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Ob ihr es glaubt oder nicht ist euch überlassen, jedenfalls brauchen wir verdammte fünfeinhalb Stunden für den Weg zum ersten Baum. In der Zwischenzeit hat es zu regnen begonnen und Ahlia klönt über ihr nasses Haar. Ich gehe einfach vor und versuche einen möglichst großen Abstand zu den anderen zu haben, damit ich niemanden aus reinster Unvorsichtigkeit umbringe. Mein Sack habe ich über meine Schulter geworfen und spüre, wie Kyle mir Löcher in den Rücken starrt, obwohl ich ihm drei Mal ausdrücklich ins Gesicht gefaucht habe, dass er gefälligst Ahlias Hintern betrachten soll, vorauf diese knallrot angelaufen ist und mich wütend mit allen möglichen Schimpfwörter überschüttet hat. Aber jetzt im Ernst, abgesehen davon, dass jedes  zweites Wort aus ihrem Mund Schlampe und Dumme Kuh ist, ist sie einfach lächerlich. Ich meine, wer geht schon mit weißen Schuhen wandern? Ahlia. Wer geht mit weißer Bluse durch den Dreck und kreischt wild herum, sobald ein Wassertropfen sie berührt, was sehr oft ist? Ahlia. Ich kann Jahre so weiter machen.
Wir haben das Wäldchen fast erreicht. Kyle eilt zu mir und versucht mit mir Schritt zu halten. Aber, ha!, ich bin schneller.
"Beeilt euch!", brülle ich über die Schulter, während Ahlia hinter mir irgendetwas über wilde Tiere kreischt.
Kyle packt mich plötzlich an der Schulter und dreht mich um. Ich mache mich los und gehe weiter. Ich mag es nicht, wenn man mich anfasst. Vor allem nicht, wenn es Kyle ist. Ich spüre jetzt schon die Gänsehaut, die mir über die Arme kriecht. Genau an dieser Stelle, wo er mich angefasst hat.
"Jine, was ist los?", fragt er und eilt schnell hinter mir her.
Ich beschleunige meine Schritte und als er wieder versucht nach meinem Arm zu greifen, bleibe ich ruckartig stehen, dass er daneben greift. "Psst!"
Hinter uns flucht Ahlia und schreit im nächsten Moment James an. "Mann, James. Steh nicht auf meine Füße. Diese Schuhe sind neu. "
Sofort muss James etwas zurückgeben. "Ist mir doch egal!"
Ich gehe weiter, in der Hoffnung, dass Kyle jetzt eine andere Beschäftigung gefunden hat. Ich werde jedoch schwer enttäuscht. Er geht mir nach und sieht mich mit gerunzelter Stirn an. "Jine?"
"Nein", entgegne ich kurzangebunden.
Er sieht sichtlich verwirrt aus. "Was?"
Muss man es noch genauer sagen? Ich drehe mich um und lächle ihn bissig an. Okay, bitte. Ich werde es dir klarer sagen.
"Lass mich einfach in Ruhe", sage ich.
Er weicht einen Schritt zurück. "Ich...", er bricht ab. Er beißt sich auf die Lippen. Wow. Mit einer Abfuhr hat er wohl nicht gerechnet. Leider ist er so unverschämt und streicht mir vorsichtig, ohne mich aus den Augen zu lassen, als sei ich der Löwe und er das Lamm, das sich voller Angst an den Löwen genährt hat, über den Arm. Geht's eigentlich noch?
"Fass mich nicht noch einmal an", drohe ich und weiche zurück.
Er schluckt und ich laufe weiter. Was für ein Blödmann. Idiot. Dümmer als er kann man wohl nicht sein. Und doch merke ich, wie mein Herz immer höher schlägt, wenn er in der Nähe ist.
Schon wieder. Bevor ich mich bremsen kann, hole ich aus und schlage zu. Kyle flucht und lässt meine Schulter los. Seine Augen funkeln gefährlich und er verzieht das Gesicht. Hinter uns ist es still geworden. Toll. Ich drehe mich weg und gehe weiter. Ich versuche meine Wut zu zähmen. Er hat dich nur berührt, rede ich auf mich ein. Ich habe ihm eine geschlagen. Stark. Ich muss leicht grinsen. Er ist wohl ein armer Kerl. Versteht nicht einmal: Fass mich nicht an. Mein Beileid.

City of DevilWo Geschichten leben. Entdecke jetzt