Aufstand

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LESEPROBE



Ich hörte laute Schreie, Schluchzen, wehmütiges Gejaule. Es war ein kleiner Junge, der gegen die festen Griffe der Wachen ankämpfte. Der Grund für seine Wut war nicht besonders schwer zu erraten.
Zwei Menschen hingen am Galgen zu dem er gelangen wollte. Wahrscheinlich seine Eltern.
"Ich muss zu ihnen. Sie brauchen ein Begräbnis!", schrie er wie wild.
Eine der Wachen schlug ihm mit seiner Faust direkt ins Gesicht. "Halt deine Schnauze, du dämlicher Bengel! Sie sind schon lange in der Hölle und wenn du weiter so machst folgst du ihnen."
"Ich will sie nur los binden. Bitte!", rief er völlig verzweifelt.
Ich konnte es nicht mehr ersehen. All die Willkür, die Angst in den Augen der Menschen, die sinnlose Gewalt. Warum nur tat niemand etwas dagegen?
Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Warum tat ich nichts dagegen?
Ich war schnell, konnte rennen wie kein anderer. Nur zwei Messerhiebe, platziert an der richtigen Körperstelle dieser Wachen, würden sie töten. Vielleicht würde ich es überleben, vielleicht auch nicht. Doch es war mir ohnehin gleich. Welchen Nutzen hatte meine Existenz schon?
Es gab niemanden mehr auf dieser Welt, den ich liebte, niemanden mehr den ich beschützen musste, um den es sich zu kümmern galt. Warum also verschrieb ich mein Leben nicht dem der Bürger.
Ich atmete tief aus und fand mich damit ab wahrscheinlich in diesem Moment entschieden zu haben mein Leben zu geben.
Ich zog die Kapuze meines Umhangs tief ins Gesicht und umklammerte den alten Dolch, den ich immer bei mir hatte, fest in meiner Hand.
"Sie verdienen es, Herr.", betete ich leise flüsternd, "Sie dienen dem Teufel höchst persönlich. Ihr Ableben sichert das Leben vieler guter Menschen."
Erneut schlug die Wache auf ihn ein. "Halt dein Maul!", rief sie erneut.
"Sie dürfen nicht dort hängen bleiben.", meinte der Kleine und schaffte es beinahe aus den Griffen des Mannes zu fliehen, doch dieser hob ihn hoch und schleifte ihn neben seine Eltern.
"Holt mir ein Seil! Ich zeige euch was mit jenen passiert, die sich gegen den König stellen!", rief er zu den umherstehenden Leuten, die seit Anbeginn gelauscht hatten, in der Hoffnung nicht aufzufallen.
Vorsichtig schlich ich durch die Mengen, die sich langsam verdichteten.
Wieso taten sie das? Wieso gaben sie ihm die Aufmerksamkeit, die er wollte?
Die andere Wache übergab dem Grobian ein Seil. Ich sah die Freude in seinen Augen als er es um den Hals des Jungen fest zog.
Ich sah meine Chancen schwinden. Eigentlich wollte ich sie heimlich überwältigen, doch nun sah jeder zu.
Ich atmete tief durch. Niemand würde sich jemals wehren, wenn keiner einen Anfang wagte.
Sie mussten erfahren das es Widerstand gab.
"Haltet ein!", schrie ich ohne fassen zu können, was ich da gerade tat, "Wenn ihr dem Jungen auch nur ein Haar krümmt, werdet ihr sterben!"
Die Leute um mich herum entfernten sich von mir. Die Wache lachte laut.
"So so. Und ich nehme an ihr wollt dieses Urteil vollstrecken?"
Ohne nachzudenken folgte ich dem Chaos der Gefühle in meinem Inneren. Ich holte aus, warf das Messer und traf ihn, wie durch ein Wunder, genau in sein rechtes Auge. Er schrie lauthals los und fiel jammernd zu Boden. Ich hörte die Bürger aufgeregt tuscheln.
Die andere Wache zog sein Schwert. Er pfiff und von allen Seiten traten noch mehr von ihnen aus dem Schatten hervor.
Es waren zu viele. Mit allem Segen Gottes hätte ich noch den anderen ausschalten können, doch zwanzig weitere war eindeutig ein unmögliches Unterfangen für mich.
Plötzlich ertönte ein Raunen in der Menge. Ich folgte ihren Blicken nach oben. Ein dutzend maskierte Männer sprangen von den Dächern und erledigten Wache für Wache.
Ich konnte nicht mehr richtig atmen, mein Verstand war nicht mehr in der Lage dem Geschehen zu folgen. Wohin ich auch sah, sah ich Blut. Die Menschen liefen davon, es herrschte Chaos.
Plötzlich spürte ich einen heftigen Schlag auf meinem Hinterkopf. Sofort verlor ich das Bewusstsein und fiel zu Boden.

Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt