Der Beginn des dunklen Zeitalters

1.7K 119 3
                                    

Venezia, Italien, Emilio mit 21 Jahren


Mit einer geballten Faust schlug ich wutentbrannt auf den Tisch.
"Ihr sagt ihr wärt mein Berater!", schrie ich den kahlen, alten Mann vor mir an, "Doch manchmal glaube ich ihr seid der Teufel höchst persönlich! So will ich kein König werden! Nicht auf diese Art und Weise!"
"Es ist der einzige Weg.", erwiderte der Alte so trocken, dass es schon wieder arrogant wirkte.
Ab und zu stimmte ich mit der Meinung von Pietro Pisani überein. Doch die meiste Zeit empfand ich sie für eindeutig zu radikal. So recht wusste ich nicht, warum ich ihn erwählt hatte mir bei meinem Plan beizustehen. Er war ein langjähriger Familienfreund, sì, doch das machte ihn nicht automatisch zu einem weisen Mann.
"Wenn wir die Menschen derart gegen den König aufbringen, werden sie ihn töten.", sagte ich.
"Na und", keifte Pietro, "Was wollt ihr werden? Die Amme einer Frau oder der König von Italien. So funktioniert es nun einmal. Er wird euch den Platz nicht geben, auch wenn ihr höflich darum bittet."
"Ich kann warten.", erwiderte ich, "Vielleicht kann ich einen Posten als Berater bekommen und eines Tages, nach seinem Tod, den Thron übernehmen."
Der Alte lachte auf und spuckte dabei wie wild durch die Gegend. "Ihr seid ein Narr!", rief er, "Sein Sohn wird den Thron nach ihm besteigen, danach dessen Sohn und danach dessen Sohn. Und ihr, ihr werdet jämmerlich in der Position des Beraters sterben. Den Thron bekommt ihr nur durch einen Umsturz! Durch Gewalt!"
Ich rollte die Augen. "Die Menschen unterstützen mich schon jetzt.", erwiderte ich, "Sie sehen es wie ich. Der König ist nicht perfekt. Das nutze ich. Das Volk wird für mich stimmen, wenn es zu einer Wahl kommt."
Erneut lachte Pietro. "EINE WAHL? Ihr seid wahnsinnig! Vollkommen irre! So weit wird es niemals kommen. Die Menschen wissen nicht einmal, was dieses Wort bedeutet."
"Ich werde es ihnen beibringen.", erwiderte ich, "und nun geht! Ich will euch nicht mehr sehen."
Er grunzte vor sich hin, hievte sich hoch und humpelte aus dem Raum.
Ja, ich wollte König werden. Doch nicht wegen des Geldes, des Reichtums sondern wegen der Macht etwas zu verändern. Also musste ich damit beginnen und ohne Gewalt oder Anarchie den Thron besteigen.
Die Tür zu dem stickigen Raum, in dem ich mich stets beriet, öffnete sich.
Eine junge Schönheit trat ein. Ihr rotblondes Haar so fließend wie ein Wasserfall, und so seidig glänzend wie der schönste Stoff von allen. Mit ihren grünen Augen sah sie mich an. So voller Liebe, voller Vertrauen.
"Kajetana.", stieß ich hervor, wie immer überwältigt von ihrer Schönheit.
"Emilio.", erwiderte sie und kam mir näher. "Ihr seht unglücklich aus, vita mia. Hat euch Pietro wieder einmal erzürnt."
"Wie immer.", sagte ich und legte meine Hände um ihren zarten, dünnen Körper.
"Er sieht die Welt mit dunkleren Augen.", meinte sie, "Lasst euch davon nicht beeinflussen."
"Das werde ich nicht.", antwortete ich, "Gibt es einen Grund warum ihr hier seid?"
Sie nickte und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Er wurde so düster, dass es mir kalt den Rücken hinab lief.
"Der König hat genug von euch. Mein Spion teilte mir mit, dass er einigen Bauern Geld versprach, wenn sie gegen euch hetzen würden."
"Wie viele hat er bestochen?"
"Beinahe ein ganzes Dorf. Wir können nur hoffen, dass sich eure Mitstreiter von ihnen nicht beeinflussen lassen."
Ich nickte nachdenklich. Sprachen Gleichgesinnte zu Gleichgesinnten war es sehr gut möglich, dass sie einander zustimmen würden. Das konnte gut für mich sein, doch ebenso gut für den König. Die Frage war welche Seite des Volkes, die jeweils andere überzeugen würde.
"Macht euch keine Sorgen.", hauchte Kajetana liebevoll in mein Ohr, "Ihr habt beinahe das ganze Volk Venezias hinter euch. Es wird euch nichts geschehen."
Sie hatte Recht. Ich hatte ein wenig gegen den König augestachelt. Hatte seine Völlerei, seinen übermäßigen Prunk und seine Hurerei öffentlich kritisiert. So sehr er auch wollte, dass ich von der Bildfläche verschwinden würde, es passierte nicht. Ich war ein Phantom, ein Schatten, stets schnell genug wieder weg, wenn er seine Wachen schickte. Ohnehin stammte ich aus einer adligen Familie. Selbst, wenn er mich gefasst hätte, so hätte er mich nicht ohne jegliche Verhandlung töten können.
"Nicht mehr lange und ihr seid am Ziel.", flüsterte sie, "Es sind seine letzten Versuche, etwas zu ändern, dass schon längst nicht mehr zu verändern ist. Betrachtet euch schon jetzt als den König von Venezia, Emilio."
Ich betrachtete sie, ihre grünen hoffnungsvollen Augen, die mir den Himmel zu zeigen schienen.
Ich kannte Kajetana schon seit sehr langer Zeit. Ich war mit ihr am Hofe meines Vaters aufgewachsen. Ein jeder hoffte, dass wir uns einmal vermählen würden. Gott war unserer gnädig, denn wie das Schicksal es wollte verliebten wir uns. So schnell und so sehr, wie wohl kein anderer auf der ganzen Welt. Gleich nach meiner Krönung würde ich sie heiraten, das hatte ich geschworen.
"Ruht euch ein wenig aus.", meinte sie und küsste mich zärtlich. Ihre Lippen auf meinen bedeuteten stets das Paradies für mich.
Lagsam löste sie sich von mir und ging voraus in unser Schlafzimmer.

Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt