Wohin du gehst

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Fassungslos starrte ich zu Felix. Hatte er mir gerade tatsächlich angeboten zu ihm zu ziehen? Um ehrlich zu sein, fühlte ich mich richtig geschmeichelt und konnte mein Grinser nicht verbergen. Süß, dass er sich so viele Sorgen um mich machte, Aber ich musste auch an meinen Job und an Henning denken - er war der einzige Grund warum ich noch in Köln lebte. Na ja, mal abgesehen von meiner Familie und Freunden, die alle - außer mir - studierten.
''Felix ich -''
''Ich weiß, das kommt plötzlich aber bitte überlege es dir.'', er sah zu mir.
''Hab ich doch schon längst'', ich kam näher und küsste seine Nase, ''wie es aussieht, ziehe ich wohl bald nach Chemnitz!''
Erleichtert nahm er mich in die Arme und übersäte mich mit tausend Küssen. Wir freuten uns wie zwei kleine Kinder darüber. Auch wenn ich Angst hatte, ob das ein Fehler sein könnte, war ich positiv gestimmt.
''Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich..'', er küsste immer noch jede Stelle auf meinem Gesicht und ich musste kichern. Komisch, vor ein paar Wochen fand ich diese händchenhaltenden Pärchen auf der Straße noch widerlich, jetzt hatte ich selbst einen Freund. Wie das Schicksal doch mit einem spielt. Natürlich waren Felix und ich nicht einer dieser ober schnulzigen Pärchen die sich verrückte Spitznamen wie Mausezahn oder Schatzibubu oder sowas geben, aber man konnte ruhig zeigen, dass man sich liebt.

''Gibt's was zu feiern?'', Henning stand an meiner Tür. Anklopfen war wohl nicht so sein Ding.
Ich nickte, ''Ich werde mit Felix zusammen ziehen.''
''Schön'', er lächelte. Irgendwie hatte ich mir mehr erhofft aber es war nun mal Henning. Ich konnte froh sein, dass er überhaupt was sagte. Er fand es nämlich dumm, sofort mit seinem Partner zusammen zu ziehen. Er hatte mal 2 Jahre lang eine Freundin und kurz bevor sie zusammen ziehen wollten, machte er Schluss. Mein Bruder ist da eher ein geduldiger Mensch. ''Daniel ist zuhause.'', fuhr er fort.
Felix wollte gerade aufstehen, doch ich zog ihn zu mir.
''Bitte mach nichts, was du später bereust'', ich flüsterte ihm zu und er nickte.
''Was machen wir jetzt?'', Felix sah fragend zu Henning.
''Er geht mir aus dem Weg, hat seine Zimmertür abgeschlossen. Keine Ahnung.'', Henning zuckte mit den Schultern.
''Wie kannst du nur so ruhig bleiben, nach all dem, was er mit deiner Schwester gemacht hat?'' Felix klang aufgebracht.
''Ich kenne meine Schwester ein bisschen besser als du und ich weiß, dass sie es nicht mag, wenn man Dinge mit Gewalt löst.'', er klang harsch und leicht bestimmerisch. War er etwa sauer, weil ich mit Felix zusammen ziehe?
''Henning..'', ich sah ihn vorwurfsvoll an.
''Ist doch so.''

Diese Diskussion half uns nicht weiter. Ich entschied mich dazu, mit Daniel zu reden. Ich setzte mich vor seine Tür und redete auf ihn ein, schließlich gelang es. Er sah seine Probleme ein und öffnete die Tür mit verheultem Gesicht.
''Es tut mir alles so leid..'', weinend stürzte er sich auf mich. Er war schwer und ich versuchte ihn so lange wie möglich in meinen Armen zu halten. Danach kam Henning und löste mich ab, er nahm Daniel in die Arme. Schließlich setzten wir uns alle an einen Tisch und redeten. Lange. Felix schlug vor, Daniel in eine Therapie zu schicken und ohne weitere Worte willigte er ein. Es war schön zu sehen, dass es nun bergauf ging.
Drei Tage später standen wir am Bahnhof um uns von Daniel zu verabschieden. Er hatte eine Therapiestelle außerhalb Köln gefunden und konnte wegen der Umstände so schnell wie möglich genommen werden. Wir umarmten uns nicht, es war ein einfaches 'Tschüss' sagen. Henning und Felix waren sauer auf ihn, doch wir verstanden alle seine Lage.

Auch unsere Umzugsplanungen liefen weiter. Felix hatte Karl angerufen und er war damit einverstanden, dass ich bei den beiden wohne. Erst weigerte er sich, da seine Freundin ja auch nicht bei ihnen wohnte und dass der eigentliche Plan eine 'echte MännerWG' war, doch nachdem er von meiner Krankheit erfahren hatte, stimmte er zu. Auch das mit der Chemo ging klar und langsam wurde mein Zimmer immer leerer und es sammelten sich immer mehr Umzugskartons. Am nächsten Tag traf dann auch Steffen ein, um die Kartons abzuholen. In meinem Auto brachte ich wenige größere Sachen wie Pflanzen unter.

Nun standen Malte, Christopher, Severin, Felix, Henning und ich vor meinem Auto und mir wurde schlecht. Abschied zu sagen ist immer schlimm. Ich heulte ja damals schon, als Henning auszog und als er auf Tour ging, wie sollten wir das jetzt hinbekommen? Natürlich waren seine Bandkollegen auch da, sie waren ebenfalls so etwas wie Brüder für mich.
Viele Erinnerungen kommen hoch, wie Severin damals mein Fahrrad kaputt machte, weil er ein Mädchen beeindrucken wollte oder wie Chrissi mich aus Mitleid zum Abschlussball begleite, weil niemand mit mir hingehen wollte. Hach, ich werde diese Vollidioten vermissen. Meine Eltern kamen nicht, die waren im Urlaub, Prag oder sowas. Sie meinten aber, sie freuen sich schon drauf Felix kennen zu lernen. Schön. Gestern verabschiedete ich mich von meinen Freunden aber zum Glück leben wir in einer modernen Welt und es gibt Skype und WhatsApp, was natürlich nicht so gut wie richtig nah bei den Menschen zu sein ist, trotzdem besser als nichts ist.
Ich räusperte mich kurz. ''Also, na dann.''
''Lass dich umarmen!'' Christopher umarmte mich herzlich und ich musste anfangen zu weinen. Abschied war doch immer nur der reinste Scheiß.
''Ahhh, nicht weinen!'', wir lösten uns und er lächelte.
Danach kam Malte und auch er schenkte mir ein paar nette Worte. ''Pass gut auf dich auf!''
''Du auch!'', wie ein heulender Schlosshund antwortete ich ihm.
Severin umarmte mich ebenfalls. ''Wehe du wirst nicht wieder gesund und denk daran, Cola trinken ist schädlich!'' Ein Insiderwitz. Muss man nicht verstehen. Dennoch brachte es mich zum Lachen.
Nun kam das allerschwerste, meinen richtigen Bruder zu verabschieden. Seit meiner Jugend war er mein Halt und mein Beschützer, der erste zu dem ich richtiges Vertrauen aufbaute. Auch wir verfielen in eine lange Umarmung.
''Ich hab dich lieb, Lynn.''
''Ich dich auch Henning, so so sehr.''

Felix verabschiedete sich ebenfalls von ihnen, natürlich war das nicht so kitschig wie bei mir. Irgendwie fühlte ich mich auch doof dabei, so neben Felix zu heulen, als würde ich das alles gar nicht wollen, wobei ich es doch so sehr wollte. Ich hoffte er verstand das. Und das tat er auch.

''Alles okay?'', er lächelte sanft.
''Mhm. Abschied ist nur immer scheiße. Aber ich freue mich riesig auf Chemnitz.'', ich konzentrierte mich auf die Straßen, dennoch konnte ich ein Grinsen nicht unterlassen.
Er legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. ''Ich auch. Du machst Chemnitz trotz diesen hässlichen Platten aus Beton wunderschön.''

The only exception // Felix Brummer (Kraftklub)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt