Fratellanza

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Der Blasse sah mir tief in die Augen. "Wir wollen euch unseren Dank aussprechen, eroina!" Plötzlich verbeugte er sich vor mir, seine Kumpanen taten es ihm nach.
Es war ein eigenartiges Bild, dass ich da vor mir sah. Mehr als ein dutzend junge Männer lagen mir zu Füßen ohne dass ich ihren Grund kannte.
"Eroina? Ich? Eine Heldin?"
Ich war verwirrt, ja, unglaublich verwirrt.
Der Blasse sah auf und musterte mich. "Natürlich. Ihr tatet etwas, dass keiner wagte zu tun. Schon seit langer Zeit suchten wir eine wie Euch. Ihr gabt eure Ehre, euren freien Willen nur um den Guten zu dienen, doch ohne eine weltliche Gegenleistung zu bekommen."
"Bitte erhebt euch wieder.", sagte ich schnell. Es war mir unangenehm sie da in dem Dreck hocken zu sehen. Sie hörten auf meine Bitte.
"Danke.", flüsterte ich eingeschüchtert.
"Mein Name ist Gennaro.", sagte der Blasse und verbeugte sich, "Ich schwöre Euch ewige Treue, eroina. Bis ans Ende meines Lebens."
"Mich überrascht wie ihr redet.", meinte ich, "Masjat war stets eher abweisend gegenüber mir."
"Masjat ist abweisend gegenüber allem außer seinem Geld und seinem Weibe.", sagte Gennaro.
Ich sah ihn verwundert an. "Ihr klingt als würdet Ihr Gräuel gegenüber ihm hegen?"
Er nickte ernst. "Das tun wir alle.", vereinzelte Zurufe der Männer bestätigten ihn, "Masjat hegt Pläne, die selbst dem Teufel zu böse sind."
"Von was sprecht ihr?"
Gennaro sah unsicher zu den anderen, dann wieder zu mir.
"Er ist böse, eorina. Hinter eurer Hochzeit steckt mehr als er euch sagt. Erst plante er euch zu töten nur um den König zu verärgern. Doch nun schlägt er über alle Schlänge. Er will den König zu Fall bringen und selbst seinen Thron einnehmen an eurer Seite. Masjat ist vollkommen verrückt geworden, Signorina."
Schockte mich, was er sprach? Nein, das tat es nicht. Masjat hatte mir von Anfang an ein ungutes Gefühl bereitet, doch das er soweit gehen würde, konnte ich nicht glauben.
Ohne zu zögern packte ich den Blassen am Hals und drückte zu. Die anderen wollten einschreiten, ihn jedoch nicht gefährden, also blieben sie wo sie waren.
"Wenn ihr mich belügt und all das nur eine weitere Manipulation von Masjat ist, bei Gott, dann werde ich jeden einzelnen von euch töten lassen."
Er wandt sich unter meinen Griff und schüttelte den Kopf so gut er nur konnte.
Niemals war mir bewusst gewesen, welche Kraft ich anscheinend besaß.
Ich ließ ihn wieder los. Er atmete schwer und keuchte vor sich hin.
"Ich wurde zu oft belogen!", schrie ich, "Warum solltet ihr mir seine Pläne so ohne weiteres verraten? Warum sollte jeder seiner Männer vor mir nieder knien? Nur weil ich zugestimmt habe, die Hure des Königs zu sein?"
Gennaro holte tief Luft. "So ist es nicht.", sagte er mit aller Kraft, "Masjat ist wahnsinnig. Er peitscht uns aus, wenn wir etwas falsches sagen, er ließ die Schwester einer unserer Brüder töten, weil er sie als störend empfand, er redet von dem Thron als würde er bereits ihm gehören. Wir brauchen einen neuen Anführer, jemanden, der uns leitet, uns weist."
"HA!", rief ich laut, "Und da dachtet ihr an mich? Ein armes Bettlermädchen, dass nicht einmal ein Schwert richtig halten kann?"
"Darum geht es nicht!", erwiderte der junge Mann schnell, "Masjat war ein guter Kämpfer, doch ihm fehlte es an Verstand, an Standhaftigkeit an Weisheit. Wir sind davon überzeugt ihr besitzt diese Eigenschaften. Ihr müsst sie besitzen, wenn ihr den König heiratet, nur damit unsere Bruderschaft mehr Informationen bekommt."
Ich sollte ihre Anführerin werden? Ich?
Ich verstand nichts von der Führung einer Revolutionsgruppe oder von Krieg.
"Bitte.", flüsterte Gennaro, "Jemand muss Masjat stoppen."
"Tur ihr es!", antwortete ich, "Tötet ihn und findet einen anderen der seine Arbeit macht!"
"Ihr versteht nicht. Schon seit Wochen werden wir von seinen ebenso fanatischen Handlangern kontrolliert. Wir dürfen uns Masjat nicht einmal mehr mit Waffen nähern."
"Und ihr denkt ausgerechnet ich könnte seine Kehle mit einem Dolch aufschlitzen?"
"Vielleicht nicht. Doch Ihr werdet jemanden finden, der es tun kann."
Ich atmete tief aus und lehnte mich gegen einen nahestehenden Baum. Es war Wahnsinn, was sie von mir verlangten. Wie sollte ich zu so etwas in der Lage sein?
War ich nicht eigentlich die Jenige gewesen, die Fragen stellen wollte? Nein, ein solches Gespräch hatte ich nicht während dieses Treffens erwartet.
Masjat missfiel auch mir und tatsächlich wollte ich ihn bluten sehen, wenn er wirklich die Schandtaten tat, von dem mir die Männer erzählten. Denn das war von Anfang an mein Ziel gewesen. Das Böse zu vernichten.
Doch ich würde keinen Finger rühren so lange sie mir keine Zeugnisse lieferten.
"Ich will Beweise.", sagte ich fest, "Beweist mir, dass er sich so benimmt, wie ihr es erzählt."
"Ist eure Freundin nicht schon Beweis genug?", fragte einer der Männer.
Ich sah ihn fragend an. "Wen meint ihr?"
"Signora Catalano. Ich bin Arzt und muss sie beinahe jede Woche mit Tinkturen und Salben versorgen."
Ich ging einige Schritte auf ihn zu. "Noch nie sah ich etwas an ihr."
"Nun, dann solltet ihr einmal unter ihre Gewänder sehen. Ihr ganzer Körper ist voller Wunden."
Ich schluckte schwer und hoffte inständig, dass er mich belog, dass kein Wort von dem stimmte.
"Geht und überzeugt euch selbst sobald ihr könnt.", sagte Gennaro, "Erinnert euch an uns und unsere Worte! Solltet ihr eure Meinung ändern so trefft uns hier bei jedem Voll- und Neumond."
"Bewahrheiten sich eure Worte, werdet ihr mich wiedersehen.", versprach ich.
"Die Bruderschaft, die Fratellanza wird euch stets zu Diensten sein, Signorina, vergesst das nicht. Wir verfolgen das selbe Ziel, wir wählen die selben Wege."
Sie zogen ihre Kapuzen über und verschwanden in der Dunkelheit. Mann für Mann.
Nur Gennaro blieb bis zum Schluss.
"Euer Mut ist bewundernswert.", flüsterte er, "Jede Wunde, die euch dieser König antut, werde ich ihm doppelt so schmerzvoll zufügen."
Er sah mir tief in die Augen, so tief, dass es mich auf irgendeine Art und Weise berührte.
"Vertraut in euch selbst und eure Fähigkeiten, werft jeglichen Zweifel, den ihr womöglich besitzt, über Bord und denkt an eure Klugheit, euren Mut, eure Güte. Ich spüre, dass ihr diesem Land all das Gute bringen könnt, nach dem es sich so lange sehnt."
Er verbeugte sich noch einmal und folgte dann seinen Brüdern in die unergründliche Schwärze der Nacht.


Aurora Pollina - die maskierte KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt