Rewe-Markt, Rotwein im Tetrapack

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  ''Ich kann mir heute doch noch frei nehmen!'', nachdem Benjamin und Felix mich mit ihrer Nettigkeit gerade zu gezwungen haben noch einen Tag länger in Berlin zu bleiben, konnte auch ich nicht nein sagen. Also rief ich spontan eine Arbeitskollegin an um sie zu fragen ob sie heute für mich einspringen könnte. Wie es der Zufall so wollte, war die Bar in der ich arbeitete erst mal für eine Zeit geschlossen. Ein Kohlenmonoxid-Unfall mit 8 Verletzten, warum passiert sowas denn immer wenn ich nicht dabei bin? Zur Sicherheit telefonierte ich dennoch noch mal mit meinem Chef, der dies bestätigte. Völlig aufgebracht erzählte er mir, dass eine Gastherme defekt gewesen wäre und dass er keine Zukunft mehr für die Kneipe sieht, da er schon mehrere Anzeigen von verletzten Gästen und Eltern bekommen würde. Natürlich versuchte ich ihn aufzumuntern, mein Job hing ja auch davon ab. Die Bar war zurzeit das Einzige was ich hatte um meine Wohnung finanzieren zu können.

''Also erst Einkaufen und dann zeige ich euch zwei Hübschen noch was von Berlin, hier gibt es in jeder Ecke was geiles!'', Benjamin klatschte wie ein kleines Kind begeistert vor sich hin. ''Aber der Felix mag Berlin doch gar nicht!'', ich schmollte gekünstelt und spielte damit auf einen seiner Songs an. Natürlich wusste ich, dass ihn diese ganze 'Wie-findest-du-Berlin' und 'Seid-ihr-eigentlich-nach-Berlin-gezogen' - Fragerei total nervt. Alleine gestern wurde er um die 5 mal gefragt, was er denn hier tun würde. ''Ey, was willsten' du in Berlin?'', ''Berlin ist wohl doch nicht so kacke, he?'', kam gestern aus allen Ecken und selbst mir ging das gewaltig auf die Nerven.
''Haha, fang du jetzt auch nicht damit an. Ich schreibe nie wieder Songs über Berlin, das kannst du mir glauben.'' Er stemmte seine Hände wie eine Hausfrau in die Hüften.
''Wo sind eigentlich die anderen Kraftklubs?'', Ben hob seine Augenbraue.
''Die sind ins Hotel gegangen. Steffen hat heute Nacht auch hier geschlafen aber der ist schon um 8 wieder nach Chemnitz gefahren, weil seine Nichte heiratet, glaube ich.''

Nachdem ich aus der Dusche kam und mir die Haare geflochten hatte, setzte ich mich wieder zu den zwei Jungs in die Küche. Griffey war gerade am Telefonieren und so saßen Felix und ich stumm da und lauschten seinen Worten.
''Ja.. aha.. ja, nee, du... gar kein Problemchen...'', nachdem er auflegte verzog er seine Miene. ''Tut mir leid ihr zwei, das mit Berlin wird heute nichts mehr. Ich muss ins Studio.'' Er ging in den Flur und zog seine Schuhe an.
''Felix, du weißt ja wo alles in der Wohnung ist, Tschüss!'' Ein Türknallen bestätigte seine Abwesenheit.
Brummer starrte mich seitdem ich den Raum betreten hatte ununterbrochen an und langsam wurde es echt creepy.
''Ist was?'', ich grinste ihn leicht an und zog meine Frage absichtlich lang. Er schüttelte mit dem Kopf und drückte mir mein Handy in die Hand.
''Google mal nach Sachen die man in Berlin machen kann, ich hab kein Internet auf meinem Handy.'', während er dies sagte, zeigte er mir ein kleines, uraltes Nokiahandy.
''Wow, du hast ja echt das neuste Handy. Ist das schon auf dem Markt? So eins will ich auch!'', mein Satz trotze nur voller Ironie und wir beide fingen wieder an zu lachen.
''Also ich find's geil, ich brauch diesen neuen Hightechschrott nicht.'' Stolz steckte er sein Handy wieder in seine Hosentasche.
''Aber bist du sicher, dass du das machen willst?'', fragte ich nun.
''Was meinst du jetzt?''
''Na, mit mir abhängen und so. Du musst das wirklich nicht machen.'', ein bisschen merkwürdig war es ja schon. Behandelt er alle seine 'Groupies' so liebevoll und schlendert mit ihnen ein bisschen durch die Stadt? Okay, ich war um genau zu sein ja gar kein richtiger Groupie aber trotzdem. ''Na klar! Ich bin dir was schuldig, wegen gestern und so. Und außerdem war das Feiern mit dir echt toll.'' Ich war erleichtert über seine Worte, ich wollte ihm nicht zur Last fallen.

Wir wussten immer noch nicht was wir machen wollten und beschlossen Felix's Hunger zu besänftigen indem wir einkaufen gingen. Letztendlich war mehr Alkohol als Essen in unserem Einkaufswagen. Wir verließen den Laden mit zwei billigen Tetrapacks voller Rotwein und zwei Flaschen Bier. Wir liefen durch Berlin und ich war sehr erstaunt. Einfach alles hier war wunderschön. Ich liebte die Grafits, die man hier an jedem zweiten Haus vorfinden konnte. Meine Augen strahlten, am liebsten würde ich sofort hier herziehen.
Wir liefen gerade an mehreren Wohnhäusern vorbei als ich auf einmal einen Spielplatz entdecke.
''FELIX! SPIELPLATZ!'' Ich drückte ihm meinen Wein in die Hand und rannte mit meiner Bierflasche auf die Schaukel los. Felix Lippen formten ein Lächeln.
''HEY, WARTE, ICH WILL AUCH!'' Schlaksig rannte er mir hinterher und setzte die Getränke auf dem Boden ab, bevor er sich auf die Schaukel neben mich begab. Hemmungslos fingen wir an zu lachen.
''Warte, warte, jetzt mach' ich was ganz krasses!'' Er sprang von der Schaukel ab und landete mit beiden Beinen auf dem Boden, danach verbeugte er sich wie ein König vor mir. Ich musste noch mehr Lachen und versuchte die Schaukel mit einem Fuß zu bremsen. Danach fing ich an zu klatschen.
''Woah, du hast ja echte Spielplatzskills, sowas hätte ich nie von dir erwartet!'', mein Klatschen hörte auf und ich sah ihm tief in die Augen bevor ich wieder zu Lachen anfing. Wir beide tranken etwas von unserem Bier und spielten wie kleine Kinder weiter. Irgendwann fingen wir sogar an Verstecken zu spielen. Nun war ich mit dem Suchen dran. Ich suchte die Spielgeräte ab, aber es war nichts von Felix zu sehen. Fast dachte ich schon, er wäre weggegangen.
''BUH!'', kam es auf einmal hinter dem Baum neben mir vor und Felix kam zum Vorscheinen. Ich ging einen Schritt zurück und legte meine Hand auf mein Herz. Dieser Junge machte mich fertig. ''Haha, dein Gesicht, du, haha!'' Felix konnte seinen Satz nicht mal beenden, er heulte fast vor Kichern.
''DU IDIOT! ICH WÄRE FAST GESTORBEN! OH GOTT!'', ich atmete tief ein und aus und war immer noch völlig geschockt. Doch auch ich konnte bei Felix Anblick nicht ernst bleiben. Er hielt sich die Hand vor dem Bauch und prustete immer noch vor sich hin. Es wurde langsam dunkel, unser Bier war leer und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon acht Uhr abends war, was uns aber nicht davon abhielt weiter wie kleine Kinder zu spielen. Ich hatte schon lange nicht mehr so barmherzig gelacht.

''Sach mal, habt ihr eigentlich schon' ma auf die Uhr geguckt? Et is' viertel nach Acht.'', eine kräftigere Frau kam zu uns und riss uns die Weinpäckchen aus den Händen. ''Wat soll denn des überhaupt? Wein auf einem Spielplatz, ick glaube et hackt. Manche hier haben noch Kinder, man hört euer Gegacker bis ins Haus rein und ick wohn' im vierten Stock. Macht dass ihr hier wegkommt oder ick ruf die Polizei.'' Die Frau wedelte die ganze Zeit mit ihrem Finger auf und ab als sie sich bei uns beschwerte Felix und ich tauschten lediglich verwirrte Blicke miteinander aus.
''Okay, wir gehen ja, aber dürfen wir wenigstens unseren Wein wieder haben?'' Als der blonde Junge dies sagte, musst ich einfach stumm in mich hinein grinsen. Die Frau gab uns unseren Wein zurück und wir verließen den Spielplatz mit Gelächter. Der letzte Zug, den ich nehmen konnte, würde um 23 Uhr zurück fahren und so machten wir uns auf dem Weg zum Bahnhof. Felix machte sich den ganzen Weg über die Frau und ihren Berliner Dialekt lustig und meinte, dass sie sich viel zu sehr aufgeregt hat und eine Spießerin sein.

''Hast du alles?'' Ich nickte und sah in sein Gesicht. Der Mund rot vom Wein und die Augen leicht gerötet. Wir standen eine Weile stumm da. Ich wollte nicht gehen und diesen Tag einfach so hinter mir lassen. Ich wollte ihn aber auch nicht nach seiner Nummer fragen, gerade weil wir uns nur einen Tag kannten. Oh man.
''Der Tag war echt schön.'', kam es aus Felix Mund.
''Ja, finde ich auch. Sehr schön! Richte Ben noch nette Grüße von mir aus.'' Wir beide lächelten und ich sah meinen Zug anfahren.
''Tschüss, mach's gut und pass auf dich auf!'', er wuschelte mir einmal durchs Haar.
''Du auch, du Riese!'' Ich drehte mich um und ging auf die Zugtür zu.
''HEY, LYNN? WIE LAUTET EIGENTLICH DEIN NAME? ALSO DEIN VOLLER NAME?'' Ohne zu zögern drehte ich mich ein weiteres mal zu ihm um.
''LYNDSEY MAY!''

The only exception // Felix Brummer (Kraftklub)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt