeschlafen. Was ist passiert?"
Ich antworte zunächst nicht, sondern trete ans Bett und decke den Norweger, dessen Stirn selbst im Schlaf gerunzelt ist, ordentlich zu. Anschließend streiche ich dem Elf über die feuchten Haare.
Dann meine ich: "Du teilst doch mit Tom das Zimmer, nicht wahr? Ich kann sicher in seinem Bett schlafen...schließlich liegt er in meinem. Lass uns rübergehen, da erzähl ich es dir." Ich muss einfach mit jemandem darüber reden.
"Wohin geht ihr?", fragt uns ein noch halb schlafender Anders und setzt sich auf. Als ich ihm antworte, greift er nach einem am Boden liegenden Hoodie und wirft ihn mir zu. "Damit du besser schlafen kannst", meint er leise und fällt dann zurück in sein Kissen.
Ich werfe mich auf Toms Betthälfte und warte, bis Danny seine Wale ausgezogen hat und seinen Kopf auf meinem Schoß ablegt. Ich spiele mit seinen Haaren, denn zum einen liebt er das und zum anderen hilft es mir, meine Gedanken zu ordnen.
"Ich hab ihn geküsst", sage ich schließlich ganz leise und schaue den blonden Norweger an. Er öffnet mehrmals den Mund, um etwas zu erwidern, schließt ihn aber dann wieder und letztendlich bringt er nur ein erstauntes 'Oh' heraus.
"Er hat so verzweifelt ausgesehen. Und ich will doch, dass er glücklich ist. Aber er hat sich nur entschuldigt und ist rausgestürmt. Er hat das wahrscheinlich sowieso nur zugelassen, weil er betrunken ist. Und aus irgendeinem Grund verzweifelt. Er hat gesagt, er habe mich enttäuscht. Hat er ja auch. Aber das ist kein Grund, mich dazu zu bringen, ihn zu küssen und dann abzuhauen. Oder?"
Ich erwarte keine Antwort, aber Danny erwidert trotzdem etwas. "Ich weiß es nicht", meint er ruhig und schaut mir in die Augen, "Ich hab das Gefühl, er weiß es vermutlich selbst nicht."
Ich nicke nur schwach und sage nichts.
"Du liebst ihn, nicht wahr?", spricht Danny mich nach einer Weile an. "Sag du es mir", flüstere ich verzweifelt, "wie fühlt sich Liebe an?" Danach herrscht Stille im Raum. Es ist genau die Frage, die ich mir die ganze Zeit schon stelle. Wie fühlt sich Liebe an und ist das, was ich für Kenneth empfinde, eben dieses verwirrende Gefühl?
Danny schweigt für einige Augenblicke und starrt Löcher in die Luft. Er überlegt. "Liebe ist genauso schwer zu beschreiben, wie der Geschmack von Wasser. Man sagt, man liebt denjenigen, an den man morgens zuerst und abends zuletzt denkt. Denjenigen, mit dem man sich ein Leben vorstellen kann. Denjenigen, dem man am meisten vertraut und der wichtiger ist als alle anderen. Denjenigen, der für einen der schönste Mensch auf der Welt ist, mit all seinen Macken. Es gibt so viele Kriterien. Aber ich glaube, man liebt jemanden, wenn man der Grund für sein Lächeln sein möchte, aber auch die Schulter zum Anlehnen in schwierigen Zeiten, und zwar immer. Weil du das für diese Person viel besser kannst, als jeder andere."
Ich nicke langsam. Es trifft so vieles zu. Danny scheint mich zu verstehen und legt sich jetzt ordentlich in sein Bett, nachdem er mir eine gute Nacht gewünscht hat. Kurz darauf atmet er ruhig und gleichmäßig. Ich kuschele mich an Kenneths Hoodie und versuche ebenfalls einzuschlafen.
