Das Ende

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Wir zerrten den König durch unsere Tore hinein in das alte Gebäude. Vorerst fesselten wir ihn nur an einen klapprigen Stuhl im Speisesaal, doch ihn würde schon bald ein schlimmeres Schicksal ereilen.
Meine Männer schoben die Tische und Stühle bei Seite, damit wir genug Platz hatten.
"Ihr Sünder!", schrie er wutentbrannt, doch ich hörte einen Hauch von Todesangst in seiner Stimme.
"Zeigt mir zumindest meine Frau, jetzt da ihr mich habt. Lasst sie leben. Sie ist gut! Sie versuchte dem Volk zu helfen!"
War das alles, dass ihn in dieser misslichen Lage beschäftigte? Er würde schon bald auf eine schmerzhafte Art und Weise sterben, doch interessierte sich nur für seine Königin. Da war sie wieder. Die Liebe, die ihm schon bald das Leben kosten würde.
"Sie sündigte wie ihr!", erwiderte ich ruhig, "Sie war nur eine weitere Figur auf diesem großen Schlachtfeld. Macht es einen Menschen besser, wenn er vorgibt, freundlich zu sein, es jedoch nicht ist? Sie tat was getan werden musste um das Volk zu beruhigen. Mehr nicht."
Emilio spuckte auf den Boden vor mir. "Dann tötet alle, die auf meiner Seite waren! Tötet den Botschafter, tötet meinen Priester, meine persönliche Vorleserin, meinen Berater."
"Euren armen jungen Berater? Matteo de Rossi?", fragte ich und aalte mich in der Unwissenheit des Königs. Matteo stellte sich neben mich, beinahe ungeduldig sich endlich zu enthüllen und dem König das zu geben was er verdiente.
Verwirrt sah der König mich an.
Ich kam näher. "Den Matteo de Rossi? Der Cousin eurer Königin? Jener, den ihr ohne ihr Wissen gefoltert habt, wegen etwas an dem er nicht Schuld war?", ich lächelte schief.
Matteo nahm die Kapuze aus seinem Gesicht und lächelte hämisch. "Ich werde wohl nicht sterben.", erwiderte er.
"Ihr?", der König sah ihn ungläubig an, vollkommen geschockt, "Ihr wart die ganze Zeit ein Teil dieser Fratellanza?"
"Ihr ließet meine Familie töten und versuchtet es nicht einmal geheim zu halten! Ihr erzähltet davon und von ihren angeblichen Schandtaten. Ich habe euch niemals auch nur ein Wort geglaubt. Doch ich folgte euch. Ich folgte euch und wartete auf den richtigen Moment, um euch zu töten ein für alle mal."
"Ihr habt viel getan.", hauchte ich, "Vieles, dass euch Feinde einbrachte. Doch ihr habt immer weiter gemacht, habt nicht auf eure Umwelt geachtet. Aus ihrer Trauer wurde Hass."
"Ich kenne dieses Gefühl!", keifte er wutentbrannt, "Ich selbst erfuhr es als man mir meine Frau nahm obwohl ich mich ihren Forderungen beugen wollte! Tötet mich, das ist alles, was ihr wollt! Das ist, was das Volk begehrt, doch lasst meine Frau am Leben!"
Die Tür hinter uns öffnete sich und einer unserer Brüder trat ein, den wir beauftragt hatten die Lage draußen zu beobachten.
"Das Volk sammelt sich vor dem großen Galgen. Doch es gibt ein Problem."
Fragend sah ich ihn an.
"Sie fordern nicht nur den Kopf des Königs sondern auch den, der Königin."
Ich schluckte schwer. Dies war wohl eine Wendung, die wir hätten voraus sehen können.
Der König begann zu betteln und verlor dabei alle Würde, die er vielleicht noch besessen hatte. Matteo gab ihm einen Tritt damit er den Mund hielt. Ich brauchte die Ruhe um nachzudenken.
Ich dachte schnell, dachte an alles, was man hätte tun können, doch fand keinen Ausweg.
"Wir sagen ihnen, dass wir gelogen haben und wir sie nie hatten.", flüsterte Matteo.
"Ausgeschlossen!", sagte ich, "Sie ertragen keine weiteren Geständnisse mehr. Auch nicht von uns."
"Dann sagen wir, wir haben sie bereits getötet."
"Dann wollen sie eine Leiche sehen, die sie wohl verbrennen wollen."
"Dann ist sie eben entkommen."
"Unglaubwürdig. Wir haben es geschafft, den kompletten Adel zu stürzen und uns rennt eine junge Frau davon?"
"Wir erzählen ihnen die Wahrheit.", hauchte er beinahe bettelnd.
Ich schüttelte den Kopf. "Es würde alles zerstören, dass wir aufgebaut haben. Die gesamte Illusion von dem armen Volk, dass sich erhob. Schlimm genug, dass du dabei bist, aber jetzt noch eine Königin? Es würde das Volk unnötig verwirren und ihren Glauben gegen die Adligen wieder ein wenig einstürzen lassen."
"Was also habt ihr vor zu tun?", fragte Matteo.
Gebannt sah mich einer jeder in diesem Raum an. Ihnen voran Emilio, der flehend meinen Blick suchte.
"Dann muss die Königin eben sterben.", flüsterte ich.
Ein Raunen ging durch die Menge. Protestierende Rufe erfüllten den Raum.
"Das ist Wahnsinn!", schrie einer.
"Warum sollten wir das tun? Sie werden es schon überleben, wenn ihre Ideologie ein wenig getrübt wird.", erwiderte ein anderer.
Ich drehte mich weg von ihnen, hin zum König, gab ihren Rufen keine Beachtung.
"Bitte", hauchte er, "Nehmt mir alles, doch nicht sie."
Ich kniete mich vor ihm nieder und griff nach meiner Kapuze langsam zog ich sie von meinem Kopf und beobachtete wie der König geschockt begann zu zittern. Ich sah den Schmerz in seinen Augen. Die Schwärze rann dahin, und wurde ersetzt durch eine dunklere Farbe, für die es noch kein Wort gab. Ein Teil in ihm war wohl gestorben, jetzt wo er die Wahrheit kannte.
"Es hat nichts mit euch zu tun.", sagte ich, "Von Anfang an war ich bereit zu sterben und ich werde mein Wort halten.", ich drehte mich zu meinen Kumpanen, "Ihr braucht mich nicht mehr länger, meine Arbeit ist getan. Also lasst mich töten, es wird die Menge noch mehr anheizen! Sie sollen kriegen, was sie wollen. Ich werde auf dieses Podest als die Königin gehen und nicht als Rosa."
"Aber-", setzte Matteo an, doch ich hob meine Hand und gebot ihm zu schweigen.
"Keine weiteren Widerworte. Lebt mit meiner Entscheidung, ich werde mit ihr sterben. Nichts hält mich mehr auf dieser Erde. Vielleicht erfahre ich so endlich meine Erlösung. Und nun geht und bereitet alles vor."
Matteo senkte seinen Kopf und trieb, die sich immer noch deprimiert entgegensetzenden Männer nach draußen.
Ich wendete mich wieder Emilio zu.
"Wie konntet ihr mir das nur antun?", raunte er erschüttert, "Das ist Hochverrat. Eine solche Tat hätte ich euch niemals zugetraut. Wie habt ihr das nur geschafft, ohne dass ich etwas bemerken konnte?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Das Geschäft in der Stadt war immer nur eine Ausrede gewesen. Die Besuche bei der Schneiderin ebenso. Sie war die ganze Zeit eine Botin. Und um den Schein zu waren, übernahm sie ab und an meine Rolle während ich euch im Ehebett verwöhnte oder mit euch eine Partie Schach spielte, damit ihr mich nicht verdächtigen würdet."
"Unnützes Vorausdenken.", erwiderte er, "Selbst wenn es noch so offensichtlich gewesen wäre, ich hätte euch niemals verdächtigt!"
Ich kniete mich wieder vor ihn und betrachtete sein schmerzverzehrtes Gesicht ohne ihm eine Antwort zu geben.
"Ihr habt mich also niemals geliebt?", fragte er leise.
"Vielleicht hätte ich es tun können.", antwortete ich, "Doch ihr nahmt mir alles, was mir jemals etwas bedeutete."
"Dieser weiße Mann war also euer Liebhaber?"
"Er war meine Liebe.", wisperte ich schmerzlich, "Das erste Mal, dass ich ein solches Gefühl empfinden konnte und ihr nahmt es mir so wie meine Eltern, meine Würde, meine Freiheit."
"Ich habe schlimme Dinge getan, ich weiß.", säuselte er, "Doch ich hatte meine Gründe. Hätte ich gewusst, wer ihr wart, wer ihr einmal sein würdet. Ich hätte euch das beste Leben gegeben, das ein Mensch haben kann."
"Und trotzdem wäre ich wohl nicht einverstanden gewesen, mit den bösen Taten, die ihr an anderen ausübtet. Ihr habt gehandelt, aus welchen Gründen auch immer, und nun müsst ihr die Konsequenzen tragen. Ich habe gehandelt, aus welchen Gründen auch immer, und nun muss auch ich die Konsequenzen tragen. Ich werde euch begleiten. Ich werde als eure Königin mit euch sterben. Doch in dem Wissen, dass sich unsere Wege dort trennen werden. Denn egal ob Himmel oder Hölle, Paradies oder das Nichts. Wir werden uns niemals wieder sehen. Und das ist was mich glücklich macht."
"Suspekt", antwortete der König, "Ihr brachtet all das Unheil über mich, dass nun meinen Tod bedeutet, doch trotzdem liebe ich euch noch immer."
"Die Liebe trübt die Klarheit in unseren Köpfen.", sagte ich, "Meine Klarheit wurde wieder hergestellt als ihr meinen Liebsten tötetet. Ihr werdet wohl mit der Unklarheit sterben. Es tut mir Leid."
"Ich empfinde so etwas nicht als eine Bürde.", bemerkte er, "Manchmal ist es besser. Eigentlich ist es immer besser. Wer will diese Welt schon betrachten mit all dieser Gefühlslosigkeit? Ich bemitleide euch, Aurora."
"So tut das.", meinte ich, "Lange werden wir uns gegenseitig nicht mehr bemitleiden müssen."
Ich packte ihn am Kragen, löste ihn von den Fesseln und schliff ihn mit mir während ich mein rotes Gewand von mir löste und dem, vor der Tür wartenden Matteo, übergab.
"Wir brauchen eine neue Rebellin. Lasst Mia die Menge anfeuern. Und dann tut, was getan werden muss, um ganz Italien zu Boden zu zwingen. Länger wollen wir so nicht mehr leben. Schluss mit all diesen Schichten, in die man uns zu drücken versucht. Schluss mit den hohen Steuern und den wenigen Entlohnungen. Macht aus Italien einen Vorreiter für die ganze Welt."
Matteo nickte schwer und sah mich reuevoll an. Reue? War es wirklich das, was ich in seinen Augen sah? Warum sollte er so empfinden?
Plötzlich umarmte er mich ein letztes Mal und gab mir ein Döschen.
"Trinkt das.", flüsterte er, "Es wird euch friedlich einschlafen lassen, noch bevor ihr die Schmerzen wirklich fühlt."
Dankend nahm ich es entgegen.
Dann löste ich meinen Griff von Emilio und griff nach seiner Hand während wir durch die leeren Gassen geführt wurden, hin zu den Schreien der Bürger.
"Es war nicht nur Hass, den ich für euch empfand.", flüsterte ich Emilio zu, "Ihr wart ein liebevoller Mann. Hättet ihr doch einfach auf die Rache verzichtet und die Liebe einer Frau gegeben, die sie erwidert und geschätzt hätte."
"Ich bereue nichts.", erwiderte er leise, "Die kurze Zeit, die ich mit euch erfuhr, war für mich berauschend. Ich möchte vergessen, dass ihr ebenfalls die Rebellin seid, gegen die ich wetterte. Nein, ich gebe mich der Illusion hin, dass ihr immer nur meine Königin gewesen seid."
Ich nickte sanft, woraufhin er meine Hand noch fester ergriff.
Für wahr, dieser König war anders. Er hasste die Menschen, er machte jeden von ihnen verantwortlich für den Tod seiner Frau, doch die wenigen Menschen, die er liebte, behandelte er umso besser.
"Habt ihr jemals erfahren, wer genau beschloss eure Frau zu töten?", fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. "Nein, es war ein Mann, der sie ins Feuer warf, ohne vorher groß aufzufallen. Seit dem suchte ich nach ihm. Jahr für Jahr, doch alles was ich herausfand, nachdem ich meine Wachen in das Dorf schickte, war, dass sein Name Masjat gewesen sein muss."
Abrupt blieb ich stehen. Wie nur konnte ich es für so unwahrscheinlich halten? Masjat war in dem richtigen Alter, doch ich hatte ihn vorher nie in meinem Dorf gesehen, in dem die Wachen einrückten und schlachteten. Doch ich war jung gewesen. Vielleicht hatte ich ihn übersehen.
"Wisst ihr noch mehr?", fragte ich.
Verwundert schüttelte er den Kopf. "Kennt ihr ihn etwa?"
Plötzlich wurde mir übel und ich versuchte mich zu beherrschen, als mir dämmerte, was ich bislang immer übersehen hatte. Mir wurde von der Ernte erzählt, Ereignisse, die einem jeden hier widerfahren waren. Doch Emilio hatte sich nur an einem Dorf so grausam gerecht. Doch hätte ich nicht wenigstens einen meiner Mitstreiter kennen müssen? Früher hatte ich oft mit den Kindern gespielt, das Dorf war klein, ich kannte die meisten dort, doch keiner dieser Männer kam mir bekannt vor.
"Ihr habt nur in einem Dorf Rache gesucht, richtig?", fragte ich.
Er nickte absolut verwirrt durch meine Aufgebrachtheit.
"Wo genau war dieses Dorf?"
"Nicht weit entfernt von der großen Burg im Osten. Mitten im Wald."
Die Männer, die uns aufmerksam zugehört hatten, nickten zustimmend. Doch mein Dorf war in der anderen Richtung gewesen. Weit weg von jener Burg.
"Ich lebte im Westen.", sprach ich, "Doch uns überfielen die Männer der königlichen Garde, so wie sie auch meine Männer überfallen haben."
"So etwas habe ich nie angeordnet, ich schwöre bei Gott.", sagte Emilio schnell.
"Wer hatte noch Sagen über die königlichen Truppen?", fragte ich.
"Mein damaliger Berater. Pietro Pisani."
"Hätte er einen Grund gehabt mein Dorf, ohne euer Wissen niederzutrampeln?"
Der König dachte nach. "Im Osten sagtet ihr?", murmelte er und fuhr sich grübelnd durch sein Haar. "Mir fällt nichts ein, Signora. Ich hatte niemals etwas mit solch einem Dorf zu schaffen."
Einer der Männer trat nach vorn. "Signora Pollina. Ich war einer der ersten Männer, der Masjat diente. Einst waren wir gute Freunde, demnach weiß ich einiges über ihn."
"Erzählt mir alles!", sagte ich schnell ohne auf das Gesicht des Königs zu achten, der seinen Ohren scheinbar nicht traute.
"Masjat arbeitete schon lange gegen den damaligen König. Er wollte an die Macht kommen, darüber hatte er oft geredet. Der richtige Sohn des Königs war damals ein Jahr alt und Masjat war der Bastardsohn des Königs, hätte also einen Anspruch auf den Thron gehabt. Zumindest für eine Weile. Es passte ihm nicht, dass plötzlich ein anderer ihm diese Position streitig machte, das würde erklären, warum er die damalige Geliebte des Königs ins Feuer stieß."
"Er wollte verhindern.", sagte ich und begriff, "Wollte den Anspruch auf den Thron behalten."
Ein anderer kam einen Schritt auf uns zu. "Einst, als er viel getrunken hatte, prahlte er vor mir mit einem unglaublich wichtigen Kontakt. Er redete von diesem Pietro Pisani!"
Noch einer kam dazu. "Mir erzählte er, als wir gemeinsam unterwegs waren von einem gleichaltrigen Bruder."
"Das ist es!", schrie ich und erkannte endlich die Wahrheit. Die ganze Zeit lagen die Puzzleteile vor uns, doch wir waren zu töricht um sie zusammen zu setzen.
Schnell wendete ich mich zu Emilio. Er hatte es verdient die Wahrheit zu erfahren, vor seinem Tod.
"Masjat wollte den Thron besteigen, hatte mehr oder weniger auch ein Anrecht darauf bis ihr kamt und zerstörtet, was er sich aufgebaut hatte. Er hoffte, er könne euch aufhalten in dem er euch schwächte, doch er erreichte das Gegenteil. Er verfolgte ein neues Ziel. Er wollte euch stürzen und gründete die Fratellanza, wenn es schnell genug gehen würde, hätte er vielleicht immer noch Besitzansprüche stellen können, doch ein weiteres Problem ergab sich. Er fand heraus, dass er noch einen Bruder besaß, der ihm diesen Anspruch zu Nichte machen könnte. Also pflegte er Kontakte mit eurem Berater, versprach ihm wahrscheinlich irgendwelche wertvollen Dinge, sobald er König werden würde und brachte ihn dazu das Dorf zu vernichten, in dem dieser Bruder angeblich lebte."
Fassungslos blickte mir der König entgegen.
"Dieser Mann war euer Anführer? Wo ist er jetzt?"
"Er verrottet unter der Erde.", erwiderte ich, "Ich rechte mich bereits für euch. Jedoch für andere Dinge."
"Und wer war dieser Bruder?", fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. Es hätte jeder sein können, vielleicht sogar mein Freund der Schuster, nachdem die Wachen so zielgerichtet gesucht hatten. Doch es war mir egal. Ich konnte Frieden schließen. Der König hatte meine Eltern nicht umbringen lassen, das machte es mir wohl leichter ihm bei zu stehen, bei dem, was er nun gleich erleben musste.
"So Leid es mir tut.", wisperte Matteo, "Das Volk wird ungeduldig."
Wir nickten und führten unseren Gang fort. Hin zu den pöbelnden Massen. Hin zu dem Schicksal, das Gott für uns auserwählt hatte.
Die Menschen begrüßten uns mit jaulenden Schreien, bewarfen uns mit Tomaten und Steinen.
Auf dem Podest, auf dem nur zwei Tage zuvor Emilio gestanden hatte, hetzte nun Mia, verkleidet als Rosa, gegen mich und den König. Ihr Blick verriet mir, dass ihr nicht wohl war, bei der Sache. Es war wie eine letzte liebevolle Verabschiedung. Ein inniges Lebewohl lediglich durch unsere Augen. Schnell und möglichst unbemerkt griff ich nach dem Giftfläschchen und entkorkte es.
Nun, das war das Ende. Ich musste sterben, ich wollte sterben. Vielleicht würde ich Gennaro wiedersehen, vielleicht auch nicht. Doch so oder so, diese grausame Welt hatte mir rein gar nichts mehr zu bieten. Ich war niemals so tapfer gewesen wie Gennaro oder so zart und hoffnungsvoll wie Mia oder so klug und willensstark wie Matteo. Doch zumindest hatte ich einen Teil beigetragen, einen Teil für eine bessere Welt und das war mehr als ich mir jemals von meinem Leben erhofft hatte.
Also setzte ich die Flasche an und trank. Trank die Erlösung, trank das Ende.
Wir wurden nach oben gezerrt, hoch auf das Gerüst des Galgens. Ich hörte nichts mehr. Hörte nicht auf Mias Rufe oder die Schreie, der Bürger. Ich hielt Emilios Hand so fest ich konnte und stellte mir vor es wäre Gennaros. Ich atmete tief aus, spürte plötzliche Schmerzen als mich schwere Steine trafen. In meine Magengrube, auf meinen Kopf, gegen Beine und Arme. Neben mir hörte ich die Schmerzensschreie von Emilio, doch meine Meinung änderte sich nicht. Er musste sterben. Er musste qualvoll sterben. Er verdiente es. Vielleicht hatte er mich nicht meiner Eltern beraubt, doch zumindest hatte er es anderen angetan.
Ich blieb ruhig, spürte kaum noch die Schmerzen. Ich verlor die Kraft auf meinen Füßen, ließ Emilio los und fiel zu Boden. Das Schwarz umgab mich. Es wurde dunkler und dunkler. Die Geräusche um mich verschwanden ganz. Ich spürte weder Wind, noch Steine, nichts.
Ich hörte auf Luft zu holen. Mein Kopf wummerte auf eine suspekte angenehme Art und Weise.
Ich betete ein letztes Mal, dachte ein letztes Mal. Plötzlich schien ich zu fallen, die Schwärze umgab mich komplett und ich wurde herunter gezogen in warme, wohltuende Tiefen. Weg von all dem Kummer, weg von all dem Schmerz. Für immer vereint mit der Friedlichkeit des Todes.






There's a billion people
That could use a hero
Come together, we're the tether
Of this love that's spinnin' round
We could be that miracle


Can you hear that darlin'
A revolution's callin'
No child of ours should have to starve
Should have to die for us


- Sincerly by Stephen




Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt