Gänse und Prinzessinen

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"Ich wusste nicht, dass Matteo eine Cousine aus adligem Geblüt hat.", sagte der König während er seine Hand um meine Hüfte legte und begann den Tanz zu führen.
Ich war froh, dass wir all diese Fakten bereits vorher besprochen hatten. Andernfalls wüsste ich nun nicht was ich hätte sagen sollen.
Doch ich lächelte, wohlwissend welche Lüge ich ihm als erstes auftischen würde.
"Nun ich bin nicht seine richtige Cousine, ich denke das wisst ihr." Er lächelte und begriff sofort. Er war so grausam.
"Ihr ließet seine Familie schließlich töten.", fuhr ich fort, "Doch ihr wähltet nur aus den besten Adligen seine neue aus. Graf Domine ist mein Vater."
Graf Domine war irgendein bekannter der Familie, der Matteo einst zugewiesen wurde, als seine richtigen Eltern hingerichtet worden waren. Es war eine schlimme Geschichte, für die ich Matteo wirklich bemitleidete.
Zum Glück kannte ein niemand diesen Grafen persönlich. Ich konnte ihn ungestört für die Rolle meines Vaters missbrauchen.
Der König nickte. "Durchaus. Es wird oft über ihn geredet, doch noch nie erblickte ich ihn."
Ich zuckte mit den Schultern. "Er ist ein alter einsamer Mann, wohnt weit weg von hier. Es ist schwer für ihn euch zu sehen."
Erneut nickte er. "Nun, viel wichtiger ist es, dass Ihr hier seid, tenerezza. Ich würde euch sehr gern wiedersehen."
Ich zwang mich zu einem Lächeln. Tief in meinem Inneren wollte ich, dass er sich einfach wegdrehte und das Interesse an mir verlor.
"Besucht mich morgen bei Sonnenuntergang in meinem Garten."
"Es wäre mir eine Ehre.", erwiderte ich und log dabei als gäbe es kein Morgen.
Die Wahrheit war, es grauste mir dabei. Bei jedem Gedanken an ihn. Sein Blick machte mir Angst und sein Lächeln bereitete mir Sorgen. Wie nur sollte ich ein solches Ungetüm glücklich genug machen, damit er mich zu seiner Frau machen würde?
Wir tanzten noch lange. Bis in den Morgen. Er beobachtete mich bei jeder meiner Bewegungen, musterte meinen Körper, fuhr durch mein Haar. Manchmal leckte er sich über seine Lippen als wäre ich ein frisch zubereitetes Mahl und er ein armer Bauer der seit Jahren nichts zu essen hatte.
Wir redeten nicht besonders viel. Dafür war er wohl ohnehin zu betrunken. Er roch nach Alkohol und ich kam in den Genuss es aus nächster Nähe noch intensiver wahr zu nehmen.
Wir waren unter den letzten Gästen. Er verbeugte sich und wünschte mir einen guten Nachhauseweg. Matteo winkte dem torkelnden König noch einmal zu und brachte mich dann nach draußen wo die warme Sonne bereits aufgegangen war.
Hocherfreut grinste er mich an. "Das war fantastisch.", sagte er, "Ihr habt ihn tatsächlich um den Finger gewickelt. Er konnte seine Augen nicht von Euch lassen. Was genau habt ihr gesagt?"
Ich winkte ab. "Nichts besonderes. Ich versprühe nun mal meinen Charme."
Er lächelte. Auf eine Art und Weise, die mir gar nicht gefiel. "Das tut Ihr allerdings, Signorina Pollina."
Ich wendete mich ab und sah umher bis ich Masjat und Mia sah. Sie warteten an der Ecke einer Seitenstraße. Schnell kamen sie auf uns zu gerannt.
"Wie ist es gelaufen?", fragte Mia aufgeregt.
"Haben wir eine Chance?", unterbrach Masjat sie.
Ich sagte kein Wort, Matteo war es der glücklich damit herausbrach: "Er will sie heute Abend wieder treffen. Ihr hättet ihn sehen sollen. Wie er sie angesehen hat."
Noch lange redeten se auf mich ein.
Welchen Verdienst ich geleistet hätte. Was für eine unglaubliche Aufgabe ich da bewältigt hätte.
Ich hörte nicht auf ihre Lobesreden. Für sie war es nur ein weiterer Schritt zu ihrem großen Erfolg.
Es scherte sie nicht was ich dachte, was ich fühlte. Niemanden scherte, was eine Hure empfand. Niemanden.