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Schreie zerreißen die absolute Stille um mich herum und ich taste blind die stockdunkle Umgebung ab. Die Schreie scheinen von allen Seiten gleichzeitig zu kommen. Kenneth. Wo ist er? Ich muss auf ihn aufpassen. Sind das seine Schreie? Allein der Gedanke sorgt dafür, dass mir schlecht wird. Ich kann nicht aufstehen, muss kriechen. Nirgendwo gibt es einen Gegenstand, an dem ich mich orientieren könnte. Die Schreie kommen näher, engen mich ein. Plötzlich werden sie von höhnischem Gelächter übertönt. Eindeutig Stine. Dann Kenneths Stimme. Sie dröhnt von oben zu mir herab. 'Verschwinde aus meinem Leben. Lass mich endlich in Ruhe. Ich liebe Stine. Nicht dich, du bist so erbärmlich. Langweilig. Abstoßend. Du könntest nie so sein wie sie. Ich könnte dich nie lieben. Du bist Abschaum.' Er schleudert mir die Worte entgegen. Wie Messer. Sie zerfetzen meine Brust. Die Schreie ändern sich. Höher, klarer, näher. Meine Schreie. "HELEN!"
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Ich sitze aufrecht im Bett, die Augen weit geöffnet um die Erinnerungen zu verscheuchen. Mein Puls rast.
"Liebling, Liebes", flüstert Kenneth in mein Ohr. Er sitzt hinter mir und hält mich fest, während Danny vor mir auf dem Bett kniet und mich entsetzt anschaut. "Ich hab dich nicht wach gekriegt, Prinzessin, du hast geschrien und..."
Ich schüttele den Kopf, presse meine Hände gegen die Schläfen und sofort verstummt Danny. Kenneths Stimme in meinem Kopf zischelt weiter. Ich halte das nicht aus. "Hör auf! Sei endlich leise!"
Kenneths Griff um meine Taille verstärkt sich und er streicht über meinen Rücken, aber ich muss weg, ich kriege keine Luft. Ich taumele in Richtung des Balkons und kann mit zittrigen Fingern die Tür öffnen. Endlich strömt kühle, erfrischende Nachtluft in meine Lungen und die Stimme wird leiser, bis sie ganz verstummt.
Vorsichtig legen sich wieder zwei starke Arme um meine Taille. Ich lehne mich zurück an Kenneths Brust und lasse zu, dass er mich zum Bett führt, wo er sich hinlegt und mich zu sich herunter zieht. Ich will ihn wegstoßen, nicht bei mir haben, aber gerade brauche ich ihn so sehr, um runterzukommen. Ich lege meine Hände auf seinen Bauch und meinen Kopf gegen seine Brust.
Endlich habe ich meine Atmung wieder unter Kontrolle. Es war nur ein Traum, es ist alles wieder in Ordnung. Das schwierige ist nur immer, mich aufzuwecken.
"Was war es diesmal, Liebes?", fragt Kenneth schließlich zögerlich. Soll ich es ihm erzählen? Er wird sich Sorgen machen, und Vorwürfe. Sein mitfühlender Blick siegt jedoch - wie immer - und ich erzähle ihm alles mit stockender Stimme.
Kenneth umarmt mich fest. "Du weißt hoffentlich, dass das nicht stimmt, ja?", fragt er mich eindringlich und ich nicke. Er scheint erleichtert und setzt sich auf. Nachdem er kurz einen Kuss auf meine Stirn gedrückt hat, wendet er sich an Danny: "Pass auf sie auf, okay?"
Der blonde Norweger sieht genauso verwirrt aus, wie ich es bin, nickt aber brav. Kenneth lächelt mir noch einmal kurz zu, dann wünscht er uns eine gute Nacht und verschwindet. Danny und ich schauen ihm verwirrt hinterher. "Na den versteh mal einer!", meint er dann und zieht die Decke zurecht.
Das sehe ich auch so, was war das denn? Erst kommt Kenneth, weil Danny mich nicht aus meinem Albtraum aufwecken kann, und er scheint total besorgt, aber dann verschwindet er einfach wieder? Naja, das ist ja andererseits nicht das erste Mal heute...
Enttäuscht kuschele ich mich wieder in Kenneths Hoodie und schlafe ein.

Mein fliegender Held Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt