Eine schöne Frau öffnete die Tür der Stadtvilla der Familie de Rossi.
Sie war jung und schlank. Schwarze, kurze Haare schmeichelten ihrer hellen Haut und dem purpurnen Lippenstift, den sie trug.
"Ist das mein neues Kleid?", fragte sie scharf ohne jegliche Höflichkeit.
Unterwürfig verbeugte sich Mia und zog mich an meinem Ärmel ebenso hinunter, um ihr Ehre zu erweisen.
Zufrieden öffnete sie die Tür und lotste uns in die große Halle.
Aus feinstem, geschliffenem Stein waren die Böden und Decken. Prächtige Gemälde schmückten die Wände und verliehen dem großen Haus ein wenig Persönlichkeit.
"Mein Gemahl wird euch entlohnen. Doch zuerst will ich sehen ob es passt.", sagte die Gemahlin de Rossi.
"Meine Schülerin wird das Geld entgegen nehmen. Derweilen können wir letzte Änderungen vornehmen, was sagt ihr?", schlug Mia vor.
Die Gemahlin nickte und ging voran die großen breiten Treppen empor in ein riesiges Ankleidezimmer. Mia folgte ihr während sie sich noch einmal umdrehte und mir einen bedeutungsvollen Blick zuwarf.
Warum sagten sie mir nicht was zu tun war? Warum schmissen sie mich immer wieder in das kalte Wasser? Ich hatte keine Ahnung was ich tun, was ich sagen sollte.
Ich hörte Schritte aus einem der Zimmer rechts. Große Flügeltüren öffneten sich und ein Mann ging durch sie empor, in seiner Hand trug er ein Säckchen Gold. Das musste Matteo sein.
Er war ganz anders als ich ihn mir vorgestellt hatte. So jung. Seine kräftige Statur, braunen, welligen Haare und seine unglaublich grünen Augen machten ihn tatsächlich zu einem begehrenswertem Mann.
"Hier.", sagte er und gab mir das Geld, "Und nun helft eurer Lehrerin das Kleid zu richten."
Ich schüttelte den Kopf, vollkommen unwissend, wie ich beginnen sollte.
Er sah mich böse an. "Verweigert Ihr meinen Befehl?"
Schnell schüttelte ich erneut den Kopf. "Nein", erwiderte ich, "Ich muss mit euch sprechen. Allein."
Er sah mich verwundert an. "Warum solltet Ihr das wollen?"
Ich schluckte schwer, dachte nach. Was würde ihn dazu bewegen mit einer völlig fremden Person zu sprechen. Seine Frau. Irgendetwas mit seiner Frau. Mir kam eine Idee.
"Es geht um eure Liebste.", sagte ich leise flüsternd, "Meine Lehrerin gab mir auf mit euch darüber zu sprechen. Als sie das letzte Mal ihre Kleider tauschte, fielen Signora Catalano Spuren an ihren Körper auf."
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Ich hatte gewagt Gutes in ihm zu sehen. Wahrscheinlich war es töricht von mir. Die meisten Männer fügten ihren Frauen oft Leid zu. Warum sollte er das nicht auch tun. Ich bereitete mich innerlich darauf vor, dass er abblockte oder mich gar dafür bestrafen würde, doch seine Augen wurden fürsorglich, ja, beinahe ängstlich. Er schien von keinerlei blauen Flecken auf ihrem Körper zu wissen.
Matteo legte seine Hand auf meine Schulter und führte mich hinunter in seinen Weinkeller. Beinahe genauso groß wie das Haus in dem ich einst gelebt hatte.
Wir setzten uns auf zwei Holzstühle neben einem großen Fass voll Bier.
"Was saht ihr?", fragte er vorsichtig.
"Versprecht mir nicht davon zu rennen oder eure Diener zu rufen, wenn ich weiter spreche.", hauchte ich und vertraute auf sein Wort, welches er mir schnell mit einem Kopfnicken gab.
"Man sah euch.", fuhr ich fort, "Auf einigen Treffen einzelner Revolutionsanhänger. Wahrt ihr auf jenen Treffen als ein Kämpfer für Recht in Ordnung oder nur ein Spitzel des Königs? Sprecht die Wahrheit. Egal welche Antwort ihr gebt, euch wird nichts geschehen. Doch wen ihr lügt, wird euch ein schlimmes Schicksal ereilen. Also treibt keine Spielchen. Wir wollen nichts, außer die Wahrheit."
Er schluckte schwer und sah mich böse an als ihm bewusst wurde, dass rein gar nichts mit seiner Frau war und er sich umsonst Sorgen um sie gemacht hatte.
"Und Ihr?", erwiderte er, "Kann ich euch vertrauen oder werdet ihr meinen Kopf abschlagen und euch als eine Wache des Königs enttarnen?"
Ich lächelte. "Wenn ich eine Wache wäre, müsste ich euch nur den Kopf abschlagen, wenn ihr mir sagtet, dass ihr für die gute Seite kämpft. Was anscheinend der Fall ist, Signor de Rossi."
Er griff nach einer Weinflasche, zog den Korken und trank dutzende große Schlucke. Dann reichte er sie mir. Ich nahm sie entgegen, doch verzichtete auf einen Schluck. Es war besser konzentriert zu bleiben.
Er nickte. "Ja.", sagte er, "Ich habe mich auf jenen Treffen aufgehalten, um die armen Bürger zu unterstützen. Ich selbst war einst einer von Ihnen und es rädert mich Tag für Tag diese Menschen auf den Straßen zu sehen, wie Leichen, die gerade noch genug Kraft haben, um sich auf den Beinen zu halten. Der barbarische König hörte von meinem scharfen Verstand. Ein Mönch, in dessen Kloster ich einst studiert hatte, erzählte ihm von mir. Er fiel in mein Dorf ein wie ein Wilder, er tötete meine Eltern und machte mir weiß sie wären die Bösen gewesen. Ich hasse ihn, wie ich noch niemals jemanden zuvor gehasst habe. Ist es das was Ihr hören wollt?"
Ich lächelte schief. "sì, das ist es. Ihr seid reinen Herzens, das sehe ich, das spüre ich."
"Ihr werdet mich also nicht töten?", fragte er scherzend.
Ich schüttelte den Kopf. "Nicht heute." Ich stand auf und verbeugte mich.
"Meine Verbündeten werden euch in einigen Stunden einen Besuch abstatten.", erklärte ich, "Wir brauchen eure Hilfe, Signor de Rossi."
Auch er erhob sich und verbeugte sich vor mir. "Ich tue alles was ihr wollt, amica. Versprecht mir nur, dass ich persönlich diesem Barbaren den Kopf abschlagen darf."
Ich nickte. "Dafür werde ich sorgen."
DU LIEST GERADE
Aurora Pollina - die maskierte Kriegerin
Historical FictionAurora Pollina ist die Tochter eines Bauern im italienischen Mittelalter. Als ein neuer König die Macht ergreift versinkt ihr Land in Armut und treibt die Menschen zur Hungersnot. Trotz ihres mangelnden Einflusses versucht sie schon bald den König...