16. Kapitel

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Kenneths POV:

Während sich meine Teammitglieder mit anderen Springern unterhalten, sitze ich einfach nur an der Bar.
Ich lasse Helen nur so ungerne alleine mit Danny zurück. Wieso ist mir erst jetzt, wo sie mir gesagt hat, dass sie in jemanden verliebt ist, aufgefallen, dass sie Danny mehr als nur freundschaftlich mögen könnte? Sie lächelt so oft, wenn sie in seiner Nähe ist.
Das Lächeln meines kleinen Sonnenscheins macht mich glücklich, aber der Gedanke, dass jemand anderes der Grund dafür ist, bereitet mir ein seltsames Ziehen in der Brust.
Ich kann es einfach gar nicht sehen, wenn jemand sie berührt, denn ich will der einzige sein, der das darf. Und seit einer Weile ist mir auch klar, wieso. Ich habe mich in die kleine Deutsche mit den langen, kastanienbraunen Haaren und den funkelnden, grünblauen Augen verliebt.
Im Nachhinein ist es mir rätselhaft, wieso mir das nicht schon viel früher aufgefallen ist.
"Kennylein!", reißt Tom mich aus meinen Gedanken. Er legt schwungvoll einen Arm um meine Schulter und meint: "Naa, denkst du wieder mal an dein Herzblatt?"
"Sie ist nicht mein Herzblatt", erwidere ich leise. Wieso muss er immer wieder damit anfangen? Sieht er nicht, dass mir das wehtut? Ich starre wehmütig Löcher in die Luft, was Tom natürlich nicht entgeht.
"Aber du bist ja sooo in sie verknallt!", grinst er jetzt wissend. Ich verdrehe nur genervt die Augen.
"Ja, bin ich, zufrieden?", fauche ich, "aber sie nicht in mich! Sondern in Danny!"
Verzweifelt fahre ich mit meinen Händen durch die Haare.
"Oh", flüstert Tom jetzt ganz betreten, "aber...bist du dir sicher? Sie scheint mir nur Augen für dich zu haben."
Der Scherzkeks ist auf einmal ganz einfühlsam, auch wenn er mir zuzwinkert. Das ist es, was ich so sehr an ihm schätze.
"Träum weiter. Sie hat mir gesagt, dass sie in jemanden verliebt ist. Natürlich ist es Danny. Wieso sollte ich das sein? Sie ist so perfekt! Schau sie dir an, sie ist unglaublich hübsch. Besonders ihre Augen. So ein Mix aus hellem grün und blau, mit dunkelblauen und goldenen Pünktchen. Und dann ihr Charakter...sie könnte jeden haben. Und Danny sieht viel besser aus als ich", murmele ich frustriert, aber wenn ich über sie rede, klingt meine Stimme irgendwie anders, so liebevoll.
"Aber...oh. Schau mal, da kommen die beiden!"
Ich drehe meinen Kopf automatisch in die Richtung der Tür, auch wenn ich eigentlich gar nicht sehen will, wie gut die beiden sich verstehen. Weil ich nicht derjenige bin, der da neben Helen steht.
Ihr Anblick ist atemberaubend. Das Kleid fällt elegant um ihren schmalen Körper, die hohen Schuhe und der kurze Rock betonen ihre langen Beine und ihre offenen Haare umrahmen perfekt ihr zartes Gesicht.
Ich kann gar nicht anders, als sie anzustarren. Aber da scheine ich im Raum nicht der einzige zu sein, denn viele Springer der anderen Nationen haben sie mittlerweile bemerkt und mustern sie. In dem Moment verfluche ich den kurzen Rock ihres Kleides. War ja klar, dass Danny ihr so ein Kleid aussuchen würde, denke ich mir und bin dabei sauer, aber auch traurig.
Wie gerne würde ich sie jetzt in meinen Armen halten! Aber nein, sie hat mich noch nicht einmal bemerkt. Stattdessen schleicht sich eine leichte Röte auf ihr Gesicht und sie sieht schüchtern zu Boden, sobald sie die ganzen Blicke auf sich spürt. Ich kann nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf meine Lippen schleicht, sie ist einfach süß.