Erneut wiederholte sich alles. Ich wurde gebadet, bekleidet, mir wurde das Essen in den Rachen geschoben ohne dass jemand wirklich fragte, wie es mir ging. Seit gestern Nacht hatte ich kein Wort gesprochen, doch hier war es niemanden aufgefallen.
"Du weißt was du zu tun hast?", fragte Masjat zum hundertsten Mal.
Zum Hundertsten Mal nickte ich.
Endlich durfte ich mich von ihnen los sagen. Ich schritt aus der Tür und ging allein bis zum Schloss.
Ich war glücklich darüber. Auch nur einen weiteren Tipp von Masjat, nach was sich Männer sehnen, hätte ich nicht ausgehalten. Ich begann Hass für ihn zu empfinden. Er nutzte mich aus. Von Anfang an. Und er dachte tatsächlich, dass ich dumm genug war, all das nicht zu bemerken.
Mia hingegen war anders. Sie betrachtete mich stets mit diesem Blick. Ein Blick der sagte, dass alles wieder gut werden würde. Vermutlich war sie die Einzige, die verstehen konnte, welches Gefühlschaos in mir herrschte.
Ich sagte den Wachen meinen Namen und ging dann einen von ihnen nach, der mir den Weg zeigte.
Es war ein schöner Garten. Die meisten Pflanzen hatte ich noch nie zuvor gesehen. Sie waren ordentlich in verschiedenen Beeten angelegt. Statuen aus Marmor schmückten einige Stellen des Gartens und Wege aus weißen Kieselsteinen führten zu den größten von ihnen.
Emilio Cafissi, der barbarische König, erwartete mich bereits. Er trug ein blau leuchtendes Gewand. Es schimmerte in der Sonne und machte es noch erhabener als es ohnehin schon war.
Er nahm meine Hand und gab mir einen leichten Kuss. "Ihr seid eine wahre Schönheit, tenerezza."
Ich machte einen Knicks. "Vielen Dank", erwiderte ich.
"Was würde ich nur tun um solche Schönheit, die meine nennen zu dürfen. Doch sicher seid Ihr bereits einem anderen versprochen."
Ich lächelte so schüchtern ich nur konnte, doch eigentlich war es Freude. Freude, über mein Gelingen.
"Nein.", antwortete ich, "Ich bin schon seit einiger Zeit im heiratsfähigem Alter, doch mein Vater hatte niemals genug Kraft um mich zu vermählen. Die meisten Männer, die ich traf waren blöder als dumme Gänse und verweichlichter als junge Prinzessinnen."
Der König lachte auf. "Nun, würdet Ihr auch mich mit einer Gans oder einer Prinzessin vergleichen?"
Ich schüttelte amüsiert den Kopf. "Noch finde ich keine Anzeichen, die einen solchen Vergleich nach sich ziehen würden."
"Welch Glück.", antwortete er und schmunzelte freudig.
War das Freude in seinen Augen? Plötzlich schienen sie nicht mehr ganz so schwarz zu wirken, so wie sein Lächeln nicht mehr ganz so bösartig wirkte.
"Was ist mit euch?", fragte er, "Seid ihr eine Gans oder eine Prinzessin?"
"Weder noch.", sagte ich, "Ich bin weitaus gefangener als eine Gans und weitaus selbstständiger als eine Prinzessin."
"Warum seid Ihr gefangen?"
"Gefangen in diesem System.", erwiderte ich und glaubte beinahe selbst, was ich sagte, "In denen die Bürger erst nach einem Umsturz schreien und ihr Gejaule weiter geht, wenn sie bekommen, was sie wollen."
"Ihr befasst euch mit Politik."
"Ein wenig. Genug, um die eure zu loben."
Er grinste.
Matteo hatte mir erzählt, wie sehr der König es liebte gelobt zu werden, für das was er tat. Doch es war wahrlich schwer positives daran zu finden.
"Die Bürger sehen nicht für was ihr ihr Geld nehmt.", fuhr ich fort, "Ihr tut es für den Fortschritt, für neue Länder, neuen Boden, auf den die Bauern einmal pflanzen können. Ihr erweitert dieses Königreich zum Wohle aller. Doch sie beschweren sich, weil sie zu dumm sind, um zu sehen, welchen Dienst ihr diesem Volk erweist."
Zufrieden wurde sein Grinsen breiter. "Ihr seid eine kluge Frau, Signorina Pollina. Ja, beinahe perfekt." Er brach eine dunkelrote Rose ab und platzierte sie in meinem Haar. Tatsächlich war es die schönste aus dem ganzen Beet. Ich hatte eine Vorliebe für diese Blumen, schon immer. Sie waren so wunderschön, doch so gefährlich zugleich. Eine Eigenschaft unter der auch mich die Menschen bald kennen sollten.
Plötzlich kniete er sich nieder. "Aurora Pollina, Tochter des Domine, ich bitte Euch, werdet meine Gemahlin. Regiert an meiner Seite."
Es verwunderte mich tatsächlich, dass es so klang, als würde er mir eine Wahl lassen. Doch es war der König, ein niemand durfte es wagen, eine solche Frage mit einem Nein zu beantworten. Erst recht ich nicht, wo es doch von Anfang an mein Ziel gewesen war. Doch nun, wo ich es so schnell erreicht hatte, spürte ich weder Freude, noch Hoffnung. Nein, ich sah nur diesen Mann vor mir, den Mann mit den tief schwarzen Augen, der nicht mehr lange damit warten konnte, mich zu nehmen und mir Leid anzutun.
Doch keiner dieser Gedanken zeigte sich in meiner Miene. Ich lächelte nur überglücklich und nahm seinen Antrag an.


Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt