"Ich kam so schnell ich konnte, als ich davon hörte.", rief ich Emilio zu als ich geschwind durch die großen Hallentüren schritt während er aufgeregt hin und her lief.
Als er mich hörte, schreckte er auf und kam auf mich zu gerannt.
Er küsste mich leidenschaftlich, mit einem Hauch von Wut.
Dann löste er sich von mir und pfefferte mir seine Hand ins Gesicht.
Völlig perplex sah ich ihn an.
Kurz blieb er noch wütend, dann sah er mich entschuldigend an. "Tenerezza, das wollte ich nicht.", hauchte er und küsste, die feuernde Stelle sanft.
Ich packte ihn an seinem Gewand und zog ihn grob zu mir. "Schlagt mich nie wieder.", flüsterte ich in sein Ohr, "Ich dulde alles, was ihr tut, doch das nicht."
Er schluckte schwer und nickte reuevoll.
Ein jeder andere Ehemann hätte mich wohl für solche dreisten Worte noch mehr zusammen geschlagen, doch ich kannte Emilio nun gut genug, um zu wissen, welcher Typ Mann er war. Kein besonders verbreitetes Exemplar in dieser Zeit, so viel stand fest.
"Was also habt ihr vor zu tun?", fragte ich, nachdem ich ihn wieder los gelassen hatte.
Er zucke nachdenklich mit den Schultern. Mit einem Wink befahl er Matteo zu sich, der die ganze Zeit auf der Lehne des Throns gesessen hatte.
"Ich brauche nun eure Fähigkeiten als Berater.", sprach Emilio und atmete schwer aus, "Was ist angemessen zu tun?"
"Nichts wäre wirklich angemessen.", antwortete er zurückhaltend, "Wir haben keine Anhaltspunkte, keine Ahnung wer zu ihnen gehört und wer nicht. Versuchen wir zu bestrafen, bestrafen wir die Falschen."
"Nein.", sagte der König, "Unser Ansatz war gut. Wir zeigen uns nach außen hin liebevoll. So wie es unsere Taktik war."
Ich und Matteo sahen uns bedeutungsvoll an. Ja, tatsächlich war es das, was wir nicht wollten, denn eine solche Taktik war die richtige. Nur so konnte er wirklich gegen diese Revolution arbeiten. Sobald die Menschen Zweifel hegten, war alles verloren. Sie mussten überzeugt sein von der Grausamkeit dieses Tyrannen.
"Doch sagtet ihr nicht, dass man nur mit Gewalt und Angst ein Volk beherrschen kann?", fragte ich in der Hoffnung er würde diesen Weg einschlagen.
Ich sah es in seinen Augen. Er wollte es, am liebsten hätte er jeden zu Tode geprügelt, der auch nur in der Nähe des Tumults gestanden hatte, doch plötzlich wusste er sich zu benehmen. Ihm war wohl bewusst, dass es gefährlich war, so weiter zu machen wie bisher.
"In diesen Zeiten ist es wohl töricht.", antwortete er schließlich, "Es war wie bei meinem Vorgänger. Die Leute fanden etwas auszusetzen, er änderte es nicht und starb jämmerlich. Ich brauche nur ein wenig Geduld, sobald diese elenden Hezereien keinen Halt mehr finden und sich diese Revolutionsgruppe zerschlägt, kann ich fortfahren wie bisher."
Ich nickte langsam, nicht sicher was ich erwidern sollte. So sehr ich ihn auch in die Richtung der Unterdrückung leiten wollte, gab es doch keine plausiblen Argumente, die dafür sprachen.
"Genug von den Politischen Entscheidungen. Ich werde mit Matteo später noch einige Dinge besprechen. Wie geht es euch? Ihr müsst erschöpft sein?", fragte er und nahm meine Hand. Ich entriss sie ihm.
"Ja, allerdings. Ich werde heute in meinem alten Gemach verweilen, Emilio."
Er sah mich verwirrt an. "Meine Königin."
"Ich bin wütend auf euch.", sagte ich, "Ich will nicht gestört werden, vielleicht kann ich euch morgen dann vergeben."
Er verbeugte sich tief und gab damit seine Zustimmung. Unter meiner Fuchtel war er ein Narr. Nur ein Sklave der Liebe, die ich nicht einmal zu erwidern versuchte.
Ich ging dicht an Matteo vorbei und gab ihm bedeutende Blicke, in der Hoffnung er würde verstehen.
Kurz bevor ich den großen Saal verlassen wollte, drehte ich mich noch einmal um.
"Und Matteo, mein Lieber?", beide sahen mich steif an, "Das nächste Mal, wenn ihr in die Hände von solcherlei Staatsfeinden fallt, werden sie so leiden wie ihr es tatet. Ich wünsche euch eine gute Besserung."
Es war ein Genuss mit anzusehen, wie Emilio kurz zusammenzuckte, und wie er sich dann wieder ausgiebig erholte. Ein eindeutiges Zeichen, dass er es tatsächlich war, der ihn hatte foltern lassen.
Doch diesen Erfolg gönnte ich ihm. Es würde wohl sein letzter sein.
Die Nacht war kalt und dunkel in jenem Gemach, in dem ich eins zuvor geruht hatte. Es fühlte sich nicht mehr so ruhig an, wie vorher. Vielleicht war es auch meine innere Unruhe, die mich das denken ließ. Immer wieder wanderte ich umher. Sah aus den Fenstern, legte mich wieder hin, versuchte ab und zu zu schlafen und gab es schließlich wieder auf und wanderte weiter umher.
Seit dem sich das Schloss schlafen gelegt hatte, waren bereits Stunden vergangen. Hatte Matteo verstanden, was ich gemeint hatte.
Plötzlich hörte ich Geräusche, die Klinke meiner Tür bewegte sich langsam nach unten und eine Gestalt huschte hinein ins Zimmer. Erst sah es aus wie der König, doch im Schein einer einzelnen Kerze erkannte ich, dass es Gennaro war.
Ich atmete tief aus und umarmte ihn. "Ihr habt es tatsächlich geschafft.", stieß ich freudig hervor, bemüht nicht zu laut zu sein.
Er löste sich von mir und sah mich bedeutungsvoll an. "Wir haben nicht viel Zeit. Worüber wollt ihr sprechen?"
"Der König ist erzürnt. Ich glaube bedeutend mehr, als er mir zeigt. Er will sein Volk mit Nettigkeiten zurück erobern.", meinte ich.
"Ich weiß", erwiderte Gennaro, "Matteo berichtete uns bereits dieses Problem. Wir glauben es ist das Beste, wenn ihr weiterhin die verantwortungsvolle Königin bleibt und tut, was der König sagt, doch niemals zu viel. Doch das bedeutet, dass ihr eine noch bessere Revolutionärin werden müsst. Prangert auch die Königin öffentlich an. Zeigt ihnen, dass sie nicht die ist, die sie vorgibt zu sein. Die Menschen müssen wissen, dass sie nur dafür da ist, um sie zu beschwichtigen, damit ihr Mann weiterhin so leben kann wie er es schon immer tat."
Ich nickte. "Ich werde bald wieder zu euch kommen und wir werden den nächsten Schritt planen. Doch bis dahin macht weiter. Hinterlasst Botschaften, zeigt Mia als die Rebellin, bleibt aktiv."
"Ja.", antwortete er, "Das werden wir. Doch wir sind der Meinung, dass wir nicht mehr lange warten sollten, Aurora. Wir haben das Volk hinter uns. Es fehlt nicht mehr viel und wir werden einen Angriff auf das Schloss starten können."
Ich sah ihn an auf eine Art und Weise, die ich selbst nicht so richtig deuten konnte.
Die Wahrheit war, ich wollte den König noch nicht töten. Noch nicht. Tief in ihm steckte etwas, dass er stets hatte, doch seit langem versuchte zu verstecken, da war ich mir sicher. Doch der Hass und die Intrigen ließen ihn zu etwas werden, dass er niemals wirklich war. Vielleicht bestand auch für ihn Hoffnung. Vielleich konnte man ihn überzeugen, der zu sein, der er immer war. Vielleicht würde er von danen ziehen, in ein weit entferntes Land und dort neue Liebe finden. Es könnte ein schönes Leben sein, eines das er niemals missen wollen würde. Denn all die Paläste, all der Prunk, die Frauen, das Essen, die Feste. Es interessierte ihn nicht. Er war nich solch ein Mensch. Er war niemals gemacht für den Thron.
"Gennaro, übermittelt den Männern, dass sie sich gedulden sollen. Sie kennen den König nicht, doch ich tue es. Es gibt noch Hoffnung."
Gennaro sah mich fassungslos an. "Denkt ihr wirklich ihr kennt ihn? Ihr scheint zu vergessen, was für ein grausamer Mensch er ist."
"Mein Beschluss steht fest.", antwortete ich fest, "Und ihr wähltet mich zur Anführerin also tut ihr gefälligst was ich sage."
"Ja.", sagte er und begann zu schmunzeln, "Habt ihr noch mehr Befehle?"
Ich begann zu lachen und zog ihn zu mir. "Lest sie doch von meinen Augen ab."
Er begann mich zu küssen. Er küsste meinen Hals und umfasste meine Hüfte mit seinen weichen Händen. Er schubste mich auf das Bett und legte sich auf mich.
"Recht riskant, meint ihr nicht?", fragte ich zwischen seinen Küssen.
Er sah mich an und schmunzelte. "Auch ich kann ab und zu riskant sein, Aurora."
Gennaro zog das Nachtgewand empor bis über meinen Kopf und begutachtete meinen nackten Körper.
"Ihr seid eine wahre Schönheit.", flüsterte er liebevoll auf eine Art und Weise, die mich erröten ließ.
"Ich glaube ich liebe euch, Gennaro.", hauchte ich leise in sein Ohr.
Er lächelte. "Ihr glaubt?"
"Ich fühlte noch nie wahre Liebe.", antwortete ich, "Doch es fühlt sich so an, wie die Leute es immer beschrieben haben."
"Ich liebe euch.", sagte er, "Es braucht nur einen, der es sicher weiß."
Zum ersten Mal fühlte ich mich tatsächlich geborgen in eines Mannes Händen. Gennaro war liebevoll und zärtlich, doch anders als der König. Er schien keine Angst zu haben, ich sei zerbrechlich. Nein, er liebte mich so leidenschaftlich als wäre ich die stärkste Frau, die er kannte.
Ich hätte noch Jahre neben ihm liegen können, doch als die Sonne aufging und einen weiteren strafenden Tag ankündigte war es Zeit Abschied zu nehmen.
Gennaro küsste mich ein letztes Mal und verschwand dann aus dem Gemach, aus dem Schloss.
Genau richtig wie es schien, denn nur kurze Zeit später stieß der König unsanft die Türen auf.
"Es tut mir Leid, Tenerezza. Ich wollte euren engelsgleichen Schlaf nicht stören. Doch ich bitte euch seht hinaus aus dem Fenster."
Schnell sprang ich auf und tat, was er sagte. Ich traute meinen Augen nicht, konnte nicht fassen, was ich sah. Die Straßen, jede Straße, die ich von dem Turm aus sehen konnte, war voller Rosen. Rosen, wohin die Augen sehen konnten.
"Was hat das zu bedeuten?", fragte ich perplex.
"Ihr wisst, was das zu bedeuten hat. Das Volk erhebt sich gegen uns. Die Rose ist das Zeichen dieser Anführerin. Sie ist das Zeichen dieser gesamten nervenaufreibenden Fratellanza."
Ich wollte antworten, wollte etwas sagen, doch noch immer konnte ich nicht begreifen, welche Ausmaße der Tumult am gestrigen Tage bereits angenommen hatte.
Das Volk erhob sich. Ein kleiner Anstoß hatte genügt. Sie waren bereit zu kämpfen, sie waren bereit sich zu erheben.
"Wachen!", rief der König und trat aus dem Zimmer. "Tötet alle Besitzer von Blumenläden, wer braucht schon Blumen", schrie er wutentbrannt.
Ich fand langsam wieder zurück in die Realität und rannte ihm hinterher, um ihn davon abzuhalten. Als die Königin, die ihn zur Seite stehen musste, doch auch als die Rebellin, die keine sinnlosen Opfer wollte.
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Aurora Pollina - die maskierte Kriegerin
Historical FictionAurora Pollina ist die Tochter eines Bauern im italienischen Mittelalter. Als ein neuer König die Macht ergreift versinkt ihr Land in Armut und treibt die Menschen zur Hungersnot. Trotz ihres mangelnden Einflusses versucht sie schon bald den König...