Danny scheint ihr ebenfalls anzumerken, dass ihr das Ganze peinlich ist, und dirigiert sie jetzt in unsere Richtung.
"An deiner Stelle wäre ich mir da nicht so sicher, erinner dich an gestern Abend", flüstert Tom mir schnell zu, bevor die beiden Neuankömmlinge bei uns angekommen sind und er Helen schwungvoll in eine Umarmung zieht.
Voller Genugtuung fällt mir auf, dass die Farbe ihres Kleides perfekt zu der meines Pullis passt, den sie ja für mich ausgesucht hat. Dann schüttele ich aber schnell den Kopf, ich sollte mich wirklich nicht in solchen Einbildungen verrennen, auch wenn mir bei dem Gedanken ganz warm geworden ist. Es war bestimmt nur Zufall.
Als Tom Helen endlich wieder loslässt, traut sie sich nicht, zu mir zu schauen, und auch ich bin mir nicht sicher, ob ich mit ihr reden will. Einerseits ist da der Drang, sie beschützen und ihre Hände auf meinem Bauch spüren zu wollen, doch andererseits weiß ich nicht, wie ich nach meiner Reaktion auf ihr Geständnis mit ihr umgehen soll. Wieso ist Liebe so kompliziert?
Tom nimmt uns die Entscheidung letztendlich ab, indem er meine Kleine sanft in meine Richtung schiebt. Sie geht zögerlich einen Schritt auf mich zu und ich strecke automatisch meine Hand nach ihr aus und drehe sie einmal im Kreis.
"Wunderschön", flüstere ich mit belegter Stimme, woraufhin sie endlich zu mir aufschaut. Erneut ziert ein zartes Rot ihre Wangen und sie erwidert: "Danny hat gemeint, es würde dir gefallen."
Dann schaut sie schüchtern wieder zu Boden. Sie hat sich Gedanken darüber gemacht, ob sie mir gefallen würde? Und nicht Danny? Wieder breitet sich eine kribbelnde Wärme in meinem Körper aus, aber bevor ich etwas erwidern kann, ruft jemand meinen Namen.
Widerwillig gehe ich hinüber zu den Slowenen und unterhalte mich mit Peter, der nach mir gerufen hat.
So bleibt mir der Wunsch, bei Helen zu sein, immer wieder verwehrt. Wann immer sie gerade an der Seite der Tanzfläche steht, verwickelt mich jemand in ein Gespräch, und wenn ich frei bin, tanzt sie mit Danny oder Anders.
Letztendlich sitze ich wieder an der Bar, als Danny zu mir stößt.
"Na", spricht er mich an und klopft mir auf die Schulter, "Rede Mal mit ihr, deine Reaktionen gestern und heute Morgen verunsichern sie echt. Du musst mir nicht sagen, was los ist, aber sie hat es verdient."
Ich gehe erstmal gar nicht auf ihn ein. "Bist du in sie verliebt?", platzt es stattdessen aus mir heraus.
Plötzlich beschleicht mich ein ungutes Gefühl, dass irgendwas überhaupt nicht in Ordnung ist. Es verstärkt sich, als Danny antwortet: "Um Gottes Willen, nein! Sie ist eine gute Freundin. Ich würde euch nie im Weg stehen!"
Anstatt ihm richtig zuzuhören und erleichtert aufzuatmen, ziehe ich meinen verdutzten blonden Teamkollegen hinter mir her, während ich immer schneller den Saal durchquere.
"Irgendwas ist mit Heli!", rufe ich panisch über meine Schulter. Ich ahne, dass gerade etwas Schlimmes passiert, und ich muss sie unbedingt finden! Wo steckt sie nur?
In einer spärlich beleuchteten Ecke bewegt sich etwas und gedämpfte Schreie sind zu hören. Helen!
Mit ein paar Schritten bin ich bei ihr und dem Mann, der sie gegen die Wand drückt und versucht, sie zu küssen. Eine ungemeine Wut brodelt in mir auf. Ich reiße den Mann von meiner zitternden Heli los und werfe ihn mit aller Kraft zu Boden.
Ich sehe die Angst in seinem Blick, aber für mich ist sie wertlos, als ich mich über ihn Knie um wieder und wieder zuzuschlagen. Wie kann er es wagen, meiner Kleinen so etwas anzutun? Der Person, die ich liebe? Ich bin blind vor Wut!
Erst als mich starke Arme hochziehen, komme ich wieder zu mir. "Lass sie in Ruhe. Fass sie nie wieder an", fauche ich den Mann, der immer noch am Boden liegt, an.
Dann drehe ich mich zu Andreas und Tom, die mich von ihm losgerissen haben, an und frage panisch: "Wo ist Helen? Was ist mit ihr?"
Kaum zeigt Tom zum Ausgang des Saales, bin ich schon auf dem Weg dorthin und schnappe mir schnell meine Jacke. Draußen ist es echt kalt. In einigen Metern Entfernung sehe ich Helen, wie sie schluchzend in Anders' Armen liegt.
Mein Sonnenschein! Innerhalb von wenigen Sekunden habe ich sie in meine Arme gezogen und meine Jacke um ihre kühlen Schultern gelegt.
"Ich lasse euch dann mal alleine", meint der kleinste meiner Teamkameraden und verschwindet.
Nach einer Weile beruhigt sich die Atmung der zitternden Frau in meinen Armen wieder. Ich verteile viele kleine, zärtliche Küsse auf ihrer Stirn und bei jedem von ihnen flattern die Schmetterlinge in meinem Bauch wilder.
Sie schaut zu mir hoch und will einen Schritt zurücktreten, doch ich folge ihr, bis ihr Rücken an der Hausmauer lehnt und sie zwischen meinen Armen gefangen ist.
"Hab keine Angst, Liebes. Er wird sich das nie wieder trauen. Dafür hab ich gesorgt", flüstere ich gegen die warme Haut ihrer hohen Stirn.
Meine Kleine hebt endlich den Blick, aber zu meiner Überraschung funkeln ihre wunderschönen Augen mich böse an.
"Was bildest du dir eigentlich ein, Kenneth Gangnes?", schleudert sie mir wütend entgegen, "Erst rennst du weg, weil Tom meint, zwischen uns wäre etwas, dann rettest du mich und ich verliebe mich hoffnungslos noch mehr in dich. Dann checkst du das nicht, obwohl ich es dir sage, und bist wütend auf mich, aber gleich danach rettest du mich wieder? Wieso tust du das, verdammt?"
Ich bin zunächst total perplex, aber dann fange ich mich wieder und unterbreche ihren Redeschwall.
"Liebes, du hast keine Ahnung, wie sexy du bist, wenn du sauer auf mich bist", sage ich und wickele mir eine ihrer Strähnen um den Finger. Ich kann keineswegs verleugnen, dass mich das ganz schön anturnt, wie meine Kleine ihre Finger unter meinen Pullover schiebt, sie fest in meine Haut krallt, sodass es beinahe wehtut, und mich weiterhin böse anfunkelt.
Sie kratzt leicht aber dennoch schmerzhaft über meine Bauchmuskeln und schimpft weiter. Als sie sieht, wie ich mein Gesicht verziehe, streichelt sie sanft über die brennenden Stellen auf meinem Bauch.
Das alles lässt mich alles andere als kalt.
"Hör auf, Liebes, sonst...", knurre ich ihr zu, doch sie schaut mich nur mit großen Augen an, fährt weiterhin die Konturen meiner Bauchmuskeln nach und flüstert gegen meine Lippen: "Was, Liebling?"
Als sie ein weiteres Mal, jetzt aber vorsichtiger, über meinen Bauch kratzt, ist es um mich geschehen.
"Verzeih mir", flüstere ich gegen ihre Lippen, als meine Gefühle die Oberhand gewinnen.
Ich beuge mich ein Stück zu ihr herunter, dann streichen meine Lippen zärtlich ihre und ich vertiefe den Kuss ganz langsam und liebevoll. Sobald meine Kleine den Kuss sanft erwidert, weiß ich, dass es nichts Schöneres auf der Welt gibt.

Mein fliegender Held Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt