Der Meuchelmörder

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Ganz Italien redete über die Neuigkeiten, die sich wie ein Lauffeuer verbreiteten.
Die Menschen redeten, flüsterten, feierten, trauerten.
"Eine Königin? Sie wird ihn wohl hoffentlich zur Vernunft bringen."
"Ein garstiges Weib im Bette des Königs wird nur noch alles schlimmer machen."
"Er heiratet wegen seinem Ruf, hörte ich. Die Adligen begannen zu reden."
"Vielleicht wird ihn ein kräftiger Busen wieder zur Besinnung bringen."
Es war ein Graus mit dem König an der Seite durch die Straßen zu laufen. Ein jeder begaffte mich und lästerte. Ich war das Thema eines jeden Bürgers, etwas, mit dem ich in meinem Leben niemals gerechnet hatte.  Noch nie hatte ich mich in einer anderen Rolle als der des armen Bettlermädchens gesehen. Doch nun solle ich plötzlich ein Königreich führen?
Es war so viel mehr, das bald auf meinen Schultern lasten würde. Es gab so viel, das ich nicht gesehen hatte.
Ich würde nicht nur seine Dirne werden, sondern ebenso die Königin von Venezia.
Gerade stand ich vor einem Stand auf dem Markt und tat so als würde ich die Blumen besehen, die der Händler unterwürfig anpries, doch eigentlich war ich tief in meinen Gedanken versunken.
Um mich herum sammelten sich Wache um Wache und nicht weit weg von mir stand der König. Auch er sah sich die verschiedenen Stände an.
Ich schluckte schwer. Von nun an würde es schwer werden mit mir in Kontakt zu treten. Schon seit Tagen bestand der König auf meine dauerhafte Anwesenheit im Schloss und Sekunde für Sekunde war ich umringt von seinen Männern. Wahrscheinlich war es jetzt nur noch Matteo, der mir Informationen geben konnte, doch auch er hatte sich seit einiger Zeit nicht mehr blicken lassen.
Ich war eine Gefangene, nichts weiter, gezwungen eine Beziehung zu einem Menschen aufzubauen, für den ich nur eine Emotion empfinden konnte: puren Hass.
Doch was nützte mir all mein Selbstmitleid? So war es nun einmal. Ich würde nicht ewig in dieser Situation verharren. Schon bald würde einer von uns sterben. Entweder würde ich mein Ziel erreichen und zusehen, wie Matteo persönlich den Kopf vom Haupte des barbarischen Königs trennen würde oder ich würde die Jenige sein, die scheiterte und starb.
Aus dem Augenwinkel sah ich wie der König wieder auf mich zukam. Ich versuchte in die Realität zurück zu gelangen und meine Fassung zu bewahren.
Ich sah ihn lächelnd an. "Konntet ihr etwas finden?", fragte ich, bemüht so interessiert wie nur möglich zu klingen.
Er schüttelte den Kopf und kam einen Schritt näher. "Leider nicht, tenerezza. Zumindest was mich angeht."
Er nahm etwas aus einer kleinen Tasche hervor. Es war eine goldene Kette, mit wunderschönen Gravuren und Einkerbungen.
"Darf ich sehen, ob sie euch steht?"
Ich nickte, drehte mich um und strich meine Haare bei Seite. Ich spürte wie er mir das Geschmeide anlegte. Das kalte Metall berührte meine Haut nur sanft. Ich wendete mich wieder ihm zu. Verblüfft sah er mich an.
"Ihr seid wunderschön, bei Gott. Ein Geschöpf wie ein Engel."
All die Zeit war er so nett zu mir. Bis jetzt konnte ich noch nicht begreifen, warum er so war. Warum er all seinen Hass so lange zügeln konnte, sogar wenn wir einmal allein waren. Nein, er spielte stets den Edelmann, zeigte keinerlei Züge, eines Tyrannen.
"Ihr habt einen hervorragenden Geschmack.", sagte ich.
"Ich glaube nicht.", erwiderte er, "Euch steht einfach alles fabelhaft. Das ist alles."
All diese Komplimente verwirrten mich. Sie ließen mich vergessen, was für ein Biest er wirklich war und das war etwas, das ich besser nicht vergaß.
Der König nickte zu den Blumen. "Und?", fragte er, "Habt Ihr euch bereits entschieden, welche Blumen ihr für eure Hochzeit wollt?"
Erst jetzt fiel mir wieder auf, dass ich aus einem Grund, an jenem Stand gewesen war. Ich atmete tief aus und übersah noch einmal die verschiedenen Blüten und Farben, doch meine Wahl konnte ich ohnehin leicht treffen. "Rosen.", sagte ich, "Ich möchte Rosen auf der Vermählung haben, wenn es euch beliebt."
Emilio Cafissi klatschte freudig in die Hände. "Wie wunderbar. So soll es sein. Ich werde meine Männer sofort anweisen. Geduldet euch nur kurz, tenerezza."
Er ging eilig davon, um seinen Hochzeitsplaner wiederzufinden, den wir schon seit einigen Stunden in dem Getümmel der Stadt verloren hatten.
Gerade wollte ich zu einem Bäckersmann laufen als mir ein Mann auffiel. Ein langes dreckiges Gewand verdeckte seinen Körper, eine Kapuze sein Gesicht. Er war auffällig in diesem Viertel voller reicher Menschen, die nur die schönsten Kleider trugen.
Er besah einige Stände, doch ich bemerkte wie er vorsichtig immer näher kam.
Ich verlangsamte meinen Gang. Er wollte zu mir. Ich sah wie er seinen Kopf immer wieder kurz in die Höhe hob und mich besah.
Entweder war es einer von Masjats Männern oder ein Meuchelmörder. Doch egal wer es war, von beiden wäre dieser Aufzug unglücklich gewählt worden. Er war wie ein Pfau in einem Hühnerstall, sogar die Wachen hatten ihn bereits bemerkt.
Plötzlich ging alles schnell. Er begann mit erhobener Klinge auf mich zu zurasen, ohne große Probleme griffen die Wachen nach ihm und schnitten seine Kehle durch als wäre es das normalste auf der Welt. Doch noch im selben Moment spürte ich eine Hand an meiner. Sie war so schnell wieder weg, wie sie gekommen war. Als ich mich umsah, sah ich niemanden. Nur die verängstigten Menschen, die die Leiche des Meuchelmörders betrachteten.
Es war ein Stück Papier. Ich fühlte ein Stück Papier in meiner Hand. Der Fremde hatte es mir untergeschoben. Ich sah mich schnell um, das mich auch niemand beobachtete, doch noch immer lag die Aufmerksamkeit aller auf dem Mörder, der nichts weiter war, als eine Ablenkung.
Ich knüllte das Papier zusammen und versteckte es in meinem Busen. Ich schmunzelte. Genau wie einst die blonde Schönheit auf dem Ball. Gäbe es so etwas wie Karma, hätte die Blonde nun auch mich gesehen und mich an den König ausgeliefert. Doch die Gräueltaten des Königs selbst waren der Beweis dafür, dass so etwas wie Karma nicht existierte.
Ich schluckte. Vielleicht existierte es doch. Vielleicht war ich das Karma, das Schicksal, das ihn bald heimsuchen würde.

Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt