geheime Treffen

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Der König kümmerte sich liebevoll um mich bis wir wieder im Schloss angekommen waren.
Als er gehört hatte was passiert war, erkannte ich erstmals den Mann wieder, der dieses Königreich führte. Plötzlich wirkten seine Gesichtszüge so alt, so besorgt, so wütend.
Er wies die Wachen an, den Mann öffentlich zu verbrennen. "Seht hin", schrie er zu der ängstlichen Menge, "Ein jeder wird ein solches Schicksal erfahren, der sich gegen mich oder meine Leute erhebt! Ihr werdet niemals die Gnade Gottes erfahren, auch nach eurem Tod nicht! Ich persönlich lasse euch vernichten noch bevor eure Seele die Möglichkeit hat euren Körper zu verlassen. Euch wird ewige Verdammnis wiederfahren!"
Sogar jetzt noch saß mir der Gestank von verbrannten Fleisch in der Nase, obwohl wir bereits die großen Treppen empor zu unseren Gemächern schritten.
"Verzeiht mir, Verlobter.", flüsterte ich leise, "Meine Kraft lässt langsam nach. Ich habe sehr viel erlebt heute. Erlaubt ihr mir ein wenig zu ruhen?"
Schnell nickte er und winkte einen Pagen herbei. Ich folgte ihm in eines der Zimmer, in denen ich bereits seit einer Weile verweilte. Ich dankte ihm mit einem Kopfnicken für seine Dienste und wartete dann bis er die großen Flügeltüren schloss.
Endlich war ich allein. Meine Neugier hatte mich während des ganzen Weges nicht los gelassen. Ich musste endlich wissen, was auf dem Stück Papier stand, welches mir untergeschoben worden war.
Ich griff in meinen Ausschnitt, holte es hervor und faltete es auf. Die Schrift war klein und unordentlich. Jemand musste es mit Eile geschrieben haben.

Liebste Aurora,
ich gratuliere euch zu eurer bevorstehenden Hochzeit.
Wenn Ihr ein Brautkleid sucht, so empfehle ich euch wärmstens die Schneiderin Mia Catalano. Vielleicht erinnert Ihr euch noch an Ihre Boutique.
Doch seid Euch bewusst, der Volksmund spricht von Unglück, wenn der Ehemann das Brautkleid noch vor der Hochzeit zu sehen bekommt.
Ich wünsche euch noch erholsame Tage.
Ein Freund

Ich lächelte.
Ganz eindeutig war das eine versteckte Botschaft, die mich zu einem Treffen bewegen sollte.
Ich beschloss gleich am nächsten Morgen beim Frühstück jenen Wunsch auszusprechen.
Wie erhofft stimmte der König zu als ich ihm von meiner Vorliebe zu dieser Schneiderin erzählte.
Erst wollte er mich zwar dazu überreden sie ins Schloss zu bestellen, doch ich konnte seine Bitte höflich umgehen indem ich einen Ausritt voran stellte.
Gleich nach dem morgendlichen Spaziergang übergab er mir ein Pferd, einen Diener und zehn Wachen. Langsam ritten wir durch die Straßen bis hin zu der kleinen Ecke, an dem sich der Laden von Mia befand.
Der Diener half mir abzusatteln und öffnete mir die Tür des Geschäfts. Ich bedeutete ihnen allen draußen zu warten. "Ich bin hier sicher.", sagte ich, "Sie ist eine alter Freundin."
Etwas widerwillig nickten die Wachen und zogen ihre Wege vor dem Geschäft. Der Diener schloss die Tür hinter mir und wartete geduldig davor.
"Mia?", fragte ich leise nachdem ich das Nähzimmer durchsuchte und niemanden sah.
Eilig hörte ich Schritte aus dem oberen Stockwerk, dann auf der Treppe, und dann sah ich sie auch schon wie sie auf mich zu gerannt kam und mich umarmte.
"Oh Aurora!", rief sie freudig, "Ich habe dich ja so vermisst, stellina"
Ich lächelte verlegen. Nun, tatsächlich war ich wohl die einzige Freundin, die Mia hatte. Andersrum ebenso.
"Mir geht es gleich.", antwortete ich.
Sie drückte noch einmal fest zu und löste sich dann aus der Umarmung.
Erneut hörte ich Schritte. Hinter Mia tauchte Masjat auf. Ihn hatte ich nicht vermisst.
Er grinste hämisch und verbeugte sich dann. "Signorina Pollina. Ihr habt unserem Unterfangen einen wahrlich großen Dienst erwiesen.", er sah mir tief in die Augen, "Wir danken euch dafür."
Ich lächelte nicht, sondern erwiderte seinen Blick ernst.
"Was also wollt Ihr wissen?", fragte ich.
Auch er wurde ernst. "Direkt zum geschäftlichen? Nun gut. Was wisst ihr? Jegliche Informationen könnten hilfreich sein."
"Nicht viel, muss ich zugeben. Noch bin ich nur seine Kurtisane. Nicht mehr. Er redet mit mir nicht über seine politischen Pläne."
"Über was redet Ihr denn?"
"Über die Kunst, das Jagen, Spiele, Pflanzen. Nichts von Bedeutung."
Er räusperte sich. "Nun habt Ihr bereits das königliche Bett eingeweiht?"
Mia schlug Masjat gegen seine Schulter. "Eine solche Frage schickt sich nicht.", rief sie empört.
"Nein, schon gut.", antwortete ich, "Es war das erste Mal, dass er aussprach, was er dachte."
Wollte ich tatsächlich jetzt eine Auseinandersetzung provozieren? Die Wahrheit war, ich wollte es, doch es war unnötig, vollkommen sinnlos und töricht. Wir hatten nicht viel Zeit, diese mit solcherlei unwichtigen Dingen zu verschwenden wäre dumm.
Masjat zog seine Augenbrauen fragend empor. Ich senkte wieder meinen Kopf und schüttelte ihn. "Nein", antwortete ich schließlich, "In sein Bett werde ich mich erst legen, wenn die Ehe zu vollziehen ist, so wie es sich geziemt."
"Männer sind am redseligsten, wenn sie befriedigt sind. Wie ein schnurrender Tiger."
Ich wollte auf seinen Rat spucken, doch ich nickte nur. "Ich werde es mir merken."
"Gut. Nun, dann wisst ihr ja, was ihr zu tun habt."
Gerade wollte sich Masjat zum Gehen wenden.
"Wie kann ich Euch kontaktieren?", fragte ich schnell.
Er drehte sich wieder um. "Ich wüsste nicht, warum das nötig wäre. Wir kontaktieren Euch, wenn es erforderlich ist."
"Und tötet erneut einen Menschen, nur um mir eine Botschaft zu vermitteln?"
Er schmunzelte. "Dieser Mann war ein Verbrecher. Wir gaben ihm die Wahl: einen schnellen Tod durch die Wachen oder einen sehr langsamen durch uns. Wenn ihr uns etwas übermitteln wollt so wählt diesen Laden als Grund. Ab und zu wird Euch auch Matteo behilflich sein. Und nun geht wieder. Eure Waffen schleichen um das Geschäft wie Aasgeier um das verrottete Fleisch."
Ohne ein weiteres Wort verschwand er ins obere Stockwerk.
Er war das verrottete Fleisch! Für wahr ich empfand Hass. Aus irgendeinem Grund machte er mich so unglaublich wütend.
Mia griff nach meiner Hand, die ich zu einer Faust geballt hatte und half mir mich wieder zu beruhigen.
"Er kann manchmal ein wenig grob sein.", sagte sie leise, "Nimm es dir nicht an, Aurora. Er meint es nicht so."
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass er es so meint.", antwortete ich, "Er ist ein selbstsüchtiger Mann, der sich schon jetzt als Retter dieser Erde sieht. Gebt Acht, dass es ihm nicht über den Kopf wächst. Denn dann haben wir zwei Tyrannen, um die wir uns sorgen müssen."
Sie sah mich verwundert an. "So schätzt ihr ihn ein, Signorina Pollina?"
Ich nickte absolut überzeugt. "Ich habe eine Bitte, Mia.", flüsterte ich und sah ihr tief in die Augen, "Noch immer weiß ich nicht so recht in was ich genau geraten bin. Ich möchte ein Treffen mit den anderen. Ich will sie sehen, ihre Geschichten kennen lernen, sie verstehen. Aber ohne Masjat."
Mia sah mich unsicher an. "Masjat könnte denken, ihr wollt euch gegen ihn verschwören."
"Ich denke es ist nur zu seinem Besten, wenn er mein vollstes Vertrauen gewinnt, meint ihr nicht? So würde er es nämlich tun. Versteht mich, ich bin Mitglied einer Organisation von der ich keine Ahnung habe. Einzig ihr Führer gibt mir die Anweisung eine Hure zu sein."
Mia schrak auf. "Oh, ihr seid keineswegs eine Hure. Ihr seid eine Botschafterin, eine Spionin."
"Nennt es, wie ihr möchtet, Mia. Ich empfinde nichts anderes als das Gefühl einer ausgenutzten, entblößten jungen Frau. Von Anfang an war ich nichts weiter als Masjats geheime Waffe einzig wegen meiner Schönheit. Mir wurde keine Chance gegeben mich zu beweisen. Ich kann mehr als das und ich möchte mehr tun als das. Ich will nicht nur mit meinem Gesäß auf dem Gesicht des Königs sitzen. Ich will für euch kämpfen, ich will dienen, ich will mehr bewegen."
"Doch ihr tut genug in der Position in der ihr euch befindet.", sagte sie schnell, "Wie wollt ihr kämpfen? Wann wollt ihr kämpfen? Dafür habt ihr keine Zeit, keine Möglichkeit. Was ist, wenn er euch eines Nachts entblößt und Narben an euch sieht? Schnittwunden? Blaue Flecke? Wie wollt ihr es erklären? Er würde dahinter kommen, früher oder später."
"Ich finde einen Weg.", erwiderte ich, "Das tat ich immer."
Eine Wache klopfte an die Tür. "Es ist schon spät, edle Dame. Wir sollten aufbrechen."
"Ich komme sofort.", rief ich. "Versprecht mir vorerst nur eins.", flüsterte ich und nahm ihre Hand, "Organisiert ein Treffen mit den restlichen Überlebenden der Ernte. Allein. Wann immer ihr wollt, ich werde da sein."
Ich verbeugte mich noch einmal und trat dann aus der Tür noch bevor Mia etwas sagen konnte.

Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt